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VIETNAM / FLUGZEUGVERLUSTE Dienst quittiert

aus DER SPIEGEL 43/1966

In einem einzigen Einsatz-Monat über Nordvietnam und Laos verlor eine auf dem thailändischen Luftstützpunkt Ta Khli stationierte Staffel der US Air Force 15 ihrer 18 Kampfflugzeuge und neun Piloten.

Die Verlustrate war extrem. Aber auch der durchschnittliche Tribut, den Amerikas Luftstreitkräfte auf dem südostasiatischen Kriegsschauplatz zahlen, ist so hoch, daß eine Fortsetzung des Luftkriegs im gegenwärtigen Ausmaß fraglich erscheint.

Mit Ausnahme der auf drei Flugzeugträgern im Golf von Tonkin stationierten Einheiten operieren sämtliche Staffeln der Marine-Luftwaffe und jene der Marine-Infanterie unter ihrer Sollstärke. Die Amerikaner haben in Vietnam schon erheblich mehr Maschinen eingebüßt, als ihre offiziellen Verlustziffern besagen.

Laut Pentagon-Angaben holten rote Flak, Mig-Jäger und Sam-Raketen sowjetischer Herkunft in Vietnam bisher 530 amerikanische Kampfflugzeuge vom Himmel, davon 400 über Nord- und 130 über Südvietnam. Nicht enthalten sind

in diesen Verlust-Angaben aber Flugzeuge, die

- zwar vom Feindeinsatz zurückkehrten, doch so schwer beschädigt waren, daß sie ausgeschieden werden mußten;

- ohne Feindeinwirkung wegen mechanischer Schäden oder aus menschlichem Versagen abstürzten;

- von roten Partisanen am Boden zerstört wurden.

Diese Verluste eingerechnet, haben die US-Streitkräfte im Vietnam-Krieg bisher etwa tausend Maschinen eingebüßt. Gesamtwert des vernichteten Flugmaterials: etwa zehn Milliarden Mark.

Gravierend waren die Einbußen bei jenen Typen, die am besten für- den Dschungel-Einsatz geeignet sind. Die Marine-Luftwaffe mußte daher bereits ihre längst eingemotteten antiquierten Jet-Trainer vom Typ T-33 für ihre Reserve-Einheiten reaktivieren. Denn die Reservisten stellen alle einsatzfähigen Maschinen an die Vietnam-Front ab, darunter auch ihre alten A-4B -Kampfflugzeuge, die, 1956 in Dienst gestellt, nicht mehr für Kriegseinsatz vorgesehen waren.

Das Taktische Luftkommando der US Air Force unterhält heute, wie der Militär-Experte der »New York Times«, Hanson Baldwin, enthüllte, auf dem gesamten Gebiet der USA nur noch zwei Staffeln, die mit modernen Kampfflugzeugen ausgerüstet sind. Alle anderen wurden zu Ausbildungs-Einheiten mit entsprechendem Gerät degradiert. Und selbst die letzten beiden Staffeln sollen noch nach Südostasien verlegt werden.

Zwischen Pentagon und Generalität ist ein erbitterter Streit darüber entbrannt, wer schuld an der Flugzeug--Lücke habe. Die Militärs behaupten, das Pentagon habe die Produktion zu spät und nicht energisch genug angekurbelt. Pentagon-Beamte beschuldigen die Militärs, sie hätten ihren erhöhten Bedarf zu spät angemeldet, weil sie nicht mit so hohen Verlustziffern auf dem vietnamesischen Kriegsschauplatz rechneten.

Ende September hat Verteidigungsminister McNamara noch für dieses Fiskaljahr 280 Kampfflugzeuge zusätzlich zu den - ohnedies bereits erhöhten

- Produktionszahlen bestellt. Bei gleichbleibenden Abschußquoten in Vietnam wird die Flugzeug-Lücke trotzdem erst 1968 wieder geschlossen sein.

Aber auch danach klafft noch ein anderes Loch: Es fehlt an Piloten. Die Marine-Luftwaffe hat derzeit einen Fehlbestand von 1600 Flugzeugführern, der Marine-Infanterie fehlen 650. Die Air Force erhöhte die Zahl ihrer Piloten-Schüler von 1965 im letzten auf 2760 in diesem Jahr.

Über 200 US-Piloten fielen im Luftkampf, mehr als 100 wurden von den Roten gefangengenommen. (Von über Feindgebiet abgeschossenen Piloten wird unter Einsatz eines aufwendigen Rettungsdienstes knapp ein Drittel unversehrt wieder geborgen.) Darüber hinaus aber verloren die US-Streitkräfte allein im letzten Jahr 704 Piloten, die ihren Dienst quittierten. Sie zogen die höhere Besoldung bei privaten Luftfahrtgesellschaften dem drohenden Tod über Vietnams Dschungeln vor.

Abschuß von US-Flugzeugen in Nordvietnam

Sämtliche Staffeln unter Sollstärke

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