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Briefe

Ein Freibrief für Hersteller
aus DER SPIEGEL 50/1997

Ein Freibrief für Hersteller

Nr. 48/1997, Titel: Alptraum im Alltag - Wie die Elektronik den Menschen überfordert

Es trifft durchaus zu, daß manchmal »die Elektronik den Menschen überfordert« - aber muß es ausgerechnet eine Frau sein, die da vor Verzweiflung kreischend auf dem SPIEGEL-Titelbild präsentiert wird? Stand hier etwa das Werbefernsehen Pate mit seinem Klischee des hübschen Dummchens, das nur als strohköpfige Hülle taugt? Ich erkenne mich jedenfalls darin nicht wieder: Auch als Hausfrau verstehe ich von den meisten elektronischen Wunderwaffen wie Computern mehr als mein Sohn und mein Mann.

ESCHWEILER GISELA LÖVENICH

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Ein wirklich essentieller Beitrag, denn die derzeitige technologische Entwicklung hat sich von den anthropologischen Möglichkeiten eklatant entfernt. Dieses Problem läßt sich aber nicht durch bessere Bedienungsanleitungen beheben, vielmehr kommt es darauf an, die Produkte wieder den menschlichen Fähigkeiten anzupassen - und dafür geeignete Interface-Design-Konzepte zu entwerfen. Wir haben solche für europäische und asiatische Firmen realisiert. Zu kritisieren ist nur die eine Seite der Münze, Wege zur Verbesserung darzustellen die andere.

OBERTSHAUSEN PROF. B. E. BÜRDEK

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Für ein simples Produkt wie das Auto verbringt der zukünftige Fahrer Stunden in der Fahrschule, um die Benutzung zu erlernen. Zu Hause erwartet er, daß er alle wichtigen Funktionen einer High-Tech-Neuerwerbung nach dem Überfliegen der Anleitung beherrscht. Das kann natürlich nicht klappen! Ich kenne viele Leute, die behaupten, ihren Videorecorder nicht programmieren zu können. Wenige zeigen den Ehrgeiz, sich einen ganzen Nachmittag mit den Funktionen zu beschäftigen, um diese zu erlernen. Nicht ohne Grund werden die High-Tech-Geräte von Jugendlichen oft voll ausgereizt, denn sie haben nicht nur Lust, die Funktionen zu erobern, sondern auch die nötige Frustrationstoleranz.

FLENSBURG MARTIN BORUS

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Ähnliche Erfahrungen habe ich mit Maschinen im eigenen Betrieb gemacht, wenn Techniker deren Bedienungsanweisungen erstellten. Das Problem ließ sich wie folgt erfolgreich lösen: Die Konstrukteure erklärten am Objekt ihren Frauen/Freundinnen die Bedienung der Maschinen. Letztere schrieben daraufhin den Text der Bedienungsanweisungen, die nunmehr von jedermann verstanden wurden.

BERLIN ALBRECHT MARKS

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Als technischer Redakteur und Geschäftsführer einer Firma für verbrauchergerechte Gebrauchsanweisungen kämpfe ich seit Jahren wie Don Quichotte gegen die schlechten Anweisungen und Handbücher. Ich stelle dabei immer wieder fest, daß viele Firmen keine Notwendigkeit sehen, ihre Produkte mit verständlichen Gebrauchsanweisungen auszustatten. Um etwas zu ändern, muß der Verbraucher seine Macht erkennen. Er muß sich vergegenwärtigen, daß er das Recht auf eine verständliche Anleitung hat und darf die Schuld nicht bei sich selbst suchen. Sätze wie »Ich bin technisch unbedarft« sind ein Freibrief für Hersteller, denn so können sie weitermachen wie bisher. Erst wenn sich die Konsumenten über unverständliche Anleitungen beschweren und drohen, ihre Kaufentscheidung rückgängig zu machen, besteht Aussicht auf Besserung.

BERLIN LOTHAR JADZINSKI

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Man verliert die meiste Zeit damit, indem man Zeit sparen will, sagte schon John Steinbeck. Ich habe ein neues Handy, mit dem ich gerade telefonieren kann, einen Videorecorder, den ich nicht bedienen kann, einen Auto-CD-Player, der völlig Unbegreifliches von mir während der Autofahrt verlangt, und einen neuen Laserapparat, der mich glatt zum Idioten stempelt.

FRIEDRICHSTADT DR. F.-R. G. GIEBLER

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Wenn es einen Nobelpreis für benutzerunfreundliche Software und unverständliche Gebrauchsanweisungen gäbe, würde ich Microsoft wegen Windows 95 und Word 97 dafür vorschlagen.

HERFORD PROF. HANS-DIETER SCHYMROCH

kleinau
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