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AFFÄREN / WECHSEL-GESCHÄFT Dumpe in der Unterwelt

aus DER SPIEGEL 18/1969

Der Aufschwung aus der Talsohle endet in diesen Tagen für rund 20 westdeutsche Firmen mit dem Konkurs. Sie folgen dem Münchner Industriemakler Rolf Dumpe, 45, in eine Pleite, die 30 Millionen Mark verschlungen hat.

Die Firmen lieferten an Dumpe allein für fünf Millionen Mark Goldschmuck, Edelsteine und Uhren. Ebenso nahm der Makler riesige Mengen Hemden, Teppiche und Möbel ab, aber auch Butter und Kasseler Rippespeer.

Die Waren verschwanden, und für die Wechsel, mit denen Dumpe zahlte, gibt den Lieferanten niemand Geld. Wo etwa die 320 000 Paar Schuhe oder die zehn Millionen Knöpfe hingekommen sind, weiß Dumpe selbst nicht mehr: »Ich habe in letzter Zeit die Übersicht verloren.«

Anderen Beteiligten ging es ebenso. Der stellvertretende Vorstand der Volksbank Donauwörth, Werner Schneider, beispielsweise hatte noch vor kurzem gemeint, Dumpe sei »für alles gut« -- Orienttabak aus Griechenland, tonnenweise Papier oder Tieflader der tschechischen Skoda-Werke.

Daß die schnellen und voluminösen Bewegungen auf dem Dumpe-Konto nicht dem tatsächlichen Warenabsatz entsprechen konnten, merkte Volksbankier Schneider erst, als ihm die Revision ins Haus stand. Kurz darauf wurde der Bankdirektor gefeuert.

Und die Frankfurter Großhandlung Sondermann inserierte noch, unbeirrt von den überall platzenden Dumpe-Akzepten, in Berliner Zeitungen: »Wer diskontiert erstklassige Industriewechsel? Hohe Rendite geboten.« Zwei Tage danach meldete sie ihren Bankrott.

Dumpes Geschäftspartner fielen auf einen Handeis-Akrobaten herein, der seine Seiltricks auch dann beliebig wiederholen konnte, nachdem er 1951 mit einer Armaturenfabrik einen Viereinhalb-Millionen-Konkurs hingelegt hatte (Urteil: drei Jahre und acht Monate Gefängnis).

Nach seiner Entlassung hatte sich Dumpe als Industriemakler etabliert. Daß das Landgericht Traunstein technische oder kaufmännische Vorbildung vermißte, vermochte seine Karriere nicht zu bremsen. Seine Firma, Dumpe & Co., wurde 1958 in München eingetragen, und Rolf Dumpe aus Riga, einst Untersturmführer der Waffen-SS, avancierte im Handbuch des Hoppenstedt-Verlages unter die »leitenden Männer der Wirtschaft«.

Dumpe begann seinen Aufstieg mit Krediten -- stilvoll. Er bezog in Wartenberg, 50 Kilometer nordöstlich Münchens, eine mit erlesenen Möbeln ausgestattete Villa auf einem 35 000 Quadratmeter großen Areal im Schätzwert von 1,7 Millionen Mark.

Dem Leben im großen Stil schien auch ein Bauprojekt angemessen, das Dumpe im Frühjahr 1967 von Kollegen angetragen wurde: die Errichtung von Eigentumswohnungen mit Geschäftszentrum und Schwimmbad in Unterpfaffenhofen bei München. Rolf Dumpe, laut gerichtsärztlicher Untersuchung Psychopath, geriet in einen Millionen-Rausch.

Nur 26,8 Millionen Mark waren nach seinem Kalkül zu investieren, um aus dem Verkauf der fertigen Objekte 35,8 Millionen erlösen zu können. Erhoffter Profit: neun Millionen Mark.

Doch ein fest zugesagter Dollar-Kredit blieb aus, und die vorsichtige Frankfurter Hypothekenbank gab ihm auf das Grundstück lediglich 2,5 Millionen Mark. Allein der erste Bauabschnitt jedoch, mit dem die Interbau GmbH, ein jugoslawisches Unternehmen aus Köln, unterdessen begonnen hatte, sollte 18 Millionen Mark kosten.

Da traf es sich gut, daß Dumpe einen Mitarbeiter mit vielerlei Kenntnissen verpflichtet hatte, den Kaufmann Alfred Barg, 35, der unter anderem einmal Filmgeschäfte gemacht hatte ("Zarte Haut in schwarzer Seide"). Er gilt unter Eingeweihten als der Erfinder des Scheck-Revolving, das nach dem Motto funktioniert: »Hast du kein Geld, mußt du machen Geld zwischen den Konten.« Bargs System wurde im Thyssenbank-Prozeß gerichtsnotorisch.

Es war die Wahlverwandtschaft, die beide Manager verband. Denn zu seiner Zeit als Armaturen-Fabrikant hatte Rolf Dumpe ein ganz ähnliches Verfahren der Geldschöpfung aus der hohlen Hand praktiziert: Mit angedeckten Schecks holte er von einer Bankfiliale in Traunstein größere Summen ab und zahlte sie bar auf sein Konto bei der Laufener Filiale derselben Bank ein. Damit glich er am Ultimo sein Defizit aus und war weiter kreditwürdig. (Dumpes Geldumsatz von 33 Millionen Mark stand damals ein Warenumsatz von nur 5,6 Millionen Mark gegenüber.)

Von dem erfahrenen Barg beraten, war Rolf Dumpe bereit, sich einer Finanzhilfe zu bedienen, die nicht von allererster Bank-Adresse kommt. Sie wird von einer Art Wechselbörse geleistet, deren Mitglieder im Jargon der Kripo Wechsel-Haie heißen und deren Namen in vielen Gerichtsakten verewigt sind.

Sie fahren zur Börsenstunde mit schwerem Wagen samt Chauffeur bei renommierten Hotels in Frankfurt vor. Und nur gelegentlich sieht man einen von ihnen das Schulterhalfter zurechtrücken, in dem ein »Ballermann« ruht. Zweck der Börse ist der Austausch von Anschriften notleidender Firmen, die dringend auf ein Kredit-Angebot angewiesen sind.

Rolf Dumpe erfuhr von den Experten, er brauche nur Wechsel zu akzeptieren. Dafür würden dann Waren angekauft, für die wiederum einzelne Banken sofort 50 Prozent des Wertes als sogenannte Lombard -Darlehen einräumen würden.

Diese 50 Prozent sollten Dumpe überlassen werden. Der Mehrerlös aus dem Weiterverkauf der Ware, um den er sich gar nicht zu kümmern brauche, sollte den Kredithelfern gehören.

Rolf Dumpe setzte daraufhin hundertfach seinen Namen auf Wechselpapiere. Auch mit der Hälfte, so kalkulierte er, würde er zurechtkommen. Denn bei Fälligkeit könnte er die Akzepte schon mit dem Geld einlösen, das ihm aus dem Verkauf der bis dahin fertiggestellten Eigentumswohnungen zufloß.

Tatsächlich aber bekam Dumpe für Wechsel über 6,3 Millionen Mark, die er beispielsweise dem Kaufmann Heinz Seegebarth, 44, für Schuheinkäufe in Pirmasens überließ, lediglich 1,6 Millionen Mark bar. Wo der Rest des Geldes und die Schuhe blieben, weiß Dumpe heute nicht zu sagen.

Ein Hanauer Juwelier ("Die Auskunft der Bank war zweihundertprozentig"). nahm Dumpe-Wechsel über eine Million Mark. Die ersten wurden eingelöst, alle anderen platzten. Ein Teil der Brillanten des Juweliers wurde derweil von den Frankfurter Wechsel-Experten in Wien und Zürich zu Geld gemacht.

Alfred Barg beglückte eine ostdeutsche Uhrenfabrik mit einem Auftrag: Für 100 000 Mark in bar und 700 000 Mark in Wechseln nahm Barg die Uhren in Empfang, nach deren Verbleib die Kripo inzwischen fahndet.

In einem Vergleich, so hofft Dumpe, werde er seine Gläubiger aus dem Verkaufserlös der bereits im Rohbau fertiggestellten Unterpfaffenhofener Wohnungen zu 35 bis 40 Prozent abfinden können. Aber die Frankfurter Hypothekenbank und die Interbau GmbH in Köln haben inzwischen Antrag auf Zwangsversteigerung gestellt und sind sicher: »Es wird weitergebaut« -- ohne Dumpe.

Seit Dumpe seine Zahlungen einstellte, konnten unter anderem 70 Teppiche aus einem Import-Großeinkauf bei einem Berliner Händler beschlagnahmt werden, der sie gegen Bargeld zu Spottpreisen erworben hatte.

In Bayern habe man »noch keinen rostigen Nagel sicherstellen« können, betrübt sich Kriminalrat Ferber, Leiter der Dumpe-Sonderkommission beim Landeskriminalamt in München.

Rolf Dumpe selbst fühlt sich von den Frankfurter Wechsel-Experten geschädigt. Er klagt: »Da war die Unterwelt am Werk.«

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