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»Dort ist eine Lady auch nachts sicher«

aus DER SPIEGEL 33/1971

Mit 122 gegen 57 Stimmen forderte das Repräsentantenhaus letzten Mittwoch eine Sperrung der US-Militärhilfe für Griechenland, solange die Athener Junta dem Volk demokratische Rechte verweigert. Die DebaUe im Unterhaus des Kongresses drehte sich freilich weniger um die Zustände in Athen als um jene in Washington; die Auseinandersetzung um Amerikas Außenpolitik artete in einem Zank um die Innenpolitische Misere aus. Die demokratischen Abgeordneten James Burke, Wayne Hays und James Howard stritten sich um die Sicherheit auf nächtlichen Straßen:

BURKE: Tatsache ist nun mal, daß es diese Regierung in Athen gibt, und jeder, der in letzter Zeit Griechenland besucht hat, weiß auch, daß sie in absehbarer Zukunft nicht beseitigt werden wird. Es gibt keine tiefe Unzufriedenheit des Volkes mit dieser Regierung, weil sie das Land eben nicht wie eine totalitäre Diktatur regiert ...

HAYS: Der Gentleman hielt eben ein perfektes Plädoyer für die Diktatur, denn gerade darauf läuft es hinaus. Ich habe in meinem Leben einen Haufen kindisches Geschwätz gehört, und heute nachmittag habe ich davon mehr gehört als üblich ...

BURKE: Ich würde den Gentleman am Mikrophon gern fragen, ob er den Griechen nicht erzählen will, welche Art von Demokratie er ihnen ans Herz legen möchte. Meint er denn jene Abart der Demokratie besonders, die wir hier in unserer Hauptstadt miterleben, wo die Verbrechen, die Banküberfälle um über 50 Prozent steigen? Möchte er unsere Banküberfälle nach Athen exportieren?

HAYS: Ich habe für Verbrechen nicht mehr übrig als Sie ... Doch wie immer es um die Verbrechensrate steht, ich bin für die Demokratie. Wenn Sie glauben, daß Sie mich soweit kriegen, zu sagen, ich wünschte mir eine Diktatur, um das Verbrechen auszurotten, dann geben Sie"s auf, denn das werde ich nicht sagen.

BURKE: Tatsache ist, daß man in Athen, Griechenland, heute in jedem Teil der Stadt zu jeder Tages- oder Nachtzeit herumspazieren kann, ohne Gefahr zu laufen, überfallen, beraubt, vergewaltigt oder umgebracht zu werden. Jede Lady kann, auch nachts um eins, sicher nach Hause gehen, ohne irgendeine Belästigung zu fürchten. Man braucht zu Hause keine Angst vor einem Einbruch zu haben, man hat keine Sorgen mit Rauschgift. Wir hier in Amerika wollen Repressalien gegen Griechenland verhängen, dabei können wir aber nicht einmal mit unseren eigenen Problemen fertig werden.

HOWARD: Ich glaube nicht, daß da drüben in Griechenland alles so wundervoll und perfekt wäre, wenn die nicht einen Haufen Geld von uns bekämen. Vielleicht könnten wir hier bei uns die Zahl der Verbrechen verringern, wenn wir nicht so viel Geld nach Griechenland schickten, sondern etwas mehr Mittel für unsere eigene Verbrechensbekämpfung aufwendeten.

BURKE: Ich wünschte, ich könnte die Logik des Gentleman verstehen.

HAYS: Ich rieche einen faulen Trick, bevor ein anderer ihn ahnen kann. Dieser ganze Unsinn über Verbrechen in Athen ist ein exemplarischer fauler Trick, weil Sie selbst, Mister Burke, zugegeben haben, daß dieselben Verhältnisse in Griechenland herrschten, als es noch eine Demokratie war. Die Tatsache, daß ein Diktator dort die Macht an sich gerissen hat, daß er seinen Bürgern das Wahlrecht verweigert und eine Menge von ihnen eingesperrt hat, hat verdammt wenig zur Sicherheit jener Lady beigetragen, die dort um ein Uhr morgens herumspaziert.

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