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Briefe

EIGENE WEGE
aus DER SPIEGEL 16/1968

EIGENE WEGE

(Nr. 13/1968, Orff)

Welcher kluane Wuzl hat denn dieses primitive Pamphlet gegen Orffs »Pnmitivismus« verfaßt? Der Ostinato aller Orff-Gegner kennt von jeher nur das Klischee vom »Exotischen Primitivismus«. Es entstammt dem Wörterbuch der nationalsozialistischen Kulturbanausen: so schrieb ein R. Sonner in einem gegen Orff und sein Schulwerk gerichteten Artikel »Musik aus Bewegung« (in der Zeitschrift »Die Musik«, XXIX, 762 ff., zitiert nach Ulrich Günther, »Die Schulmusikerziehung von der Kestenberg-Reform bis zum Ende des Dritten Reiches"): eine Rhythmik, wie sie der außereuropäischen Musikübung eigentümlich ist ... das Schlagwerkorchester ist in seiner jetzigen Form ein Rückfall in eine nivellierende Primitivität. Diese widerspricht deutscher Art und der nationalsozialistischen Musikkultur der Zukunft.

Den nämlichen Sprachdampf aus der Kulturküche jener Blut- und Boden-Ideologen, die angeblich von Orff so entzückt waren und werden, bläst unser Anonymus nun im Jahre 1968 dem einzigen deutschen Komponisten der Gegenwart, dem der Durchbruch zu weltweiter Anerkennung gelang, ins Gesicht. Daß er es auch noch für nötig hält, Wilhelm Furtwängler als Kronzeugen gegen Orffs neuartigen Stil einer Synthese von Sprache, Musik und Tanz zu zitieren, vervollständigt nur das Bild eines reaktionären Kritikers. Da Orffs Werk und

Schulwerk sowohl die Verurteilung durch Furtwängler als auch die durch nationalsozialistische Kulturapostel überdauert hat, dürfte es auch die Ausfälle eines namenlosen Spiegelfechters überstehen.

Glasenbach (Österreich)

PROF. WILHEIM KELLER Akademie für Musik und

Darstellende Kunst Mozarteum In Salzburg

Ihr Berichterstatter bemängelt am Schulwerk, daß es »kaum zu besonders kunstvollem Musizieren animiert« und neben den von »Glück und Witz sprühenden Kindermusiken Mozarts, Schumanns und Bartóks ... wie triste Marschmusik für Knirpse« wirke. Der Verfasser hat das Wesen des Schulwerks nicht erkannt. Es ist eben gerade keine pseudo-kindgemäße Komposition im Sinne Mozarts oder Bartóks, kein Stück für Klavier oder ein anderes Instrument, das mechanisch erlernt werden soll. Das Schulwerk ist vielmehr ein rein pädagogisches Werk, eine Elementar-Musiklehre. Die Kinder sollen einsehen lernen, was Rhythmus, Melodie, eine Terz usw. sind, kurz, einsehen und »einhören« lernen, was Musik ist; und das Gelernte soll dann selbständig und frei angewendet werden. Die beigefügten Lieder und Stücke sind nur Lehrmodelle. Orff hat die Musik elementarisiert, das heißt: auf ihre einfachsten Grundbestandteile zurückgeführt und so ein musikalisches »Lehrprogramm« im Sinne der modernen Informationstheorie geschaffen.

Wer das Schulwerk so grundlegend mißversteht, wie es Ihr Berichterstatter tut, und trotzdem darüber schreibt, der zeigt entweder, daß er sich nicht damit beschäftigt hat oder zu keiner fachgerechten Beurteilung fähig ist. Auf jeden Fall aber zeigt er, daß man keiner seiner Äußerungen über den Weg trauen darf.

München BERT UNTERHOLZNER

stud. phil.

Ihre Betrachtung über die Musik von Carl Orff zu lesen, war wohltuend. Endlich einmal jemand, der nicht in die gänzlich unbegründeten Lobhudeleien dieser phantasielosen Geräuschfabrikation einstimmt. Offenbar hat man in Deutschland das Bedürfnis, wenn schon zur Zeit kein Komponist der ersten Garnitur zur Verfügung steht, einen dazu hochzuloben. Aber es muß ja dann nicht gerade der schlechteste von allen sein, die wir haben.

Mainz DR. EWALD BUCHER Bundesminister a. D.

für Wohnungswesen und Städtebau

Daß das Sprachrohr der Dutschke, Teufel, Langhans und Konsorten ein kulturelles Ereignis wie Orffs »Prometheus« mit herabsetzendem Hohn überschütten würde -- »Blut und Boden«, »heilenden Ur-Schlamm« -- überrascht nur noch wenige. Warum aber machen Sie uns nicht nur, wie bisher, ein X für ein U, sondern auch ein Ypsilon für ein Ny vor (im griechischen Text)?

Je geringer das Wissen, desto größer die Arroganz!

z. Z. Meersburg (Bad.-Württ.)

PROF. DR. DR. HARRY C. SCHNUR

Nicht Ihre geistreiche Kritik an Orff als Komponist vermöchte meine Einstellung zu seinem Werk erschüttern, sondern höchstens eine negative Reaktion von Kindern. Dies ist aber in meiner 13jährigen Tätigkeit als Musiklehrerin an einer schwedischen Schule nicht vorgekommen. Das Wort »elementar« kommt in Ihrem Artikel nicht vor. Aber um die Elemente geht es gerade im Orff-Schulwerk. Die Vitalität und besonders der Humor, die das gesamte Schulwerk kennzeichnen, hätten einem Herrn Dutschke in seiner Erziehung gut getan. Dann würde er vielleicht nicht auch noch zu Weihnachten Karl Marx, sondern zur Abwechslung einmal den Struwwelpeter lesen.

Stockholm TRUDE HAUFE

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