KRIMINALITÄT Dr. heilpr.
Weil es »viel besser fürs Prestige ist«, wollte Hans Hermann Weyer, 39, nach eigenem Bekunden Konsul von Liberia, eigentlich lieber »noch Uno-Botschafter werden«. Doch nun residiert der Diplomat woanders: in der Leipziger Straße 11 zu Kassel, der Adresse des lokalen Untersuchungsgefängnisses.
Wegen des Verdachts, er habe womöglich Professoren- und Doktortitel mal für 100 000 mal für 134 000 Mark an Heilpraktiker und Dentisten, Steuerberater und Fabrikanten veräußert, durchsuchten Staatsanwalt, Kriminal- und Schutzpolizisten im vergangenen Monat Weyers Münchner Villa und zwölf weitere Wohnungen, beschlagnahmten Korrespondenz und nahmen den Konsul fest. Dann chauffierten Beamte den Rolls-Royce-Fahrer in einer Staatskarosse, Marke Grüne Minna. zum Gefängnis nach Kassel, wo sich der Verdächtige nun wegen Urkundenfälschung (Höchststrafe: fünf Jahre) verantworten soll.
Weyers »finstere Geschichten, die der Kasseler Staatsanwalt Hans-Görge Grössel nun aufzuklären sucht, beleuchten die Usancen eines Geschäftszweiges, der mitten in der Krise der bundesdeutschen Wirtschaft in der Hochblüte steht. Der Markt für den gewinnträchtigen Handel mit akademischen Titeln ist größer denn je, Staatsanwalt Grössel taxiert allein den Weyer-Jahresumsatz auf eine Million Mark.
Zu jenen, die sich vom akademischen Grad neben einem Prestigeplus auch einen Karriere-Bonus erhoffen, stoßen nun solche Titel-Interessenten, die sich in der Flaute von sozialem Abstieg bedroht wähnen. »Mit dem Doktorhut"« so beobachtete Dietrich Urbach, Bildungsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) »wollen sie dieses Risiko mindern.«
Sie gehen ein anderes Risiko dabei ein. Denn bevor die meist von ausländischen Scheinhochschulen stammenden teuren Titel in der Bundesrepublik geführt werden können, bedürfen sie behördlicher Anerkennung, und die wird stets versagt. »Faule Sachen«, sagt Otto Schieffer, Leiter der für die Überprüfung zuständigen Bonner »Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen«, »erkennen unsere Experten fast immer.«
Neben finanziellen Einbußen stehen den Numerus-clausus-Umgehern auch erhebliche Strafen ins Haus. Paragraph 132 a des Strafgesetzbuches droht jedem, der unbefugt einen inländischen oder ausländischen akademischen Grad führt, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr an. Nicht strafbar macht sich indessen, wer gekaufte Titel nur zu Hause an die Wand hängt.
Die Promotionsurkunde als heimischer Wandschmuck scheint freilich vielen Westdeutschen genug herzumachen. Zu Weyer-Preisen um 100 000 Mark oder gegen Dumping-Honorare von 250 Mark (Anbieter: »Universal Life Church") liefern international operierende Titelhändler vom Dr. med. bis zum »Doctor of Divinity« (Doktor der Theologie) nahezu jeden gewünschten Studienabschluß. Die Promotionen solcher Machart gehen in die Zehntausende.
Um die Doktorflut einzudämmen. veröffentlichte der Straßburger Europarat eine schwarze Liste von 150 Talmi-Universitäten -- Minisekten oder Firmen -- die, meist mit Sitz in USA, ganz legal Promotionsurkunden drucken und vertreiben, mit dem bundesdeutschen Hochschulbegriff freilich nichts gemein haben. DIHT-Experte Urbach, der den Markt in einem warnenden Handbuch für Titel-Interessenten dargestellt hat, beobachtet neuerdings auch ein »massives Einsteigen von Schwindeluniversitäten und Hochschulen aus exotischen Ländern"*.
Mal wird ein »Dr. heilpr. aus USA«. mal ein »Doktorat nach extramuralem Studium« in deutschen Tageszeitungen offeriert. Gefragt sind »qualifizierte Kandidaten«, »solvente Persönlichkeiten« oder auch »Mäzene«, die mit »alles in allem nur 3500,-» die verleihenden Institute »bei der Realisierung ihrer Zielsetzung im bildungspolitischen und kulturellen Bereich unterstützen«.
Die Nachfrage ist ebenso rege wie das Angebot. »Zwecks Bewerbung um Honorar-Professur« suchte, ebenfalls per Annonce, ein bereits »promovierter Mäzen« Kontakte. Und Mitglieder eines Bonner Beethoven-Vereins, die »in ihrer Jugend durch finanzielle oder persönliche Umstände daran gehindert waren, ihr Studium mit einem akademischen Grad abzuschließen«, verspürten »den dringenden Wunsch, einen Titel zu erwerben«. Auch bat ein »Dipl. Kfm.« ebenso um »Promotionsmöglichkeit«, wie es Apotheker, Architekten und Juristen ohne Doktortitel taten.
Oft lassen sich die Bedürfnisse der Bewerber schon mit frei erfundenen Graden ebenso frei erfundener Hochschulen befriedigen, je lateinischer je leichter. In Indien etwa darf man sich gegen Vorauskasse am »Pontifical Athenaeum« oder in der »World Jnana Sadhak Society« habilitieren, das »Diploma Doctoris Academiae Studiorum Phoenix« läßt sich gegen Bares aus Bari beschaffen, in El Salvador produziert die »Universidad Sintetica« synthetische Titel.
Sonderangebote auf dem Jahrmarkt solcher Eitelkeiten: »Master of Metaphysies«, »Doctor of Audiometry«, »Diplom-Curientologe« und »Dr. Journalisticarum«. Nur selten werden die Produzenten solch exotischer Namensbeifügungen erwischt -. zum einen weil sie meist vom Ausland aus operieren, zum anderen weil ihre verprellten Klienten Strafe fürchten und den Titelkauf aus Scham lieber verschweigen.
Als in Frankfurt die Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, die unter dem frommen Decknamen »Anglican Free Church« Doktoren- und Professorentitel vertrieben hatten, vor Gericht standen, mochte kaum ein Kunde des Unternehmens den Staatsanwalt bei der Wahrheitsfindung unterstützen; die meisten waren »krank«, »reiseunfähig« oder »dienstlich unabkommbar«.
* Friedrich Degener: »Echte Orden -- Falsche Titel«. Forkel-Verlag: 196 Seiten; 29,80 Mark.