»Doch logisch, daß man den Ofen frisiert«
Als der 18jährige Mofafahrer mit Tempo 60 auf dem Fahrradweg durch Hamburgs Steilshooper Allee dröhnte, stoppte ihn eine Kradstreife der Polizei. Bei der Überprüfung der Maschine, die nur 25 Kilometer in der Stunde laufen darf, fand sich schnell die Ursache der lärmenden Leistung: Der Vergaser war verändert, der Auspuff ausgetauscht.
Im Hamburger Sonnenweg geriet ein Jugendlicher mit knatterndem Mokick in eine allgemeine Verkehrskontrolle, bei der die Beamten auch das Fahrzeug unter die Lupe nahmen: Angetrieben wurde das Mokick von dem Motor eines Kleinkraftrades, und auch sonst war manches an der Maschine montiert, die nun, statt zulässiger 40 Stundenkilometer, gut 75 machte.
Und als die Polizei im Hamburger Stadtteil Osdorf abends einen Mofaflitzer anhalten wollte, drehte der erst richtig auf: Er schaltete die Beleuchtung aus, kippte mit einem Hackentrick das klappbare Nummernschild herunter, brauste mit 85 Stundenkilometern davon und wurde erst nach einer Verfolgungsjagd gestellt; an dem Fahrzeug war nur noch der Rahmen original, alles Zubehör war zusammengeschustert und auf Tempo getrimmt.
Die schnellen Fahrer auf ihren heißgemachten Öfen, die von der Polizei in Hamburg und anderswo mehr zufällig aus dem Verkehr gezogen und in der Regel empfindlich abgestraft werden, sind zumeist Jugendliche, die auf Grund ihres Alters wie ihres Geldbeutels noch keine größeren Maschinen lenken können. Der gleichwohl vorhandene Wunsch nach mehr Motorenkraft wird dadurch befriedigt, daß sie ihr gemächliches Gefährt, regelwidrig und risikoreich, durch Tuning auf Trab bringen.
Aus Begeisterung am Basteln wie aus dem Drang nach höherer Geschwindigkeit werden so motorisierte Zweiräder ganz unterschiedlicher Art kombiniert und die Maschinen auf Ach und Krach frisiert. Oftmals reichen schon geringfügige Veränderungen hin, um aus einem lahmen Fahrrad mit Hilfsmotor, wie ein Hamburger Polizeiobermeister weiß, »eine richtige Rennziege zu bauen, die hundert Sachen und mehr macht«.
So auf Touren gebracht werden Maschinen, deren Motoren nicht mehr als 50 Kubikzentimeter Hubraum ("Schnapsglasklasse") haben und zumeist schon von der Bauart her eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten dürfen:
* Mofas, zugelassen für 25 km/h, die schon von 15jährigen gelenkt werden dürfen, neuerdings nach theoretischem Test mit Prüfbescheinigung;
* Mopeds, bis zu 40 km/h schnell, die von 16jährigen mit dem neuen Führerschein der Klasse vier, für den von 1981 an auch eine praktische Prüfung vorgeschrieben ist, gefahren werden können;
* Mokicks, Spitze 40 km/h, die wie Motorräder einen Kickstarter haben, auch sonst den schweren Maschinen ähneln und gleichfalls schon für 16jährige mit dem neuen Führerschein vier erlaubt sind;
* Klein- oder Leichtkrafträder ohne bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit, die 16jährigen mit dem neuen Führerschein 1b (beschränkt) anvertraut werden.
Von den über zwei Millionen Maschinen dieser kleinen Klasse, die auf westdeutschen Straßen laufen, ist nach S.67 Erkenntnissen des Berliner Umweltbundesamtes nahezu jedes zweite Zweirad manipuliert und zu schnell oder zu laut: 60 Prozent der Mofas, 65 Prozent der Mopeds/Mokicks und 45 Prozent der Kleinkrafträder.
Gedreht und gefummelt wird an allen Teilen der Krafträder, die nicht schweiß- oder schraubfest sind. Besonders bevorzugt wird der Ausbau des Luftfilters und der Einbau einer Vergaserdüse mit größerem Querschnitt, die dem Motor mehr Saft und Kraft zukommen läßt. Gebastelt wird am Auspuff, aus dem gerne Schalldämpfer entfernt werden -- oftmals zu Lasten der Leistung, doch stets zur Mehrung des Lärms.
Mal wird das vordere, mal das hintere Kettenrad ausgewechselt, um das Übersetzungsverhältnis zu erhöhen, und mitunter auch gleich beide, um noch ein paar Zähne zuzulegen.
Auch ohne detailliertes Fachwissen können technische Laien bei mehreren Fahrzeugtypen aus einem Mofa (bis 1,5 PS) oder Moped (bis 2,5 PS) ein leistungsstarkes Kleinkraftrad mit sieben Pferdestärken machen; Experten holen sogar bis zu 20 PS aus den kleinen Motoren, mit denen Spezialmaschinen im Motorsport bis auf 200 Stundenkilometer und noch höher gejagt werden.
Die kleineren Veränderungen, die sich sofort in einer Zunahme von Lärm und Leistung niederschlagen, »sind ja so einfach«, klagt Polizeioberkommissar Wilfried Dobin von der schleswigholsteinischen zentralen Verkehrsüberwachungsbereitschaft. »Man braucht sich bloß ein kleineres Kettenrad fürs Hinterrad zu kaufen und einzubauen.« Mit diesem simplen Trick, so Dobin, sei die Geschwindigkeit schon bis zu 50 Prozent zu erhöhen.
Doch mit dem Tempo, für das die kleinen Maschinen nun mal nicht gebaut worden sind, steigt gleichfalls die Gefahr für den Fahrer. »Wirklich schlimm« werde es, so der Hamburger Polizeirat Detlev Hohn, »wenn aus einem Fahrzeug für erlaubte 25 Stundenkilometer eine Rakete gemacht wird«.
Die Fahrer auf den leichten Zweirädern leben ohnehin gefährdeter als manch anderer Verkehrsteilnehmer -sei es, weil sie im Gedränge auf der Straße leicht übersehen werden und, kommt ihnen dann ein Auto in die Quere, sie allzu leicht den kürzeren ziehen; sei es, daß sie durch eigenes Fehlverhalten flugs parterre gehen.
Mofafahrer beispielsweise werden, so erkannten Verkehrsexperten, 14mal häufiger in Unfälle verwickelt als S.70 Autofahrer und, weil sie keine Knautschzone haben, dabei oftmals schwer verletzt. Im vergangenen Jahr, errechnete der ADAC, verunglückten allein 16 000 Mofafahrer zwischen 15 und 18 Jahren, »eine erschreckende Zahl«.
Unfälle mit Personenschäden ereilen Moped- und Mokickfahrer zu etwa 20 Prozent häufiger als Autofahrer, und wer ein Kleinkraftrad fährt, kommt sogar noch leichter unter die Räder: 1978 wurden, relativ, mehr als dreimal soviel von ihnen bei Unfällen getötet als Autofahrer, rund viermal soviel erlitten Verletzungen.
Da erhöht sich zwangsläufig das Risiko, wenn der Motor auf Tempo getrimmt, aber nicht die Bremsen verstärkt werden, wenn durch Wechsel der Reifen und Kettenräder das Übersetzungsverhältnis vergrößert, aber nicht zugleich der Rahmen stabilisiert wird. »Das Fahrzeug wird«, sagt ein Bremer Verkehrspolizist, »zum Selbstmordinstrument.«
So weigerte sich denn auch ein Stuttgarter Verkehrssachverständiger, der im Auftrag der Polizei ein sichergestelltes, manipuliertes Moped auf Teststrecke überprüfen sollte, die Maschine voll auszufahren. Als er über Tempo 80 kam, drehte er ab: »Ich wollte mir ja nicht das Genick brechen.«
Geradezu halsbrecherisch hingegen vertrauen die zumeist jungen Bastler auf den Stand der Technik und ihr eigenes Geschick. »Ist doch logisch, daß man seinen Ofen frisiert«, bekennt der Rheinländer Bernhard Götz, selbst Mofafahrer, »das muß man schon, um mit den anderen Kumpels mithalten zu können. Ich kenne keinen, der nicht nach spätestens drei Monaten sein Mofa heiß gemacht hat.«
Da wird dann schon mal, wie in Mainz, ein Mofafahrer von einer eigens angeforderten Funkstreife gestellt, nachdem er zuvor ausgerechnet einen Kripomann im BMW an einer Ampel mit gut 65 km/h abgehängt hatte. Und in Schleswig-Holstein führen Polizeibeamte der Verkehrsbereitschaft schon eine Hitliste über die aufgebrachten Renner: Ein Mofa kam auf 102 km/h, ein Moped war noch elf Stundenkilometer schneller.
Die Beamten haben freilich wenig Möglichkeiten, der rasenden Radaumacher habhaft zu werden. »Im Rahmen der Streife«, sagt Hauptkommissar Walter Diers von der Verkehrsabteilung der Polizei Hannover, würden auch die kleinen Zweiräder überwacht, und Radarwagen achteten »zum Teil auch auf Mofafahrer«.
»Wir machen unsere Kontrollen vorwiegend an Berufsschulen und Schulzentren, wo erfahrungsgemäß die meisten Mofafahrer sind«, erklärt Dieter Popp, Dienstgruppenleiter bei der Kradstaffel der Mainzer Polizei. Dabei würden alle motorisierten Zweiräder angehalten, neben den Papieren auch die Vergaser überprüft, die Bremsanlagen wie die Reifen kontrolliert. Für eine Messung des Lärms der Maschinen aber haben die Mainzer ebensowenig wie die Beamten in Hannover ein Gerät.
In Stuttgart wiederum werden »wöchentlich Sonderkontrollen« vorgenommen, bei denen vor allem nach frisierten Maschinen gesehen wird. Dort haben die Beamten auch ein Schallmeßgerät, um wenigstens im Stand die hohen Töne mit der vorgeschriebenen Norm vergleichen zu können. In Hamburg muß die Polizei ohne solche Hilfsgeräte auskommen, denn »ein guter Schutzmann«, so die Innenbehörde, »hat ja ein geübtes Ohr«. Die schleswig-holsteinische Polizei hingegen beschaffte sich als erste sogenannte Rollenmeßgeräte, mit denen die Geschwindigkeit, statt auf der Teststrecke, auf einem Prüfstand gemessen werden kann.
Nach den Erfahrungen von Polizeioberrat Heinz-Jürgen Simon, stellvertretender Leiter der zentralen Verkehrsüberwachungsbereitschaft in Neumünster, aber »gibt es Schwierigkeiten, bei den jungen Leuten Verständnis dafür zu erwecken, daß sie sich mit dem Frisieren ihrer Fahrzeuge ja selber großen Schaden zufügen können«.
Daß sie es überhaupt können, machen andere möglich. Gesetzgeber und Zweiradindustrie haben bislang wenig getan, um solche Gefahren schon im Ansatz zu bannen.
Über zwei Jahre lang stritten beispielsweise Bund und Länder, Hersteller und Verbandslobby in »kontrovers geführten Auseinandersetzungen«, wie der Bonner Ministerialrat im Verkehrsministerium, Helmut List, registrierte, »durch welche gesetzlichen Änderungen die Sicherheit des motorisierten Zweiradverkehrs verbessert werden« könne.
Heraus kam, wie so oft, ein flauer Kompromiß. Zwar wurde das Fahrerlaubnisrecht S.72 für die leichten Zweiräder »mit Rücksicht auf die starke Zunahme dieser Verkehrsmittel im Straßenverkehr, ihre technische Entwicklung und ihre hohe Unfallbeteiligung« (Gesetzesbegründung) letztes Jahr geändert, aber kaum hinreichend den Verhältnissen angepaßt.
Während beispielsweise der Bestand an Mofas in den letzten zehn Jahren »geradezu explosionsartig« (Ministerialrat List) auf gegenwärtig 1,4 Millionen stieg, die hohen Unfallzahlen allenthalben bedauert werden, kam es wieder nicht zu der seit langem geforderten Führerscheinpflicht für diese Fahrzeuge.
Erst wer nach dem 1. April dieses Jahres 15 wurde, muß mit der Beantwortung eines 20-Fragen-Katalogs seine Verkehrstüchtigkeit für ein Mofa unter Beweis stellen und erhält eine Prüfbescheinigung -- keineswegs einen Führerschein, ohne den das Fahren sonst immer strafbar ist. Wer schon älter ist, kann auch weiterhin unbeschwert mofeln, ohne Schein.
Nach der neuen »mehr oder weniger unsinnigen Prüfungsregelung« (ADAC) muß der Jugendliche nun nachweisen, daß er »ausreichende Kenntnisse der für den Führer eines Kraftfahrzeuges maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat und mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist«.
»Es ist ein gefährliches Quiz«, moniert der ADAC, »wenn die Prüflinge nur 20 Fragen beantworten müssen, um die Prüfbescheinigung zu bekommen. Und ob Jugendliche ohne Anleitung die richtige Einstellung und das richtige Verhalten im Straßenverkehr haben, darf bezweifelt werden.«
Für Hans Birkholz, Fahrlehrer in Hannover, ist der Mofa-Fragebogen »das billigste vom billigsten, das einfachste, was man sich überhaupt vorstellen kann«. Daß bei den ersten Prüfungen der neuen Art die meisten Aspiranten, vielerorts bis zu 90 Prozent der Jugendlichen, durchfielen, verstärkt für Birkholz nur das Argument von der unzureichenden Verkehrsvorbereitung, für die in den Schulen mehr geleistet werden müsse.
Auch die Industrie hat es bislang verstanden, es den jugendlichen Bastlern leichtzumachen, Einzelteile an ihren Fahrzeugen einfach auszutauschen. Seit Jahren schon rangeln fachkundige Gremien aus Politik und Wirtschaft über »Richtlinien«, nach denen die leichten Zweiräder narrensicher gebaut und geprüft werden können. Geplant ist die Festlegung baulicher Details, die sicherstellen sollen, daß etwa durch das »unzulässige Entfernen des Luftfilters« die Geschwindigkeit des Fahrzeuges um nicht mehr als zehn Prozent steigt.
Vorgesehen ist auch, daß Wandstärken von Motorteilen so »minimiert« werden, daß sie beim Vergrößern der Hohlräume zu Bruch gehen; und andere Technikteile, etwa ein Zylinderkopf, dürfen nur noch zu einer Fahrzeugkategorie passen oder sollen, wie ein Kettenrad, überhaupt nicht mehr vom Fahrzeug zu lösen sein.
Einstweilen aber gibt es alle diese Möglichkeiten zum Eigenbau, wird der Wunsch nach einem rasanten Renner bei Jugendlichen weiterhin auf vielfältige Weise geweckt und gefördert.
»Was ist wichtig im Leben?« fragt beispielsweise die Redaktion eines »hobby«-Sonderheftes über die »50er Klasse« und gibt auch gleich die Antwort: »Auf jeden Fall der 15. Geburtstag] ... Das motorisierte Leben beginnt] Es beginnt mit dem Mofa, aber heimlich wird doch schon mit dem Mokick geliebäugelt.«
Den Einstieg in die heiße Motor-Männer-Welt heizt auch die Zweirad-Werbung an. Die meisten Hersteller sind längst dazu übergegangen, die zwischen 1000 und 2000 Mark teuren Mofas ebenso wie Mopeds und Mokicks äußerlich den Motorrädern zum Verwechseln ähnlich zu gestalten und sie auch entsprechend anzupreisen.
»Mofa und Motoren aus dem Werk der Weltmeister«, wirbt beispielsweise S.74 die Firma Kreidler für ihr »technisch ausgereiftes, sprintstarkes 3-Gang-Mofa« mit »rennerprobten Bauteilen des sieggewohnten Florett-Motors«. Schon das Mofa ähnelt einem Motorrad, noch mehr das Mokick aus demselben Stall. Ein »Mokick mit Motorradkraft« bietet Kreidler an, das den »Schub der 50-ccm-Motorradklasse« bringe, mit »einmaliger Beschleunigung« durch eine neuartige »5-Gang-Fußschaltung«.
Die schnellsten Modelle gelten als Verkaufsschlager, und da möchte sich kein Hersteller abhängen lassen. Da geht es um »rasante Leistung«, und »zügiges Fahren wird garantiert« (Hercules). »Leistungsstark« und »kraftvoll« gibt sich Zündapp, und bei Vespa läßt »der robuste Automatikmotor keine Wünsche offen«.
So angemacht, mag manchen Jugendlichen die tatsächlich erreichbare Spurt- und Laufleistung seines Zweirads schnell enttäuschen. Dann sind da die Kumpel mit ihren frisierten Fahrzeugen, die den Neuling vom Start weg stehenlassen. Und Antrieb zum Selbermachen gibt wohl auch jugendliches »Imponiergehabe«, wie der Hamburger Polizeirat Hohn meint, nun mal richtig aufzudrehen im Wohnrevier, »daß die Omas im sechsten Stock aus dem Bett fallen«.
Wer den schlanken Schub für sein Gefährt nicht aus eigenem Antrieb und Talent zustande bringt, findet dafür reichlich Handreichungen in Fachzeitschriften und einschlägigen Büchern. »Mit technischen Kniffen«, heißt es etwa in dem »hobby«-Sonderheft, könnten aus dem »Alleskönner«-Motor »zwischen 1,5 und 21 PS« herausgeholt werden. Es folgen technische Details und Tricks, mit denen auch interessierte Schüler und fingerfertige Lehrlinge etwas anzufangen wissen.
Da wird etwa erklärt, daß ein Vergaser mit einer Düse von 16 Millimeter Durchmesser viermal soviel Luft-Benzin-Gemisch in den Zylinder bringt wie einer mit dem halben Querschnitt (Mofa-Größe). »Doch damit allein ist es noch nicht getan«, heißt es weiter, »auch Ansaug- und Überstromkanäle und der Luftfilter müssen ... aufeinander ... richtig abgestimmt sein.«
Es geht sogar noch einfacher, raten die »hobby«-Bastler: »Ein anderer Trick bei der PS-Dressur besteht darin, daß einige Mofafahrer den serienmäßigen Zylinder gegen den eines Mokicks austauschen.« Gewarnt wird gerade noch davor, daß die Polizei diese Form des Frisierens leicht feststellen könne.
Sogar in einem Testbericht über Mokicks finden »hobby«-Heimwerker noch Hilfreiches für den Eigenbau. Bei einem Mokick, mit dem ohnehin schon 49 Stundenkilometer erreicht worden waren, entdeckten die Tester »eine dünne Kunststoffscheibe im Luftfilter«, die dem Motor die Luft abschnürte. »Nachdem die Scheibe entfernt worden war, lief der Motor tadellos.«
Die mannigfaltigen Möglichkeiten, mehr als erlaubt aus den Maschinen herauszuholen, liegen nicht zuletzt an der Konstruktionsweise der Motoren mancher Hersteller. Oftmals befindet sich im Mofa ein gedrosselter Motor eines Mokicks, im Mokick dreht ein gebremster Kleinkraftradmotor, der mit wenigen Handgriffen wieder flottgemacht werden kann.
So sind etwa Mokick und Kleinkraftrad der Firma Hercules nahezu baugleich, der Zylindertausch ist problemlos. Und bei Zündapp paßt sogar jeder Zylinder in die andere Motorklasse, vom Mofa bis zum Kleinkraftrad. »Da geht einer hin«, sagt ein Hamburger Verkehrspolizist, »kauft sich den größeren Zylinder für 100 Mark, setzt ihn ein, und fertig ist der Renner.«
Doch wer mit einem frisierten Zweirad fährt und erwischt wird, riskiert außer seiner Gesundheit erhebliche rechtliche Sanktionen:
* Die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlischt, das Zweirad kann amtlich eingezogen werden.
* Die Haftung der Versicherung bei einem Unfall entfällt, der Fahrer und notfalls auch die Eltern haften für den Schaden.
* Fahren ohne Führerschein wird abgestraft, weil die zumeist jugendlichen Raser keine entsprechende Fahrerlaubnis haben.
Die Strafe ist empfindlich und womöglich härter als bei vergleichbaren Delikten anderer Verkehrsteilnehmer. Dem ertappten Schnellfahrer auf dem heißgemachten Mofa droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, und überdies erhält er auch noch sechs Strafpunkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei.
Als das Amtsgericht in Kleve das Fahren auf frisierten Mofas ohne entsprechende Fahrerlaubnis als, realistisch, »Massendelikt« bei Jugendlichen einstufte und in einem Vorlagebeschluß für das Bundesverfassungsgericht vor der »unnötigen Stigmatisierung« der Täter durch Strafe wie vor der Ungleichbehandlung ähnlich gelagerter Vergehen warnte, klopften die hohen S.76 Richter vergangenes Jahr die harte Spruchpraxis fest.
Wer einen Bus oder ein Taxi fahre, hatte das Amtsgericht angeführt, ohne die spezielle Fahrerlaubnis zu besitzen, werde lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt. Dasselbe widerfahre dem Lenker eines Lastkraftwagens, der schneller als 100 Stundenkilometer und damit in einem Geschwindigkeitsbereich fahre, für den es gar keine Fahrerlaubnis für Lkw gebe. Und nur ordnungswidrig handele auch, wer sein Kraftfahrzeug, etwa nach dem Einbau eines anderen Motors, ohne die erforderliche Zulassung oder Betriebserlaubnis in Gang setze -- durchaus vergleichbar den Manipulationen am Mofa.
Die Verfassungsrichter vermochten gleichwohl keinen Verstoß gegen das gesetzlich garantierte »Übermaßverbot« wie gegen den Gleichheitsgrundsatz bei der Behandlung der Zweiradfahrer zu erkennen. Das Grundgesetz, so die Begründung, »verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln«.
Schlimmer noch. Mit rigorosen Rechtsfolgen muß sogar der Mofafahrer rechnen, der, ohne an seinem Fahrzeug manipuliert zu haben, in den führerscheinpflichtigen Geschwindigkeitsbereich rast. So verurteilten das Amtsgericht Gütersloh wie das Oberlandesgericht Hamm einen Jugendlichen wegen Fahrens ohne Führerschein, weil dessen Mofa mit umgebautem Auspuff 40 Stundenkilometer lief, obwohl die Spitzenleistung nach Ansicht der Richter »möglicherweise unabhängig von dieser Veränderung« zustande kam.
Ein Sachverständiger hatte vor Gericht zu Protokoll gegeben, es komme »häufig vor«, daß Fahrzeuge bestimmter Hersteller schon »im Originalzustand eine weit höhere als die zugelassene Geschwindigkeit von 25 km/h« erreichten.
Die Oberlandesrichter fanden es zwar »in hohem Maße unbefriedigend«, wenn die »behördliche Überprüfung unzureichend ist«. Dennoch mache sich schuldig, wer wissentlich auf einem zu schnellen Mofa fahre.
Daneben gebe es eine Verantwortung der Zulassungsbehörden, mahnten die Richter, die »unter Umständen schärfer prüfen und überwachen müßten«, und auch die Hersteller der heimlichen Renner seien nicht ohne Schuld. Die freilich wurden dafür noch nie belangt.
Das wird sich womöglich bald ändern. Der Dortmunder Schutzpolizeidirektor Werner Kullik verfügt über »Dutzende von Gutachten«, aus denen hervorgehe, daß »bestimmte Mofa-Typen serienmäßig vom Werk aus« zu schnell seien. Für die Polizei untersuchte der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein (Dekra) in der Prüfstelle Dortmund allein im vergangenen Jahr mehr als 600 Mofas, und Dekra-Sachverständiger Klaus Hellmich glaubt nun »detailliert in einer Vielzahl von Fällen« nachweisen zu können, um welche Fabrikate es dabei geht.
Die Dortmunder Polizei informierte das Kraftfahrt-Bundesamt, zuständig für die Genehmigung der Betriebserlaubnis der Fahrzeuge, wie das Verkehrsministerium und leitete unlängst, weil nichts geschah, Verfahren gegen mehrere Hersteller-Firmen ein. Kullik: »Entweder müssen die Hersteller wegen Beihilfe zum Fahrerlaubnisvergehen bestraft oder die Betriebserlaubnis sollte entzogen werden.«