STUDENTEN Dufter Typ
Um dem Marxismus zum Siege zu verhelfen«, bekennt der Kölner Volkswirtschaftsstudent Steffen Lehndorff, »habe ich mich im Spartakusbund engagiert.«
Vor zwei Monaten gehörte Lehndorff noch zu den Spitzenfunktionären im Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB).
»Alle anderen politischen Studentenverbände haben doch«, begründet der Wuppertaler Pädagogik-Student Dirk Krüger, 30, seinen Spartakus-Eintritt, »überhaupt keine klare Perspektive.«
Letztes Jahr noch war Krüger Mitglied im inzwischen aufgelösten Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS).
Wie Lehndorff und Krüger sind in den letzten beiden Jahren zahlreiche SHB- und SDS-Anhänger -- des Politgeplänkels zwischen Maoisten und Trotzkisten, Anarchisten und Antiautoritären müde -- zum straff organisierten »Marxistischen Studentenbund Spartakus« übergelaufen.
Die Spartakisten. die sich erst im vergangenen Monat, zwei Jahre nach der Gründung, in Bonn zu einem Bundesverband formierten, sind derweil an 40 Universitäten und Hochschulen fest etabliert -- und allerorten an der Macht. Sie regieren gemeinsam mit dem SHB in den Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA) von acht Hochschulen, stellen in Bonn und Wuppertal, Karlsruhe und Essen den AStA-Chef. Und mit derzeit mehr als 1000 Mitgliedern hat sich Spartakus -- nach dem SHB und dem Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) -- in den letzten Monaten zum drittstärksten Studentenverband in der Bundesrepublik entwickelt. Bundesvorstandsmitglied Dirk Krüger prophezeit: »Uns gehört die Zukunft an den westdeutschen Universitäten.«
Daß diese Zukunft auf der Vergangenheit des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes aufbaut, wollen die Spartakisten nicht bestreiten. ihr Vor -- sitzender Christoph Strawe, 23: »Wir sind eine Nachfolgeorganisation des SDS.«
Zwar stammen von den Mitgliedern, so schätzt Strawe, nur »knapp hundert« vom marxistischen Flügel jenes Studikerverbandes, der Ende der sechziger Jahre die Hochschulen und zuweilen auch die Straßen beherrschte -- aber diese Hundertschaft hält bei den Spartakisten die Schlüsselpositionen: Strawe, seine beiden Stellvertreter Jürgen Büscher und Michael Maercks sowie der einzige Spartakist im vierköpfigen VDS-Vorstand, Dirk Krüger, waren samtlich SDSler, doch allesamt beteuern: »Mit dem antiautoritären SDS hat Spartakus nichts zu tun, denn wir sind weder ein theoretischer Debattierklub noch ein aktionistischer Haufen.«
In der Tat wird unter Spartakisten »groß geschrieben«, was im Sozialistischen Deutschen Studentenbund stets suspekt war: Disziplin. Und im Gegensatz zum »blinden Aktionismus« der Antiautoritären arbeiten die Neo-Marxisten in Studentenparlamenten und Institutsräten, Akademischen Senaten und Fachbereichsgremien aktiv mit.
In der Programmatik unterscheiden sich Spartakisten nicht von anderen linken Studenten oder Professoren. Sie beklagen, daß die Hochschulen überfüllt sind ("miserable Studienbedingungen") und Vorlesungen wie Seminare wenig Neues bieten ("reaktionäre Lehrinhalte"), daß zu wenig Arbeiterkinder studieren und konservative Professoren überfällige Reformen blockieren ("Kampf dem Bildungsprivileg und der Ordinarien- Universität").
Doch damit sich die Kommilitonen »bewußt und konsequent auf die Seite der Arbeiterklasse und des gesellschaftlichen Fortschritts stellen und die geistige Manipulation durch die bürgerliche Wissenschaft durchbrechen« (Grundsatzerklärung), möchten die Spartakisten außerdem Marxisten auf die Lehrstühle setzen ("Marx an die Uni!"). Und um dies zu erreichen, suchen sie »das Bündnis mit allen Progressiven« (Strawe).
So verbündete sich Spartakus beispielsweise im Februar dieses Jahres in Marburg mit linken Professoren wie dem Marx-Theoretiker Wolfgang Abendroth, Vertretern des SHB und des »Arbeitskreises Sozialistischer Assistenten«. um den Sozialdemokraten Rudolf Zingel zum Universitäts-Präsidenten zu küren.
Eine Koalition mit linken Professoren und Dozenten, Assistenten und Studenten gingen die SDS-Erben im vergangenen Monat an der Hamburger Uni ein, als sie im Fachbereich Erziehungswissenschaften (EBE) mit einem Streik gegen die total überfüllten Lehrveranstaltungen demonstrierten.
Bündnisfähig erwiesen sich die Spartakisten schließlich auch im studentischen Dachverband VDS, wo ihr Genosse Dirk Krüger mit den drei SHB-Funktionären »bestens auskommt« (Krüger). Die engsten Bindungen aber pflegen die Spartakisten mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), zu der sie ein »partnerschaftliches Verhältnis« (Strawe) haben.
Die Genossen wissen sich »durch die gemeinsame marxistische Theorie, das sozialistische Ziel und die gemeinsame antimonopolistische Orientierung im Hochschulkampf« (Grundsatzerklärung) mit der DKP solidarisch. Sie rufen zu gemeinsamen Aktionen gegen die Erhöhung von Bus- und Bahntarifen auf ("Rote-punkt-Aktionen") und helfen sich gegenseitig mit Referenten aus. Und zuweilen subventioniert DKP-Chef Kurt Bachmann seine akademische Jeunesse auch materiell, indem er auf parteieigenen Maschinen kostenlos Flugblätter und Zeitschriften für sie drucken läßt.
Daß die laut Satzung »gegenüber Parteien und Vereinigungen selbständige marxistische Studentenorganisation« auch personell eng mit der DKP verbunden ist, hält Spartakus-Chef Strawe für »etwas ganz Natürliches«. Er schätzt, daß fünfzig Prozent seiner Genossen auch Bachmanns Genossen sind.
So innige Genossenschaft beschränken die Spartakisten indessen nicht auf die westdeutschen Kommunisten -- nicht minder nahe stehen ihnen die ostdeutschen. Die Spitzenfunktionare des Spartakus reisen beispielsweise in regelmäßigen Abständen zum »Erfahrungsaustausch« mit Delegationen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in die DDR.
Bundesvorsitzender Strawe muß zwar »leider dementieren«, daß er sich laut Springers »Welt« in »einem Halbjahreskurs in der »DDR' auf seine Aufgabe vorbereitet« hat, räumt jedoch ein, daß er die Parole »Haltet Verbindung nach drüben« strikt befolge -- zuletzt Ende Mai, als er am IX. FDJ-Parlament in Ost-Berlin teilnahm. Strawe: »Das hat mich gewaltig beeindruckt.« Die FDJ ist nun für Strawe »ganz und gar auf dem richtigen Weg«. An der DDR, die er durch häufige Visiten »recht genau« kennt, mißfällt ihm mittlerweile nur noch, »daß es dort keine Flipper gibt«.
Strawes Mitstreiter Dirk Krüger, der sein Arbeitszimmer im VDS-Hauptquartier in der Bonner Georgstraße mit der DDR-Fahne dekoriert hat, zieht nach vielen Inspektionsreisen durch den zweiten deutschen Staat »den Hut vor den Leistungen der SED« und auch vor deren Führern. So hält Krüger Propagandachef Albert Norden für einen »ganz duften Typ« ein Urteil, das auf persönlichen Erfahrungen beruht, denn Ende Mai dinierten der Wuppertaler Spartakist und der aus Wuppertal stammende SED-Funktionär »recht ausgiebig« in einem Ost-Berliner Lokal.
»Da hat uns Norden den Tip gegeben«, so erinnert sich Krüger an das Politgeplauder, »wir sollten die Außenpolitik und die Ratifizierung der Moskauer Verträge stärker in den Vordergrund unserer Propaganda stellen.«
Mitunter freilich geben auch die Spartakisten Tips. »Einmal habe ich denen gesagt, so Krüger, »Genossen, nehmt doch endlich mal einen großen Pott mit Farbe und streicht auf den Dörfern die Häuser und Zäune an, damit die nicht so triste aussehen.«