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Artikel 55 / 69

Briefe

DOKUMENTATION
aus DER SPIEGEL 27/1966

DOKUMENTATION

Ihre Serie »Intern Dr. X« ist ausgezeichnet. Zeigt sie doch auch dem zu behandelnden Patienten, wie sehr er selbst zur richtigen Diagnose seines Arztes beitragen kann. Gleichzeitig werden, wie überall, auch die menschlichen Grenzen des Arztes aufgezeigt. Soll man deshalb beunruhigt sein? Im Gegenteil: Es befreit von Illusionen. Wenn deutsche Kollegen des Dr. X bärbeißig sind, so ist deutlich die verletzte Eitelkeit und Angst vor dem Einbruch in den Standesdünkel zu spüren.

Bietigheim (Bad.-Württ.)

HANS-JOACHIM SCHWAFERT

Meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Serie. Wird es doch Zeit, den Laien - zu denen ich auch gehöre - ein klares Bild über die Verhältnisse in den Krankenhäusern zu vermitteln. Auch - so glaube ich - ist es notwendig, die Menschen von der Fehlbarkeit der Ärzte zu unterrichten. In den vier Fortsetzungen, welche ich bisher verfolgt habe und deren - o Wunder - gut lesbarer Stil und Ausdruck mich erfreute, waren diese wichtigen Punkte zur Volksaufklärung enthalten.

München HEINRICH-OTTO OPFER

Die medizinischen Probleme werden in zunehmendem Maße nicht ohne aktive Beteiligung der Laienwelt zu lösen sein; denn sie betreffen immer weitgehender die Verhütung von Krankheit und Tod. Diese Tatsache desillusioniert die selbstgefällige Vorstellung einer auf magische Weise wirksamen Heilkunst, deren durchaus anzuerkennende Bedeutung sich verringert, seitdem in der modernen, von der Wissenschaft beeinflußten Epoche eine Tendenz erkennbar geworden ist, die man nach dem Wort eines großen Arztes und Psychologen einen »Zwang zur Erziehung zur Wahrheit« nennen könnte, ein Zwang, dessen Beliebtheit gewiß nicht Schritt hält mit seiner Unvermeidlichkeit, die auf der stetigen Zunahme der Informationsmöglichkeiten beruht. Genau diesem Sachverhalt entspricht die Schilderung unseres Kollegen »Dr. X«, dessen Aufrichtigkeit sich schon im Stil verrät. Die um Prestige und Vertrauensseligkeit besorgten Kassandrarufe dürften zumindest unter dem erwähnten Aspekt etwas töricht sein. Im übrigen handelt es sich um den Bericht eines jüngeren Kollegen, weshalb die älteren Nachsicht üben sollten, wenn seine Urteile, zum Beispiel über »entwürdigende« Untersuchungen, vom akademischen Sprachgebrauch einmal abweichen; darin verrät sich nur die rührende Neigung junger Ärzte, sich tiefer in ihre Patienten einfühlen zu wollen, als es der Gewohnheit der Senioren entspricht. Deshalb ein doppeltes Lob dem »Intern Dr. X«.

Bad Kissingen

DR. MED. NORBERT WILLERDING

Viele Ihrer Leser werden beim ersten Anblick der SPIEGEL-Serie entsetzt gewesen sein: Sollte der sonst so sachliche SPIEGEL plötzlich dem weniger rühmlichen Beispiel vieler Illustrierten gefolgt sein und einen kitschigen Bericht aus dem Milieu eines Arztes abdrucken? Die Lektüre der ausgezeichneten und nüchternen, zuweilen dramatischen Serie wird jeden (noch so großen) Zweifler von der Qualität des abgedruckten Buches überzeugt haben. Die allerletzten Zweifler sollten sich durch einen Artikel der amerikanischen Buchindustrie-Zeitschrift »Publisher's Weekly« von der Güte des »Dr. X« überzeugen lassen: »Publisher's Weekly« qualifiziert es als »einen großen Sachbuch-Bestseller 1965«, in dem beschrieben wird, »was in einem Krankenhaus hinter den Kulissen vorgeht«, und nach dessen Lektüre »der durchschnittliche Leser es vorziehen« würde, »in seinem Bett zu Hause zu sterben«.

München G. F. KLUGE

Ohne die SPIEGEL-Serie könnte ich mir auch heute noch keine rechten Vorstellungen vom Ausbildungsstandard unserer amerikanischen Kollegen machen. Man hört zwar immer wieder, wie ausgezeichnet die ärztliche Ausbildung in den USA funktioniere, muß aber immer bedauern, nicht mitreden zu können, da eigene Erfahrungen fehlen. Die angeführten Aufzeichnungen eines Arztes beweisen Zeile für Zeile die schwerwiegenden Mängel amerikanisch-medizinischer Denkungsart.

Speyer DR. MED. EKKEHARDT BOHM

Für jeden Fachmann war es jedenfalls höchst erfreulich, daß der SPIEGEL die ganze Trostlosigkeit der US-Medizin einmal dargestellt hat.

Es war ja auch der SPIEGEL - und die gesamte deutsche Presse -, der in den letzten Jahren diese »Medizin« so hochgespielt, an der »deutschen« Medizin jedoch nur herumgekrittelt hat.

Kein Mensch, vor allem kein Arzt, bestreitet gewisse Leistungen in den USA, vor allem auf dem Gebiet der Nerven-, Gefäß- und Herzchirurgie. Wenn der Tagebuchschreiber aber zum Beispiel ein cardiales Lungenödem mit »Digitalis« behandelt und expressis verbis dazuschreibt, dies sei gleichsam »das Mittel der Wahl«, kann er wirklich kein besseres Zeugnis für die miserable Trostlosigkeit seiner »Medizin« geben.

Haubersbronn (Bad.-Württ.)

DR. MED. MARKUS HEYDE

In der Serie wird die Prognose des Diabetes mellitus mit der der Myasthenia gravis verglichen, und beide krankheiten werden als quoad vitam infaust dargestellt. Das ist sachlich falsch und könnte bei ihren zuckerkranken Lesern zu unnötiger Besorgnis führen. Es ist demgegenüber festzustellen:

- Grundsätzlich ist der Diabetes an sich keine Ursache der Invalidität;

- auch der schwere Diabetiker kann bei guter Einstellung ungefähr jede Arbeit leisten.

Diese von Hoff aufgezeigten Fakten haben sich anscheinend noch nicht bis zu den Interns gewisser amerikanischer Provinzkrankenhäuser herumgesprochen.

Würzburg DR. MED. BERNHARD SCHÖNING

Für die Veröffentlichung dieser für mich als Studierenden der Medizin äußerst informativen Serie möchte ich mich bei Ihnen bestens bedanken. Die bisher erschienenen Fortsetzungen habe ich mit größtem Interesse, meistens sogar mehrmals gelesen. Leider muß ich Ihnen gestehen, daß mich einige Passagen erschüttert haben. Welches Gefühl hat zum Beispiel eine junge Frau, die ihrer ersten Niederkunft entgegengeht, nachdem sie die Erlebnisse des Dr. X auf der Entbindungsstation las?

Tübingen GERNOT RUDOLF

Tabus einreißen - warum nicht. Wenn man etwas zu sagen hat und für neue Ideen kämpft! Statt dessen ein anonymer Dr. X, der wie ein stotternder James Bond unter der Chirurgenmaske wahllos auf Ärzte und Patienten schießt. Wenn dann dieser unbekannte Dr. X über die Read-Methode berichtet, wird er widerlich. Drei mißlungene Geburten hat er gesehen. Der Geburtshelfer ist - als besonderer Schocker - ein Sadist. Und das genügt ihm, eine in aller Welt mit Erfolg praktizierte Methode zu verurteilen.

Read revolutionierte die Geburtshilfe, indem er den alten Teufelskreis - Angst, Verkrampfung, Schmerz - durchbrach und die Psychosomatik in die Geburtshilfe einführte. Die nach Read entbindenden Ärzte wollen die Frauen körperlich und seelisch auf die Geburt vorbereiten. Sie sollen von allen Ängsten befreit an der Geburt aktiv und wissend teilnehmen. Entspannungsübungen, Gymnastik und die richtige Atemtechnik sollen erreichen, daß die Frauen während der Entbindung entspannt und gelöst sind. Die Resultate der angstfreien Geburt sind: stark verkürzte Geburtsdauer, Herabsetzung des Wehenschmerzes auf ein Mindestmaß, frische Kinder, die nie asphyktisch (blau oder weiß) sind, da sie nicht annarkotisiert wurden, und für die Mutter das beglückende Gefühl der eigenen Leistung.

Für Dr. X sieht die Zukunft der Geburtshilfe in Amerika so aus: feine Nadel, Rückenmarksnarkose und Beendigung jeder Geburt durch die Zange oder den Kaiserschnitt. Man propagiert, aus dem natürlichen Vorgang der Geburt einen Operationsakt zu machen. Verlangt die Situation der Geburt eine Zange oder Kaiserschnitt, wird jeder Arzt sich dem fügen. Eine aber völlig normale Geburt so zu beenden, ist ein Verbrechen.

Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, daß dieser unbekannte Dr. X mit seinem teilweise hochstaplerischen Bericht nach dem Film geschielt hat. Es wirkt immer verstimmend, wenn man ärztliche Problematik nicht mit der Behutsamkeit der Bescheidenheit eines Wissenden anfaßt, sondern daraus eine Sensation macht - das ist hier der Fall.

München DR. MED. H. LOHMER

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