PRESSE / "TWEN" Dreimal pfui Teufel
Im »Heroldhaus« an der Hamburger Ost-West-Straße unterhielten sich vier Herren zwei Stunden lang über ein buntbedrucktes Magazin. Die Lektüre fand wenig Anklang. Einer im Kreise der vier, allesamt Gesellschafter des Hamburger Zeitschriften-Konzerns Gruner + Jahr, sprach: »Die müssen da sexuell unterentwickelt sein.
Die da -- das waren die Münchner Redakteure des konzerneigenen Magazins »Twen«. Sie hatten Anfang des Jahres Sex und Porno zum Thema 1 ihres kränkelnden Blattes proklamiert und sich davon eine Belebung der Auflage versprochen.
Statt dessen schaufelten sie »Twen« das Grab, an dessen Rand das Jugendblatt im letzten Jahr schon einmal gestanden hatte (SPIEGEL 48/1970). Nun, am Dienstag letzter Woche, entschied die vierköpfige Gesellschafterversammlung endgültig: Das Monatsblatt wird eingestellt.
Die Nachricht, auf die während der Vierer-Konferenz »Twen« -Chefredakteur Kai Hermann, 33, im Vorzimmer seines hinzugezogenen »Stern« -Kollegen, des Gruner + Jahr-Geschäftsführers Henri Nannen, hatte warten müssen, löste unterschiedliche Reaktionen aus. »Twen« -Mitarbeiter -- denen »die Balance zwischen dem, was wir wollen, und dem, was die Verleger tolerieren« (so »Twen Vize Rüdiger Dilloo), nicht geglückt ist -- »sind traurig« (so Hermann).
Anders die Mutter von »Twen«-Redakteur Wolfgang Niebel. Sie hatte ihrem Sohn den Empfang eines »Twen«-Exemplars per Postkarte bestätigt: »Da kann ich nur mit unserer alten Großmutter Böckelmann sagen, dreimal Pfui Teufel.«
Oma Böckelmanns Gefühle, argwöhnen die »Twen« -Macher, seien auch den »Twen«-Verlegern -- insbesondere den Konzern-Senioren John Jahr, 71, und Gerd Bucerius, 64 -- nicht fremd. Dilloo beispielsweise rätselt, »was es für 70jährige ... Verleger bedeutet, wenn sie mit Sex oder Pornographie zu tun« bekommen. »Akuter Anlaß« für den Blattschluß jedenfalls sei wohl »nichts anderes, als was die Schweinkram nennen«.
Davon hatten die Verleger auch im Mai-Heft -- der nunmehr letzten »Twen«-Ausgabe -- wieder allerlei gefunden. So melden sich darin zwei »Twen«-Reporter nach »Drei Wochen im Puff« (Schlagzeile) mit zehn Seiten Text und Photos bei den Lesern zurück und schildern lustgewerbliche Roßtäuschertricks: »Dann führte ihre Linke seinen Penis an der trockenen Vagina vorbei in den feuchten Hohlraum ihrer rechten Hand.«
Über eine ausklappbare literar-pornographische Doppelseite mit weiblichem Torso nebst weiblicher »Effnung« (so der Wiener Literat Ernst Jandl) sollen sich -- wie ein »Twen«-Verantwortlicher erfahren haben will -- die Verleger so erregt haben, daß sie zunächst einen Auslieferungsstopp erwogen hätten.
Das aber bestreitet Ernst Naumann, Generalbevollmächtigter des Konzerns ("Stern«, »Brigitte«, »Jasmin"): »Wir können doch keine Nachzensur ausüben.« Naumann über Sex und Porno in »Twen": »Das alles waren keine Entscheidungskriterien.« Nicht einmal die Vermutung, harte Pornographie und linke Politik in »Twen« hätten das Ansehen des Konzerns und damit das Anzeigenaufkommen für »Twen«-Schwesterblätter schmälern können, läßt John Jahr gelten: »Das sind doch Geschmacksfragen, über die sich diskutieren ließe.«
Indiskutabel finden »Twen«-Schreiber hingegen die vorgebrachten Sachargumente für die Einstellung des Blattes. Sie bestreiten die Verlagsversion, daß »eine solche Zeitschrift keine echte Chance« mehr habe. Und die vom Verlag genannten Ziffern über Auflagenrückgang (um rund 50 000 auf 170 000) und voraussichtlichen Jahresverlust ("gut drei Millionen Mark") hält Dilloo für »wirklich skandalös": »So will man die Geschichte jetzt vom Hals kriegen.«
Einig sind sich die ehemaligen Blattmacher, die Manager und Verleger lediglich darüber, daß das Anzeigengeschäft alles andere als ersprießlich war. Das aber hatte sich bereits im November erwiesen, als auf Betreiben Henri Nannens («,Twen' ist zu jung zum Sterben") und einiger Manager der damals gefaßte Einstellungsbeschluß noch einmal revidiert wurde.
Dem von Nannen angeheuerten »Twen«-Chef Hermann, dem mündlich zweijährige Schonzeit für »Twen« zugesichert worden war, erscheint nun sein damaliger Auftrag »irrational": »Warum die das damals wieder aufgemacht haben, ist mir schleierhaft.«