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PARLAMENTARIER / BLUMENFELD Ein bißchen vergrätzt

aus DER SPIEGEL 47/1970

Christdemokrat Erik Blumenfeld war mit dem Ergebnis seiner Strafarbeit über die Bonner Ostpolitik zufrieden: »Mein Bericht ist kritisch aber fair, wenn er nicht gerade durch die Brille der SPD betrachtet wird.«

Das Werk war eine von Blumenfeld revidierte Studie zur Nato- und Ost· West-Politik, die er Anfang letzter Woche der Nordatlantischen Parlamentarierversammlung im Haag vorlegte. Die ursprüngliche Fassung der Auftragsarbeit war Anfang Juli vom Politischen Ausschuß der Nato-Parlamentarier in Brüssel mit Ungenügend benotet und an Autor Blumenfeld« Mitglied des Nordatlantischen Parlamentariervereins, zurückgereicht worden.

Denn, so erinnert sich der Nato-Parlamentarier und Hamburger Innensenator Heinz Ruhnau nach Betrachtung durch die SPD-Brille: »Das war eine massive Propagandaschrift gegen die Ostpolitik der Regierung Brandt.«

Das Nato-Gremium beauftragte Berichterstatter Blumenfeld, in seiner Neuauflage zu berücksichtigen, was der Nato-Ministerrat schon im Mai in Rom zu Bonns Ostpolitik erklärt hatte: Es gelte, »sich gemeinsam um Fortschritte in Richtung auf ein stabileres Ost-West-Verhältnis zu bemühen, das die Bewältigung der ungelösten, Europa teilenden Probleme ermöglichen würde«.

Blumenfeld verzichtete zwar in seinem neuen Bericht auf massive Propaganda, dennoch blieb er -- in abgeschwächter Diktion -- dabei, der deutsch-sowjetische Vertrag

* führe zu einer uneingeschränkten Anerkennung des Status quo in Deutschland und Europa;

* steuere »auf sehr langem Weg« die formale Anerkennung der DDR an;

* verhelfe den Sowjets zu einer fortgesetzten politischen Kontrolle in Zentral- und Osteuropa;

* berücksichtige die Berlin-Frage nicht.

Daß der Bericht gleichwohl nicht aufs neue verworfen wurde, bucht Autor Blumenfeld »als Erfolg, obwohl meine Arbeit natürlich einige Widersprüche bei den Sozialdemokraten ausgelöst hat«. Sozialdemokrat Ruhnau dagegen Ist sicher, »daß der Bericht mit großer Mehrheit abgelehnt worden wäre, wenn er -- was nicht üblich Ist -- zur Abstimmung gestanden hätte«.

Es half den Sozialdemokraten aus Skandinavien, Belgien, Holland und der Bundesrepublik auch nicht, daß in den meisten Reden und Resolutionen der Haager Versammlung Brandts Ostpolitik unterstützt wurde (Ruhnau: »Leute wie Blumenfeld müssen endlich mal zur Kenntnis nehmen, daß die ganze Welt diese Ostpolitik billigt"): Mit 16:11 Stimmen wurde Blumenfeld zum General-Berichterstatter für den Politischen Ausschuß wiedergewählt.

Der Gewählte über den »Versuch, mich abzuwählen": »Daß die Sozialdemokraten immer wieder bei den ausländischen Delegationen die Unterstützung für die Bonner Ostpolitik suchen, wird denen allmählich ein bißchen lästig.«

Der Streit der Deutschen wurde im Haager Amtssitz von Botschafter Hans Arnold heftig fortgesetzt. Dort mißlang der SPD-Versuch, einen Genossen als Nachfolger für den erkrankten Delegationschef Richard Jaeger (CSU) durchzuboxen: »Ein bißchen vergrätzt und verärgert« (Blumenfeld) akzeptierten sie schließlich noch einmal einen christdemokratischen Delegationsleiter, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Helmut Lemke. Doch künftig soll ein Mann der Bonner Regierungskoalition die Delegation führen.

Was die Amsterdamer Zeitung »De Volkskrant« als »delikate politische Sphäre« und die »Frankfurter Allgemeine« als »nicht eben zuträglichen Streit« in den Räumen des Missionschefs schilderte, nennt Teilnehmer Ruhnau den »Versuch der Sozialdemokraten, die andere Seite davon zu überzeugen, daß die Regierungsmehrheit in Bonn sich seit einem Jahr geändert hat«.

Ruhnau, von den Nato-Kollegen inzwischen zum Vize-Chef des Politischen Ausschusses gewählt: »Ich glaube, die glauben das jetzt.«

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