DURCHSCHNITT
(Nr. 10/1971, Marxisten)
Die Auseinandersetzung um die Berufung des marxistischen Philosophen Hans Heinz Holz war aufgrund vieler ähnlicher böser Erfahrungen in der Universitätsgeschichte zu erwarten und ist doch ein Skandal. Sie ist ein neuerliches Indiz für den Weiterbestand undemokratischer Machtansprüche der konservativ-reaktionären Professoren- und Ordinarienfronde innerhalb der Reformuniversität. Die Parallelen zum Versuch, die Habilitation des ebenfalls marxistischer Wissenschaft verpflichteten Politologen Reinhard Kühnl zu blockieren, sind eklatant. Kühnl ist inzwischen habilitiert, Holz wird es als Außenseiter des akademischen Betriebs, der nicht die anpassungsfördernde und zuweilen demütigende Tour de force über die Assistentur zur Professur gegangen ist, sicherlich schwerer haben. Daß in beiden Fällen sogar linksliberale und durch ihre Marxismusforschung bekannte Professoren sich zum Advocatus diaboli der Reaktion machen ließen, ist desaströs für die eben von ihnen immer gern apostrophierte Freiheit der Wissenschaft und zeigt die grassierende politische Begriffsunklarheit und deformierte Etikettierung von »links« nach »rechts«.
Berlin PETER M. STEPHAN
Entweder hat Iring Fetscher tatsächlich, wie Ingeborg Weber-Kellermann vermutet, die von einem Wissenschaftler zu erwartende Sorgfaltspflicht vernachlässigt und sich zuwenig über die Berner Vorgänge orientiert; oder aber es grenzt an zynische Heuchelei, wenn Fetscher die Ablehnung der Habilitation Holz in Bern »skandalös« nennt. Ficht er doch mit denselben Mitteln, mit denen Holz in Bern unmöglich gemacht wurde. Während sich die Berner Professoren noch damit begnügten, Holz einen »Marxist-Leninist eines sehr durchschnittlichen Typus« (Gigon) zu nennen oder ihm »zwei marxistische Gesichter« (Hofer) vorzuwerfen, und es einigen verschreckten Zeitungsschreibern überließen, Holz als »totalitären Sowjetkommunisten« und als »Stalinisten« ("Solothurner Zeitung« und »Berner Oberländer«-Zeitung) zu bezeichnen, stellt sich Fetscher ganz auf die Stufe der letzteren, wenn er von »kommunistischen Parteiideologen«, von »militanten, straff organisierten und dogmatischen Parteimarxisten sowjetischer Orientierung« und schließlich vom »stets an der Ost-Berliner Orthodoxie orientierten Parteimarxisten« Holz spricht. Der SPIEGEL hat recht: Der Fall des Marxisten Holz ist ein Modellfall -- auch bezüglich der Methoden, mit welchen solche Leute erledigt werden sollen.
Bern (Schweiz) DANIEL ROTHENBÜHLER
Der Oberlehrer-Noten-verteilende Fetscher ("durchschnittlich") sollte behutsamer sein: nach fünf Vorträgen von Holz in Bern mit stundenlangen Diskussionen, an denen nur die nicht teilnahmen, die im Habilitationsentscheid das letzte Wort behielten, braucht Holz den Vergleich mit Fetscher nicht zu scheuen. Was Fetscher hier auf einer Gastspielreise Ober die Religionskritik von Marx zu erzählen wußte, war -- »durchschnittlich«.
Bern (Schweiz) ROLF HILBIG
Die Politik, die der Marxologe Iring Fetscher in einem Nachwort zu Krugges »Schaafskopf« den konterrevolutionären Kreisen des 18. Jahrhunderts zuschreibt, hat er sich nun selbst im Kampf gegen Marxisten zu eigen gemacht: »Aufklärung und Revolution sind das Werk begabter, aber gefährlicher Individuen, die ... man daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterdrücken und bekämpfen muß« (Seite 97). Im übrigen mögen Fetscher nebst Frankfurter Schule wieder ruhig sein: Ein erstes Indiz für eine künftige kritische Ideologie-Forschung habe ich neulich in der Bibliothek des, wie die »FAZ« und »Die Welt« sich ausdrücken, Marburger »SED-Instituts« (Politisches Seminar) entdeckt: ein CSU-Plakat mit der Aufschrift »Strauß sagt, was alle denken«,
Wiesbaden HARRY SCHMIDTGALL