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SCHWEIZ Doch Hundefleisch

aus DER SPIEGEL 52/1953

Zur Frage, wie es in der Schweiz mit dem Genuß von Hundefleisch stehe, mußte der schweizerische Bundesrat Stellung nehmen. Seine Erklärung bescherte den Kommunisten einen Triumph ihrer Demagogie.

Der Anstoß zur Erörterung des wenig weihnachtlichen Themas allerdings war weder von den eidgenössischen Kommunisten noch überhaupt aus der Schweiz gekommen, sondern aus Moskau. Dort hatte sich die deutschsprachige Zeitschrift »Neue Zeit« vor einigen Monaten mit der Schweiz beschäftigt. Da das nicht oft geschieht, werden die seltenen Fälle in der Eidgenossenschaft um so stärker beachtet.

Als diesmal die »Neue Zeit« das Schauermärchen servierte, die bedauernswerten schweizerischen Arbeiter seien so schlecht gestellt, daß sie sich von Hunde- und Katzenfleisch ernähren müßten, war die Empörung groß.

Aber die Redakteure im Moskauer Verlag »Meschdunarodnaja Kniga« hatten ihre Behauptung nicht in allen Teilen aus der Luft gegriffen. Sie konnten sich vielmehr auf eine bürgerliche, in Basel erscheinende Zeitschrift. den »Schweizerischen Beobachter«, beziehen, demzufolge unbestreitbar feststehe. daß in den Kantonen Bern, Solothurn, Freiburg. Appenzell und in der Innerschweiz, der Heimat Wilhelm Tells, der Handel mit Schlachthunden »blühe«.

Der sowietische Nadelstich gegen die wohlgenährten eidgenössischen Arbeiter beunruhigte und schmerzte die schweizerischen Sozialisten. Ihr langjähriger Parteipräsident, Nationalrat Dr. Hans Oprecht, wollte Klarheit schaffen. Deshalb reichte er im Oktober eine Kleine Anfrage an die Regierung ein, worin er sich erkundigte, ob die Verordnung des Bundesrates von 1909 noch gelte. in der es klipp und klar heißt: »Der Verkehr mit Hunde- und Katzenfleisch und mit daraus hergestellten Waren ist verboten.«

Offenbar stellte die schweizerische Regierung ausgiebige Nachforschungen an. Jedenfalls benötigte sie dazu zwei Monate. Dann kam im Dezember die Antwort auf die Kleine Anfrage. Sie stellte fest, daß es den einzelnen schweizerischen Kantonen vorbehalten sei, Ausnahmen von dem Verbot von 1909 zuzulassen. »Unter Aufstellung sichernder Bestimmung« können sie innerhalb ihres Gebiets den »Verkehr mit Hunde- und Katzenfleisch bewilligen«. Lokale, die diesem Zweck dienen, »sind aber durch entsprechende Aufschriften zu kennzeichnen«.

Auch über den Grund, weshalb den Kantonen diese Bewilligungen eingeräumt wurden, gibt die Regierungsantwort Auskunft. Ziemlich weit sei nämlich der Glaube verbreitet, daß Katzen- und Hundefleisch besonders gesundheitsfördernd und in bestimmten Fällen direkt krankheitsverhütend sei. Wo in einzelnen Kantonen Hunde und Katzen verzehrt würden, seien »zweckdienliche Kontrollen erlassen« und Fleischbeschau verordnet worden. Gesundheitliche Nachteile hätten sich bei den Liebhabern von Hunde- und Katzenbraten bisher niemals feststellen lassen.

Für die meisten Eidgenossen war der regierungsoffizielle Unterricht über die Variationsbreite der schweizerischen Küche

eine ärgerliche Überraschung. Am meisten aber stöhnen die Tierschützler und - weil sie eine abschreckende Wirkung auf die ausländischen Touristen fürchten - die Hoteliers.

Nur aus einer Ecke ertönt Triumphgeheul. Mit fetter Schlagzeile verkündete der kommunistische »Vorwärts": »Doch Hundefleisch in der Schweiz!«

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