ULLSTEIN Ein Gott hat uns beschützt
Seit Karl Ullstein, Kronprinz der 1934 entthronten deutschen Zeitungsdynastie und Vorstand der neuen Ullstein AG., am 10. Januar 1952 von New York kommend auf dem Berliner Flugplatz Tempelhof landete, wird in den Westberliner Zeitungsredaktionen gerätselt, welches alte Ullstein-Blatt zuerst wieder auf der Straße sein wird: die »Morgenpost« oder die »BZ am Mittag«.
Denn trotz aller Gegenaktionen der Berliner Nachkriegs-Zeitungsverleger, die nichts mehr fürchten als den Namen Ullstein, wurde nach zweijähriger Prozeßdauer
* am 3. Januar 1952 durch Urteil der 42. Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Berlin der 1934 vom »Dritten Reich« aufgekaufte Ullstein-Verlag mit allen Liegenschaften der Familie Ullstein zurückgegeben.
Eine Rückgabe auf Grund des Restitutionsgesetzes, von der die Berliner Verleger behaupten, daß sie nicht rechtens sei. Denn in der Verlegergruppe der großen Berliner Tageszeitungen, die selbst gern das Erbe der Ullsteins angetreten hätten, jetzt aber schon bei dem Gedanken an eine Zeitung im alten Ullstein-Stil um ihre ohnehin gesunkenen Auflagen bangen, hält sich hartnäckig das Gerücht:
* Der Ullstein-Verlag wurde nicht wegen seiner jüdischen Besitzer 1934 zwangsenteignet. Die Ullsteins waren vielmehr überschuldet und mußten verkaufen. Die Abfindung sei ausgezahlt worden. Also entfalle ein Anspruch auf Wiedergutmachung.
Das Restitutionsgesetz, auf das die Ullsteins ihre Ansprüche begründen und nach dem sie die Reste des ehemaligen 60-Millionen-Besitzes zurückfordern, war für Berlin im Juli 1949 in Kraft getreten. Drei Monate später, im Oktober 1949, kehrte Rudolf Ullstein, 78, Seniorchef des Hauses und der einzige noch Lebende von den fünf Brüdern der Ullstein-Hierarchie, aus der Londoner Emigration nach Berlin zuruck. Der alte Herr, vor 1934 technischer Leiter des Konzerns, betrieb in Berlin eifrig die Wiedergutmachung.
Von den in alle Kontinente verstreuten Ullsteins hielten 14 im Juli 1950 in Berlin Familienrat. Seniorchef Rudolf, der Letzte der zweiten Ullstein-Generation, kämpfte für die jungen Erben kollektiv. »Wir wissen, daß uns niemand den Schaden ersetzen kann; wir wollen nur unverschuldet zurückhaben, was übriggeblieben ist.«
Rudolf Ullstein sorgte sich um einen Besitz, von dem ihm niemand sagen konnte, ob er der Familie Ullstein jemals wieder gehören werde. Als er im Sommer 1951 das erste Mal durch das Druckhaus Tempelhof geisterte, dessen hervorragende technische Einrichtung einmal sein Werk gewesen war, da besaß er immer noch nicht mehr als den großen Namen.
Und doch begann der Fahrstuhlführer im Hauptaufzug verlegen zu polieren, wenn der Alte nur vorwurfsvoll auf das ungeputzte Messing sah. Im Papierkeller genügte die Bemerkung: »Die Keller hier sind feucht, man sollte etwas unter die Papierrollen legen.«
Für manche der 3000 Arbeiter und Angestellten des Deutschen Verlages, früher Ullstein, war plötzlich nicht mehr der von den Amerikanern eingesetzte Treuhänder der
Chef, sondern jener Alte, der ihnen gar nichts zu sagen hatte, Rudolf Ullstein.
Die Arbeiter ahnten, daß dieser alte Mann einmal wieder ihr Chef sein würde. Die neuen Berliner Zeitungsverleger, die sich schon vor fünf Jahren im Ullstein-Druckhaus Tempelhof häuslich eingerichtet hatten, glaubten indessen nicht daran. Die Ullsteins waren 1934 abgefunden worden, sie würden nie wieder die Herren im Druckhaus sein.
Diese Meinung hatten die Amerikaner die Nachkriegsjahre über bestärkt, als sie nach dem Zusammenbruch das Druckhaus Tempelhof, den Komplex Kochstraße - das alte Ullstein-Stammhaus - und den Deutschen Verlag als ehemaligen NS-Besitz unter Treuhandverwaltung stellten.
Der Gedanke einer Rückübertragung des früheren Ullstein-Konzerns an die Familie Ullstein erschien indiskutabel, denn dazu waren die Umstände der Eigentumsübertragung des Ullstein-Besitzes an das Dritte Reich zu undurchsichtig.
Diese Einstellung war zunächst bei der amerikanischen Besatzungsmacht so klar, daß der einzige noch in Deutschland lebende Ullstein, Heinz Ullstein aus der dritten Generation, auf Grund des wohlrenommierten Namens für seinen neugegründeten Ullstein-Kindler-Verlag zwar jede gewünschte Lizenz (außer Tageszeitung) von den Amerikanern bekam. Aber das einstige Ullstein-Druckhaus konnte Heinz Ullstein nicht als Sitz für seinen Verlag wählen.
Im Gegensatz zu den Berliner Redaktionen »Tagesspiegel«, »Abend« und »Welt« etablierte Heinz Ullstein seine Redaktion als Mieter in einer gegenüber dem Druckhaus gelegenen Villa, die dem Deutschen Verlag gehörte.
Das erste Ullstein-Intermezzo der Nachkriegszeit wurde nicht gerade ein Ruhmesblatt in der 75jährigen Geschichte des Hauses. Heinz Ullstein, der dank seiner »arischen« Gattin zuletzt als Fensterputzer bei der Reichsbahn die Zeit in Deutschland überstehen konnte, gilt im Familienkreis wegen seiner Theaterambitionen und dem Hang zur Gastronomie als Außenseiter. Er ist zwar der Aelteste der dritten Ullstein-Generation, aber als Verleger ohne großen Erfolg.
Denn der Ullstein-Kindler-Verlag platzte schon 1949. Kompagnon Helmut Kindler ging mit der »Revue« nach München. Heinz Ullstein blieb mit einem bald ganz eingestellten Buchverlag und der Wochenzeitschrift »sie« in Berlin.
Die Auflage der »sie« rutschte von 140 000 (1948) auf 20 000 (1949). Heinz Ullstein fand eine »Nebenstellung« bei seinem Schwager, dem Weingroßhändler Robert Booß: als Geschäftsführer der damaligen
»Schwindt-Bar« am Berliner Nollendorfplatz.
Auch eine sechsstellige ERP-Spritze, die Heinz Ullstein von den Amerikanern für die »sie« bekam, konnte die Pleite nicht aufhalten. Im Februar 1951 mußte er die Verlagsrechte zur Abdeckung der Druckschulden an den Deutschen Verlag abtreten. Heinz Ullsteins gesamtes Mobiliar und seine Bibliothek von 4000 Bänden wurden versteigert, um die restlichen Verlagsgläubiger zu befriedigen.
Diese erste Erfahrung mit einem Ullstein machte die Amerikaner nicht gewogener, der schon seit langem wegen des fehlenden Hinterlandes nur noch dahinvegetierenden Berliner Nachkriegs-Presse mit einem neuen Ullstein-Konzern einen möglichen Konkurrenten zu geben. Außerdem blieb der dunkle Punkt: die Uebertragung des Ullstein-Verlages an das »Dritte Reich«.
Der einzige Mann, der außer den Ullstein-Leuten von den Vorgängen im Jahre 1934 eine authentische Darstellung geben kann, war von den Amerikanern zweieinhalb Jahre lang durch alle Gefängnisse, Einzelzellen und Vernehmungslager geschleppt und ausgepreßt worden, bis er auch sein letztes Wissen um die Dinge von Presse und Film während der Goebbels-Aera von sich gegeben hatte. Noch heute sagt Dr. h c. Max Winkler, der Finanzmann hinter vielen Eigentumsübertragungen: »Wenn der Robert Kempner nur gekonnt hätte, dann hätte er mich zu gern in Nürnberg baumeln sehen.«
So war - nach Winkler - das Ende des bisher größten deutschen Zeitungsverlages:
Im Januar 1934 verbietet der Joseph Goebbels Ullsteins »Grüne Post« und läßt deren Chefredakteur Ehm Welk festnehmen. Welk hatte in »Auf ein Wort, Herr Reichsminister« unter seinem Pseudonym Thomas Trimm den Joseph Goebbels veralbert, indem er von dessen tausend Vorzimmern sprach.
Das Verbot läuft auf sechs Monate, lange genug, um die »Grüne Post« zu ruinieren. Niemand freut sich mehr darüber als NS-Pressekönig Max Amann vom Eher-Verlag in Berlins Zimmerstraße. »Jetzt haben wir die Juden«, frohlockt er gegenüber Dr. h. c. Max Winkler, dem Bürgermeister a. D. von Graudenz in Westpreußen.
Winkler schüttelt den Kopf. »Bei Ullsteins arbeiten 8000 Menschen. Die Arbeitslosigkeit ist noch groß genug. Diese Werte sollten Sie lieber erhalten und erwerben.»
Worauf Amann den Goebbels anruft und sagt: »Winkler meint, alles, was wir machen, sei Quatsch.«
Am nächsten Morgen um neun Uhr steht Winkler vor Goebbels. Der fragt Winkler:
»Sie halten es für möglich, den Ullstein-Verlag für die Reichsregierung zu erwerben?« Winkler antwortet mit einer Gegenfrage: »Warum denn nicht?«
In dieser entscheidenden Stunde hat Dr. Max Winkler über seinen früheren demokratischen Parteikollegen, den ehemaligen Reichsfinanzminister Dr. Hermann Dietrich, bereits eine Anfrage Franz Ullsteins vorliegen, ob Max Winkler mit seiner Treuhandgesellschaft nicht dem Ullstein-Verlag beispringen könne.
Denn dem Ullstein-Verlag geht es, als auch noch das »Grüne-Post«-Verbot über ihn hereinbricht, gar nicht mehr gut. Das »Tempo«, ein Berliner Boulevardblatt nach Londoner Muster, das alle paar Stunden eine neue erste Seite mit neuer Schlagzeile nachschob, hatte bei den Berlinern nicht eingeschlagen. Es wurde ein finanzielles Fiasko mit einer Million verlorenem Zuschuß.
Der »Uhu«, Ullsteins Versuch, das amerikanische Großmagazin in Deutschland einzuführen, kostete selbst bei 100 000 Auflage so viel, daß er eingestellt werden mußte.
Die »Vossische Zeitung«, Berlins ältestes Blatt, an dem von Lessing bis Fontane Berlins beste Federn gearbeitet hatten und das seit 1914 Ullsteins Paradeblatt mit Georg Bernhard als Chef gewesen war, kostete allein 1933 1,2 Millionen Mark Zuschuß.
Ullsteins größtes Unternehmen, die »Berliner Illustrirte«, konnte ihre Riesenauflage von 2,4 Millionen nicht mehr halten. Ebenso sanken die Auflagen der anderen Blätter und mit ihnen die Inserate.
Aber für Millionenauflagen war 1926/27 das Druckhaus Tempelhof gebaut worden. Der Riesenkomplex, mit rund sechs Millionen veranschlagt, hatte wegen des moorigen Untergrundes das Doppelte verschlungen. Jetzt stand er da mit überflüssiger Kapazität.
Und schließlich stand die Ullstein-Verlags-AG. bei der Deutschen Bank mit drei Millionen RM Kredit in der Kreide, den die Deutsche Bank um keinen Pfennig zu erhöhen gedachte.
So kam es über Altfinanzminister Dr. Hermann Dietrich zur Anfrage Franz Ullsteins bei Max Winkler.
Das Aktienkapital der Ullstein-AG. betrug 6 Millionen RM und war fest in der Hand der Familie. Da sich bei den Kaufverhandlungen 1934 ein letztes Mal die geriebensten Finanzfüchse des alten Berlin zusammenfanden, machte Max Winkler folgendes Angebot:
* Seine »Cautio« - Treuhandgesellschaft kauft die 6 Millionen Ullstein-Aktien zu pari. Dazu übernimmt sie die Hypothekenverpflichtungen der Ullsteins, die
in Dutzenden von Liegenschaften, vornehmlich Kinos, zerstreut liegen, und endlich deckt die »Cautio« den ärgerlichen Kredit bei der Deutschen Bank ab*).
Das machte alles in allem rund 12 Millionen RM.
Max Winkler, der über seine geheimnisvolle »Cautio«-Treuhand die Ullstein-Verlags-AG. nie käuflich erworben, sondern deren Aktien zu pari gekauft hat, hatte die Stadt Graudenz 1919 in Ausführung des Versailler Vertrages ordnungsgemäß den Polen übergeben. Als er nach Berlin kam, war er existenzlos, bis er über die Deutschen Demokraten in den ersten Preußen-Landtag kam. Das war 1919 noch keine Existenz. Man wurde aber auf den alten Westpreußen aufmerksam, der ein wirklicher Kenner der Ostprobleme war. »Reichskanzler Bauer war der erste Kanzler, der mir einen Auftrag gab, und Hitler der letzte.«
Max Winkler wurde aus der vordersten politischen Linie zurückgezogen. Er baute ein riesiges Tarnunternehmen auf, das sich vorerst in der Volkstumsarbeit in den abgetretenen Gebieten betätigte. 1920 besaß Winklers Treuhand die Kapitalmehrheit bei der »Rigaischen Rundschau« und wenig später bei der »Saarbrücker Zeitung«. Aus jenen Tagen datieren Max Winklers Erfahrungen als Pressemann.
Daneben stützte Winklers Treuhand 8000 Bauernhöfe und 650 Güter in den abgetretenen Ostgebieten, um sie nicht den Polen in die Hände fallen zu lassen. Das geschah über Holland. Die Polen merkten nichts. Und der Mann, über den keiner eine Zeile schrieb und der selber schwieg, verfügte damals bereits über 140 Millionen Mark Reichsgelder.
Was sollte 1933 mit dieser Arbeit und aus diesem Vermögen werden? Ehe Reichskanzler Dr. Heinrich Brüning über die Grenze nach Holland ging, sagt Dr Max Winkler heute, habe er ihn, der gar kein Nazi war und nie der NSDAP angehört hatte, beschworen: »Herr Winkler, bleiben Sie! Das sind doch Verrückte, diese Nazis. Bleiben Sie und hüten Sie das Geheimnis der ''Cautio''.«
Seitdem hatte Winkler viele Geheimnisse zu hüten:
* Wenn Theodor Martens, der heute »Quick« in München verlegt, trotz seiner »nichtarischen« Ehefrau bis zuletzt im Deutschen Verlag bleiben konnte, dann, weil Winkler den Mund hielt.
* Wenn Rudolf Wiesner vom alten »Hamburger Fremdenblatt« als Generaldirektor nach Berlin kam, dann hatte den wohl Walter Funk vorgeschlagen, aber Demokrat Max Winkler kannte noch die blutrünstigen Resolutionen, die Rudolf Wiesner gemeinsam mit Ernst Lemmer und (dem jetzigen Frankfurter Stadtrat) Fritz Fay einst im Mai als junger Demokrat unterschrieben hatte.
* Wenn die Emigranten, die schon 1933 nach New York gegangen waren und dort zu Königen des Zeitungswesens aufstiegen, wie Kurt Szafranski, der später »House and Garden« in den Staaten herausgab, noch Abfindungen auf ihre Verträge mit den Ullsteins bekamen, dann, weil Max Winkler sie ausstellte.
* Wenn zwei der Gebrüder Ullstein zu Max Winkler kamen und um Devisen für ihre Abfindung baten, dann bekamen sie diese, weil Winkler zu Hjalmar Schacht ging, dem die Sache vorstellte und die Devisen loseiste.
Daß die alte »jüdische« Ullstein-AG. und die neue »arische« Ullstein-AG. den gleichen Aufsichtsratsvorsitzenden hatte, nämlich
*) Die »Cautio« kaufte die Ullstein-Aktien zum Nennwert, wurde also so Besitzer des gesamten Ullstein-Vermögens, dessen Wert auf die zehnfache Höhe geschätzt wurde. Bankier Wilhelm Backhaus, war auch Winklers Werk. Das war allerdings kein Geheimnis. Ganz Berlin wußte das.
Den auswandernden Ullsteins ging es nicht mehr so gut wie früher. Die »Reichsfluchtsteuer« sorgte dafür, daß von den ausgezahlten Geldern nicht allzuviel über die Grenze ging. (Der jüngste der fünf Ullstein-Brüder, Hermann UHstein, erhielt einige Zeit nach seiner Ankunft in England eine Verständigung des Finanzamtes, er habe 12,50 RM zuviel Fluchtsteuer bezahlt.)
Sonst waren die Ullsteins viel zu gute Preußen gewesen, als daß sie sich heimlich Konten im Ausland eingerichtet hätten. Sie verdienten im Ausland ein wenig durch Gelegenheitsarbeiten, wurden Fabrikarbeiter, und wenn es gar nicht mehr weiterging, mußten die Kinder ihre Eltern, die einst Multi-Millionäre gewesen waren, unterstützen.
Den Aufstieg und Verfall des Hauses Ullstein schrieb 1943 Hermann Ullstein in Amerika. Die Niederschrift wurde ein Wettlauf mit dem Tode. Das Manuskript war gerade fertig, da starb Hermann Ullstein, 69 Jahre alt.
Ein amerikanischer und ein englischer Verlag brachten »Raise and Fall oft the House Ullstein« als Buch heraus. »Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, wäre es ausgewogener geworden«, sagt Hermann Ullsteins Sohn Friedrich, der von den Erträgnissen einer Tierfarm in der Nähe von London lebt.
Sehr einfach und manchmal sogar bescheiden schildert Hermann Ullstein die Geschichte seiner Familie, des größten deutschen Zeitungshauses, und damit 65 Jahre deutsche Zeitungsgeschichte. Ohne Anspruch und Absicht auf journalistische oder schriftstellerische Perfektion, interessant für alle, die Zeitungsgeschichte interessiert, ob sie vom Fach sind oder nicht.
Das war der Beginn: Durch Kaufvertrag vom 14. Juli 1877 überließ die Firma Stahl & Aßmann »die ihnen gehörige in der Zimmerstraße 94 befindliche Druckerei, insbesondere das neue ''Berliner Tageblatt'' nebst sämtlichem im Geschäftslokal befindlichen
Inventar, überhaupt wie alles steht und liegt, zum Preise von 60 000 Mark dem Kaufmann Leopold Ullstein, Tiergartenstraße 17a«. 70 Jahre später ist der Ullstein-Verlag 60 Millionen wert.
Leopold Ullstein, 1826 in Fürth geboren, war Papiergroßhändler. Er lernte in Berlin, daß man zwei Arten von Papier verkaufen kann, bedrucktes und unbedrucktes. Das bedruckte Papier, zumal wenn es bezahlte Anzeigen waren, brachte bedeutend mehr.
Noch im gleichen Jahr (1877) kaufte Leopold Ullstein sich eine zweite Zeitung, die »Berliner Zeitung« des fortschrittlichen Journalisten Dr. Peter Langmann.
Da das neue »Berliner Tageblatt«, inzwischen umbenannt in »Deutsche Union«, nicht recht florieren wollte, wurde es mit der »Berliner Zeitung« verschmolzen.
Der Zeitpunkt für das Erscheinen der »Berliner Zeitung« war günstig gewählt. Der russisch-türkische Krieg hatte das Interesse am Zeitunglesen erhöht. Damals waren Kriege noch journalistische Sensationen. So wurden in der ersten Abonnements-Einladung die »neuesten und zuverlässigsten Nachrichten vom Kriegsschauplatz« als besondere Attraktion angekündigt.
Eine von den Parteien unbeeinflußte politische Stellung zu halten, war auch schon damals nicht leicht. Die Redakteure der »Berliner Zeitung«, die ein überparteiliches, bürgerlich-fortschrittliches Blatt machen wollten, mußten sich gegen rechts und links wehren.
Die Debatten im Preußischen Abgeordnetenhaus, in deren Mittelpunkt der von Bismarck entfesselte Kulturkampf stand, wurden von der Redaktion der »Berliner Zeitung« besonders aufmerksam kommentiert. Die Abgeordneten benutzten ihre Immunität, um ungestraft gegen das »Judenblatt« zu hetzen.
Damals tat sich der erste Riß zwischen Abgeordneten und Presse auf. Am 10. Februar 1880 erschien in der »Berliner Zeitung« ein Artikel, der zum ersten Male in der deutschen Zeitungsgeschichte einen Rückzug der Redaktion bewirkte, ohne den das Blatt verboten worden wäre.
Unter der Ueberschrift »Wer lacht da?« war festgestellt worden, daß sich im Abgeordnetenhaus Szenen abspielten, die eher einem Boxkampf als einer parlamentarischen Verhandlung glichen. Außerdem seien die Parlamentssitzungen eine unlautere Konkurrenz für die Vorstellungen des komischen August im Zirkus Renz. Leopold Ullstein mußte mit »lebhaftem Bedauern« seine Redaktion entschuldigen.
In dieser Zeit, die Innenminister Lehr heute eine allzu liberalistische Epoche nennt, wurde durch Befehl des Generalkommandos den Berliner Truppen das Lesen und Halten aller liberalen Zeitungen, an der Spitze die »Berliner Zeitung«, verboten.
Oft mußte die »Berliner Zeitung« ihren Lesern mitteilen, daß »infolge behördlicher Konfiskation die Nummer des Vortages den Abonnenten nicht zugestellt werden konnte«.
Dennoch blieb die »Berliner Zeitung« gegenüber Bismarcks Blut-und-Eisen-Politik fest. Am 29. September 1878 erschien folgende programmatische Erklärung:
»Die ''Berliner Zeitung'' will eine konstitutionelle Regierung, keinen Kanzler-Absolutismus. Sie verlangt, daß das deutsche Volk frei sei und nicht wie eine besiegte Nation behandelt wird.«
Da die oppositionelle Arbeiterschaft seit Erlaß des Sozialistengesetzes ohne eigene Presse war, konnten die Ullsteins geschickt diese Lücke schließen und für ihren Verlag nutzen.
Die Bismarck - Beleidigung war eine Spezialität jener Tage. Der Kanzler selbst, der sich als »preußischer General« keinem Gericht stellte, hatte sich für die immer zahlreicher von ihm gestellten Strafanträge die Antragszettel gleich hektographieren lassen. In den Personallisten der Zeitungen tauchten jetzt die »Sitzredakteure« auf, die ihr volles Gehalt dafür bezogen, daß sie die verhängten Gefängnisstrafen abbüßten.
Damit die Maschinen des Ullstein-Verlages in der Kochstraße nicht mehrere Stunden am Tage stillstanden, gab Leopold Ullstein zusätzlich die »Berliner Abendpost« heraus. Es wurde ein gutes Geschäft durch viele Anzeigen. Doch bald wurde die Zeitung ziemlich grundlos wieder eingestellt.
1890 erscheint eine illustrierte Wochenzeitschrift auf dem Markt, die »Berliner Illustrirte Zeitung«. Ihr Besitzer, ein schlesischer Kaufmann, kommt damit nicht zu Rande. Leopold Ullstein und ein befreundeter Verleger, Dr. Eyßler, kaufen die Anteile. Nach kurzer Zeit steigt Dr. Eyßler wieder aus. Leopold Ullstein ist Alleinbesitzer seiner späteren Goldmine.
Alle Zeitschriften waren damals verhältnismäßig teuer. Das teure Abonnement mußte dazu auf ein Vierteljahr im voraus bezahlt werden. Da wagte der Geschäftsleiter David Cohn etwas ganz Neues: Verkauf frei Haus für 10 Pfennig pro Nummer. (Der Straßenverkauf war polizeilich verboten.)
Das konnte nur gelingen, wenn die Zeitung so interessant war, daß der Leser freiwillig und begierig jede nächste Nummer kaufte.
»Eine Illustrierte darf nicht nur illustrierter Text sein. Die Geschehnisse müssen in Bildern allein gesehen werden«, war die Arbeitsdirektive Kurt Korffs, des Chefredakteurs der »Berliner Illustrirten Zeitung«.
Mit dem Maler-Journalisten Kurt Szafranski als Umbruchsredakteur wird die »Berliner Illustrirte« Ullsteins größter Erfolg. Als die beiden anfingen, hatte die »Illustrirte« 60 000 Abonnenten. 30 Jahre später über 2 Millionen.
Als Hitler kommt, wandert Korff und Szafranski nach den USA aus. In New York inspirieren sie Henry Luce zu dem Riesenobjekt »Life«, der fotografierten Reportage.
Vor der Jahrhundertwende, 1883, gründet August Scherl, Ullsteins schärfster Konkurrent, den »Lokalanzeiger« und läßt ihn durch ein Heer von eigenen Verteilern frei ins Haus bringen. Etwas ganz Neues, denn bisher übernahmen fremde Agenturen die Verteilung der Zeitungen.
Aber nicht nur für den Vertrieb, auch im Journalismus war der »Lokalanzeiger« eine
Revolution. Das Rückgrat der Zeitung Ausgang des 19. Jahrhunderts war der betrachtende lange Artikel. Einen regulären Nachrichtendienst gab es nicht, die einzige Quelle waren die Briefe der Korrespondenten im Ausland. Telegramme kamen nur spärlich, und auch nur bei besonderen Ereignissen.
Völlig in den Kinderschuhen steckte noch die Lokalberichterstattung. Trockene Notizen wurden einfach abgedruckt, ohne daß jemand daran dachte, sie auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder festzustellen, ob in der kurzen Mitteilung etwa eine Sensation verborgen lag.
So sah damals eine Meldung aus:
* »Gerüchtweise verlautet heute nachmittag, Generalfeldmarschall Graf Moltke sei plötzlich verstorben. Auf unsere Anfrage beim Wolffschen Telegraphenbureau wurde uns die Mitteilung, daß auch dorthin das Gerücht gedrungen und bereits an den Generalstab Anfrage gerichtet worden sei. In unserer Morgenausgabe werden wir sicher in der Lage sein, mitteilen zu können, ob sich das Gerücht bestätigt oder nicht. Hoffen wir das letztere.« ("Berliner Zeitung« vom 17. August 1887).
Das Gerücht bestätigte sich nicht. Aber niemand war auf die Idee gekommen, die 15 Minuten von der Kochstraße bis zum Königsplatz zu laufen, um selbst nachzufragen.
Das wurde jetzt beim »Lokalanzeiger« anders. August Scherl brachte anstatt der langen Artikel telegrafische Nachrichten aus der ganzen Welt auf der ersten Seite, druckte Mord- und Klatschgeschichten und appellierte mit einem gepflegten Lokalteil an den kleinen Mann. Es wurde ein Bombenerfolg, der den anderen Berliner Zeitungen schwer zu schaffen machte.
Ullstein plante eine Gegenzeitung: für 10 Pfennige pro Woche frei Haus, d. h. eine Nummer kostet 1,6 Pfennige. Ihr Name: »Morgenpost«. Am 20. September 1898 erscheint die erste Nummer. Ein Jahr später hatte sie 160 000 Abonnenten.
Chefredakteur der »Morgenpost« war Arthur Brehmer, bis dahin Feuilleton-Redakteur der »Berliner Zeitung«. Leopold Ullstein: »Brehmer ist nie in seinem Büro, wenn ich hinkomme. Da er trotzdem eine gute Zeitung macht, muß er ein Genie sein.«
Brehmer saß in Kaffeehäusern herum und kam mit seinen Manuskripten erst, wenn die Setzer anfingen. Ueberstunden zu machen. »Daß dabei Tag für Tag eine Zeitung herauskommt, ist mir ein Wunder«, staunte Leopold Ullstein.
An den Litfaßsäulen wurden bis dahin die Auflageziffern des Scherlschen »Lokalanzeigers« plakatiert. Jetzt plakatierte auch die »Morgenpost«. Fasziniert verfolgt Berlin das Wettrennen der beiden Konkurrenten.
Als Ullsteins »Morgenpost« nach einem Jahr gesiegt hatte, schickte Scherl einen Unterhändler und wollte für eine Million Mark einen Anteil an der »Morgenpost« erwerben. Bedingung; Die Litfaßsäulenanschläge sollten aufhören.
Hermann Ullstein: »Das ist unsere Rettung. Die ''Morgenpost'' kostet uns Unsummen. Unser ganzes Geld ist im Handumdrehen verplempert. Durch einen solchen Vertrag mit Scherl können wir uns nicht nur gesundstoßen, wir können auch den 10-Pfennig-Preis erhöhen.«
Scherls Partnerschaft dauerte ein Jahr. An ihrem Ende hatte sich die »Morgenpost« finanziell erholt und konnte Scherl, der das Geld dringend nötig hatte, seinen Anteil zurückgeben.
Es gab ein neues Abkommen mit Scherl: Wenn einer der beiden Partner ein neues Projekt startet, verpflichtet sich der andere, nichts Aehnliches herauszubringen.
Dieser Vertrag, obwohl auf Scherls Wunsch abgeschlossen, wendet sich gegen Scherl selbst, denn er betrifft die schon vorhandenen Objekte nicht. Als Ullstein die Mittagszeitung ("BZ am Mittag") herausbrachte, waren Scherl für ein ähnliches Unternehmen die Hände gebunden. Die »Woche«, als ein Blitzschlag von Scherl gestartet, erreichte nie die Auflagen der »Berliner Illustrirten Zeitung«.
Inzwischen waren alle fünf Ullstein-Söhne in den väterlichen Verlag Leopold Ullsteins eingestiegen. Das ist der kleine Ullstein-Stammbaum:
U 1: Hans Ullstein; studierte Jura und wurde Rechtsanwalt mit geringem Talent, Klienten zu erwerben. Da er schon öfter die »Berliner Zeitung« bei ihren vielen Prozessen vertreten hatte, übernahm er die juristische Betreuung des Konzerns. Aber er war auch Journalist. Seinem Lieblingskind, der »Berliner Zeitung«, schrieb er viele Leitartikel. Nach dem Tode seines Vaters Leopold (1899) war Hans der Seniorchef des Hauses. Er starb nach längerem Leiden in Berlin.
U 2: Louis Ullstein; lernte Kaufmann. Dann unterstützte er seinen Vater im Verlag und versuchte später alles, was verlagsgeschäftlich ist, an sich zu reißen. Das gab Konflikte mit dem jüngeren Bruder Franz, der sich sein Recht nicht von Louis schmälern lassen wollte. Louis starb im März 1933 nach einer Operation in Berlin.
U 3: Franz Ullstein; studierte Jura und ging dann in den Verlag. Von ihm sagt Bruder Hermann: »Seine kritischen Fähigkeiten waren außergewöhnlich. Mit seinem scharfen Intellekt bohrte er unentwegt Löcher in jedes neue Projekt, in das wir volles Vertrauen hatten. Mit seiner Kritikfähigkeit vereinigte sich ein ungewöhnlich konstruktives Talent und ein Reichtum an Ideen. Die Tageszeitungen
*) Nach einem Gemälde von Oscar Begas. und der Buchverlag verdanken ihm ihre wichtigste Entwicklung. Er spielte furchtlos mit Millionen-Projekten und konnte sie mühelos in die Tat umsetzen.« Franz wurde 1945 in New York von einem Autobus tödlich überfahren.
U 4: Rudolf Ullstein; war der Techniker des Hauses. In den dreißiger Jahren galt er als der größte Experte seines Faches in Deutschland. Er war Präsident fast aller typographischen Berufsorganisationen. Außerdem war er der Sportler der Familie. Tennis, Motorrennen, Golf und Fliegen waren seine Steckenpferde. Bruder Hermann: »Trotzdem will ich nicht vergessen, sein außerordentliches Talent zum Geldausgeben zu erwähnen. Geld zu machen, dazu hatte er keinerlei Fähigkeiten.«
Heute ist Rudolf Ullstein der Seniorchef des Hauses, der letzte noch Lebende der zweiten Ullstein-Generation und Präsident der neuen Ullstein-AG.
»Bei uns war er als Spesendirektor bekannt«, schreibt Bruder Hermann über diesen Rudolf Ullstein. »Er verärgerte ihn immer, wenn er von seiner wöchentlichen Auto- oder Druckpressenbestellung abgehalten wurde. Seine Leidenschaft, neue Dinge zu kaufen, artete geradezu in einer Sammlermanie aus ...
»Sein größter Ehrgeiz war es, daß die Ullsteins die neuesten und vollendetsten Druckmaschinen des Marktes besitzen sollten, und es war nicht leicht, ihn davon abzuhalten, seine Abteilung jährlich zu vergrößern.
»Unterstützt wurde er von Louis, dem nichts großartig genug war. Rudolf brachte Ruhm und Ansehen ins Haus, und als unser aller Karriere zu Ende war, hatte er die Genugtuung, daß unsere technische Abteilung die beste in ganz Deutschland war.«
U 5: Hermann Ullstein; arbeitete in einem Getreidekonzern mit Niederlassungen in Südrußland. »Als ich endlich zur Firma kam, mit mittlerer Begabung, konnte ich nur instrumental behilflich sein, Millionen zu machen. Man sagt mir nach, ich hätte ein Talent für Reklame. Und das konnte ich glücklicherweise in allen Abteilungen verwerten.« Hermann war der Künstler in der Familie. Er hatte die Oberaufsicht über den Modeverlag. Seiner Initiative verdankte Ullstein den Erfolg mit Schnittmustern. Den Werbe-Slogan: »Sei sparsam Brigitte, nimm Ullstein-Schnitte« erfand er mit dazu. Er starb 1943 in New York nach einer Operation.
Unter der Leitung der 5 U geht es mit dem Verlag steil bergauf. Als 1904 der Straßenverkauf erlaubt wird - bis dahin glaubte die Polizei, die Zeitungsverkäufer behinderten den Verkehr - erscheint die »Berliner Zeitung« als »BZ am Mittag«. Uniformierte Zeitungsverkäufer, spezielle Motorwagen und jede Art von Reklame an Bauzäunen und Häuserwänden steigern die Verkaufsziffern. Da der Anzeigenmarkt mithält, ist es ein glänzendes Geschäft.
Die »BZ am Mittag« wird die schnellste Zeitung der Welt. Ihre Schnelligkeitsrekorde sind auch heute noch nicht wieder von deutschen Zeitungen erreicht worden. Als am 17. Oktober 1913 um 11 Uhr vormittags bei Johannisthal ein Zeppelin ververunglückte, ist die BZ nur eine Stunde später mit einem ausführlichen Bericht auf der Straße.
Oder: Als Fritz Ebert am 6. Februar 1919, dem Tage der Eröffnung der ersten
Nationalversammlung der Deutschen Republik, um 3 Uhr nachmittags in Weimar die Treppe zum Theatersaal hinaufsteigt, um seine Eröffnungsrede zu halten, wird ihm von einem Zeitungsjungen die BZ mit der schon vorgedruckten Rede zum Kauf angeboten. Die BZ ist mit der eigenen Ullstein-Flugzeugstaffel eben aus Berlin gekommen.
Ein täglicher Schnelligkeitsrekord, den selbst keine amerikanische Zeitung vor dem ersten Weltkrieg erreichte, war die Veröffentlichung der ersten Berliner Börsenkurse: Vom Empfang der letzten Meldung bis zum Verkauf der ersten Zeitung vergingen nur acht Minuten:
12.10: Notierung der ersten Kurse im Berliner Börsensaal.
12.12: Die Anfangskurse werden der Redaktion telefonisch aufgegeben.
12.14: Annahme der letzten Telefonmeldungen im Setzmaschinensaal.
12.15: Redaktionsschluß, die letzte Seite wird geschlossen und gematert.
12.16: Die Platten werden gegossen.
12.17: Die Druckplatten werden auf den Zylindern der größten Rotationsmaschine Europas befestigt Der Druck beginnt.
12.18: Die Expedition der fertigen BZ beginnt.
Für journalistische Bravourstücke wurden bei Ullsteins keine Kosten gescheut. Als der italienische Flieger-General Umberto Nobile 1928 auf dem Rückflug vom Nordpol verunglückte, sollte ihn der BZ-Reporter C. Klötzel suchen. Innerhalb von Stunden kauften die Ullsteins dafür ein Flugzeug.
Walter Kiaulehn, der zur Berichterstattung über die Fememordprozesse nach Prenzlau fuhr, nahm allein 1000 RM für Telefonspesen mit (es gab damals noch keine R-Gespräche). Als Kiaulehn eine Nacht mit den Staatsanwälten durchgepokert hatte, waren ihm von den Hütern des Gesetzes am nächsten Morgen 800 RM abgenommen. Erinnert sich Kiaulehn wehmütig: »Das Geld knisterte nur so in unseren Taschen.«
Rekorde und Sport waren bei der BZ alles. Schon 1906 wurde ein Kleinauto auf eine Alpenfahrt von Berlin bis an die Riviera gesandt. Der Fahrer des BZ-Wagens begegnete auf der ganzen Strecke Berlin-Nizza nur drei Motorfahrzeugen.
Zwei Jahre später nannte die BZ den einzigen deutschen Wagen für die erste Autofahrt rund um die Welt, die Wettfahrt New York - Kalifornien - Sibirien - Rußland - Berlin - Paris. Und der BZ-Wagen unter dem Oberleutnant Hans Koeppen kam als erster ans Ziel.
Rudolf Ullstein, leidenschaftlicher Flieger, kreierte 1911 den ersten Rundflug über Deutschland, den »BZ-Preis der Lüfte«. Es waren vier Wochen, in denen ganz Deutschland von nichts anderem als vom Fliegen sprach. (Nur fünf Jahre vorher war im Sportteil der BZ eine kleine skeptische Notiz über unkontrollierbare Luftsprünge eines gewissen Orville Wright in Amerika zu lesen gewesen.)
Diese Rekorde kosteten viel Geld, das ruhigere Verlagsabteilungen des Hauses Ullstein allerdings doppelt und dreifach einbrachten. Zusammen mit dem »Blatt der Hausfrau« führten Ullsteins die in Deutschland bis dahin unbekannten Schnittmuster ein. Für Leserinnen, die ihre Größen angaben, wurden sie innerhalb zwei Wochen geliefert. Da schlug Franz Hutter, der gerade aus dem Bankfach zu Ullstein übergewechselt war, vor, Standardgrößen auf Lager anzufertigen.
Die Idee schlug ein. Kaufhäuser in Hannover, Breslau und Frankfurt/Main wollten die Schnittmuster als selbständigen Artikel verkaufen. Ullstein willigte ein. Es war wieder einmal das Geschäft. 2000
Modelle im Jahr wurden entworfen. Der Absatz betrug über eine halbe Million je Modell.
Den Profit hatte Ullstein, denn die Herstellungskosten überstiegen nicht 7 Pfennig je Stück. Verkauft wurden sie mit 1 RM.
In Edinburgh traf Franz Ullstein (U 3) den Verleger Thomas Nelson, der billige Bücher für 1 Shilling, statt des sonst üblichen Preises von 2 bis 6 Shilling druckte. Franz Ullstein sah eine Chance. Er wollte dieses billige Buch auch in Deutschland einführen.
Ullsteins gaben Druckaufträge für 25 000 Stück. Aber sie mußten auf 100 000 erhöhen, denn die erste Auflage war im Nu vergriffen. Für die folgenden Reihen der Ullstein-Bücher sind diese Zahlen noch bescheiden klein. Später gab es kaum ein Buch, das unter 200 000 Auflage hatte Die 1-RM-Bücher der Ullstein-Autoren Vicky Baum, Fedor von Zobeltitz, Kurt Aram, Paul Oscar Höcker erreichten Millionen-Auflagen.
Immer weiter faßten die Ullsteins den Wirkungskreis ihres Verlages. »Der heitere Fridolin« war eine Kinderzeitung mit 300 000 Abonnenten. Es gab Fridolin-Bücher, Fridolin-Spiele, Fridolin-Kinderparadies und den Fridolin-Elefanten Kasimir. Das alles war zwar kein finanzieller Erfolg, aber eine prächtige Reklame.
Inzwischen erschienen vier Zeitschriften: die »Dame«, »Koralle«, »Uhu« und der »Querschnitt«. Alle Zeitschriften hatten für ihr Genre hohe Auflagen. Es war das Ergebnis einer Reklame nach amerikanischer Schule, einer für Deutschland ganz neuen Art.
Ullsteins brachten als erste in Deutschland die Inseraten-Serie, sie begannen mit der comic-Reklame. Die 30 Millionen des jährlichen Reklamefonds kamen immer wieder herein.
Der Aufbau des Ullstein-Verlages war 1910 vollkommen. Jedes neue Projekt verschlang anfangs Unsummen, aber es rentierte sich später fast immer. Allein Ullsteins Postabteilung hatte den Postverkehr einer 180 000-Einwohner-Stadt und einen jährlichen Porto-Umsatz von eineinhalb Millionen Mark.
1913 wird durch Vermittlung des Bankhauses Speyer-Ellisen, Frankfurt/Main, den Ullsteins die »Vossische Zeitung« angeboten. Für 8 Millionen Mark ist diese älteste und renommierteste Zeitung Berlins zu kaufen.
Die Tradition und das Ansehen dieses Blattes schmeicheln den Ullsteins. Aber sie sind sich darüber klar, daß die Kaufsumme ein Risiko ist, denn das Blatt muß gründlich modernisiert werden. Doch »Prestige zu haben, war immer unser größtes Ideal«. Im Herbst 1913 kaufen Ullsteins die »Tante Voss« Und bezahlen sie nie.
Ullstein-Direktor Leonhard Oberstedt hatte in den Kaufvertrag eine Klausel eingefügt, daß im Falle eines europäischen Krieges die Zahlungen verschoben werden sollen. Am 1. Januar 1914 erfolgte die Uebernahme; acht Monate später brach der erste Weltkrieg aus. Sagt Hermann Ullstein: »Wahrlich, ein Gott hat uns beschützt.«
Vom ersten Weltkrieg merken die Ullsteins wenig. Auch den wirren Nachkrieg überstehen sie unbeschadet. Für eine Woche besetzen die Spartakisten das Ullsteinhaus, regierungstreue Artillerie befreit es wieder. Dann klettern Kommunisten über die Dächer, aber sie nehmen nur Schreibmaschinen mit. Als der Spuk vorbei ist, müssen 270 Reinemachefrauen zwei Tage lang Ordnung machen.
Die Inflation bringt schon schwierigere Probleme. Wenn die Ullstein-Druckerei auch das Geld druckt, die Kurse werden nicht von den Ullsteins gemacht. Rätselraten bei der »Berliner Illustrirten«; montags ist Druckbeginn, am Donnerstag wird verkauft. Der aufgedruckte Preis muß im voraus geraten werden. Meist wird falsch geraten.
Helfen können dem Ullstein-Verlag nur Devisen. Hermann und Franz Ullstein finden eine Lösung: Schnittmuster, Kataloge und Magazine werden in zwölf Sprachen gedruckt. Jetzt gibt es Ullsteinschnitte in Batavia und Sidney. Schweizer Franken und Schwedenkronen kommen herein und fetten das magere Papiermarkpolster.
Ullstein kann über den Inflationstaumel hinweg alle Sachwerte retten. Nur die »Illustrirte« kostet jetzt 20 Pfennig statt zehn.
Obwohl sich die »Vossische Zeitung« als Millionen-Zuschußunternehmen entpuppt - Hermann Ullstein: »Die Voss wurde überall geschätzt, ausgenommen bei unserer Finanzabteilung und der Buchhaltung« - , können es sich Ullsteins leisten, ein neues Großobjekt, die »Grüne Post«, zu starten. Sie ist für die Landbevölkerung bestimmt, bald liest das Blatt die ganze Provinz. Binnen eines Jahres hat es fast eine Million Abonnenten.
Es ist der letzte glückliche Schlag der Ullsteins. Mit dem Bau des Druckhauses Tempelhof geht es abwärts. Die Millionen, die das Gebäude über die Kalkulation hinaus verschlingt, fehlen bald überall. Familien-Streitigkeiten kommen hinzu.
Die beiden ältesten Brüder, Hans (U 1) und Louis (U 2), ziehen sich zurück, Rudolf (U 4) ist mehr an der Technik als am Verlag interessiert. Erinnert sich Hermann (U 5) Ullstein: »So blieben nur Franz und ich übrig zur Konkurrenz. Wir hatten
beide die gleichen politischen und redaktionellen Interessen. Franz war Chef der Tagesausgaben, ich der Wochen- und Monatsausgaben.
»Aber Franz wollte einen Generaldirektor, ich war mehr für Zentralisierung. Um Franzens Absicht zu verhindern, machte ich die führenden Leute meiner Abteilungen zu Mitgliedern des Vorstandes mit gleichem Stimmrecht.
»Zehn Jahre ging dieser Kampf ohne regulären Bruch hin und her. Erst der Eintritt von sieben Kindern (der dritten Generation) verschärfte diesen Kampf. Zwei Junioren wollten mich sogar veranlassen, aktiv gegen Franz Stellung zu nehmen.«
Hermann Ullstein (U 5) werden die Hausintrigen über. Er zieht sich zurück, behält seine Aktien und kauft sich die »Neue Leipziger Zeitung«.
Franz Ullstein (U 3) gelingt es nicht, das Ullstein-Schiff durch die politische Brandung der letzten Weimarer Jahre zu steuern. 40 Jahre lang waren die »Morgenpost« und die anderen Zeitungen politisch neutral gewesen. Jetzt spielt Franz Ullstein seine ganze Zeitungsmacht gegen Hitler aus. Selbst die »Berliner Illustrirte« ist nicht davon ausgenommen. So kommt 1933 der Ullstein-Verlag unter den Druck der Zeit, und 1934 kauft der Dr. h. c. Max Winkler die Ullstein-Aktien.
Das Publikum merkt anfangs den Wechsel kaum. Nur heißen ab 1934 die alten Ullstein-Schnitte fortan Ultra-Schnitte. In der Werbung wird es schon deutlicher: »Ultra-Schnitte sind immer noch die alten Ullstein-Schnitte. Ihre Qualität ist unverändert.«
Wenn auch die alten Ullstein-Leute ihr Haus weiterhin den Ullstein-Verlag nannten, die neue Obrigkeit betonte sehr deutlich die Bezeichnung »Deutscher Verlag«. Bei ihm wurde schließlich Josef Goebbels'' »Reich« gedruckt.
Selbst der »Angriff« kroch im alten Ullstein-Haus unter, als die ersten Bomben auf Berlin gefallen waren. Dann wurde auch der Ullstein-Komplex in der Kochstraße völlig zerbombt. Die Redaktionen mußten in das Druckhaus Tempelhof umziehen. Die Zeitungen des Verlags siechten an Papiermangel dahin.
Das letzte Produkt des Deutschen Verlages war der »Panzerbär«. Am 23. April 1945, als Berlin schon brannte und das Druckhaus Tempelhof bereits unter Beschuß lag, erschien die letzte Nummer.
Als NS- und Reichsvermögen waren nach dem Zusammenbruch das Druckhaus Tempelhof und das Ullstein-Stammhaus in der Kochstraße von der amerikanischen Militärregierung unter Treuhandverwaltung gestellt worden. Treuhänder wurden
der frühere Prokurist des Hauses, Gustav Willner, und der Dipl.-Ing. Ernst Strunk.
Was der alte Ullstein-Verlag unter der Treuhänderschaft war, definiert Ernst Strunk, seit 1929 Ingenieur in der Ullstein-Technik: »Früher war Ullsteins Stärke und Macht der Verlag. Die ausgezeichnete Druckerei - die modernste in Europa - war sein Instrument und Hilfsmittel. Jetzt sind wir praktisch eine Lohndruckerei.«
Ueber 50 Prozent des Maschinenparkes - nur die modernsten und besten Rotationen - fuhren die Sowjets in Lastwagen ab. Auf dem renovierten Rest, nach der üblichen Berliner Art aus Trümmerschutt geborgen, werden seitdem die meisten Berliner Tageszeitungen gedruckt.
Der Streit um das goldene Kalb des alten Ullstein-Besitzes ließ nicht lange auf sich warten. Seit 1948 bildete sich ein wachsender Gegensatz zwischen den vom Deutschen Verlag gedruckten Zeitungen und dem Treuhänder Strunk heraus.
Die Zeitungen wurden bei der Preisgestaltung von Strunk so behandelt, daß bei einem Verfahren vor dem Press Board der amerikanischen Hochkommission im August 1951 dem »Tagesspiegel« eine Rückerstattung von rund 600 000 DM zugebilligt wurde. Diese Rückerstattung vollzog sich allerdings nur auf dem Papier, da der »Tagesspiegel« an den Deutschen Verlag hoch verschuldet war.
Aber auch der technische Aufbau des Deutschen Verlages durch Treuhänder Strunk - der Bestand an Setzmaschinen beträgt dem vor 33er Höchststand von 70 gegenüber jetzt schon wieder 48 - war nur unter Anhäufung erheblicher Schulden möglich.
Im Sommer 1950, als die Rückgabe des Deutschen Verlages an die Familie Ullstein immerhin möglich erschien, versuchte sich Berlins Stadtkämmerer Dr. Haas durch Sicherheitsübertragungen an einem Teil der Grundstücke des Deutschen Verlages zwischen Charlotten-, Koch- und Markgrafenstraße zu sichern.
Treuhänder Strunk hatte so das Druckhaus Tempelhof und den Deutschen Verlag wieder aufgebaut. Er hatte - wird in Berlin behauptet - geglaubt, gestützt auf eine Hamburger Finanzgruppe, den gesamten Komplex kaufen zu können.
Denn sofern die Wiedergutmachungsansprüche der Familie Ullstein nicht erfüllt worden wären, hätte der Deutsche Verlag als ehemaliges Reichs- und NS-Eigentum an die Stadt Berlin zurückfallen müssen, die über ihn dann frei hätte verfügen, ihn also auch verkaufen können.
Ernst Strunk versuchte, seinen Treuhandbetrieb durch Uebernahme eigener Verlagsobjekte auszubauen. Das war gegen die Pläne der Amerikaner, die ursprünglich den Deutschen Verlag der Berliner Zeitungsgruppe übertragen wollten. Diese Zeitungsgruppe, bestehend aus den drei Berliner Kernzeitungen »Tagesspiegel«, »Abend« und »Tag«, hatte ebenfalls damit gerechnet, die Druckerei übernehmen zu können.
Sie verfolgte die gleichen Ziele wie Treuhänder Strunk. Der hatte inzwischen die Wochenzeitung »sie« von Heinz Ullstein nach dessen Pleite übernommen, ebenso die »Radio-Revue«. Außerdem hatte Strunk eine Hausfrauenzeitschrift »Wir Hausfrauen« gegründet.
Durch Gewährung 25 Prozent niedrigerer Druckpreise und durch einen fast unbeschränkten Kredit beim Deutschen Verlag (Treuhänder Ernst Strunk) konnten der frühere Ullstein-Angestellte Bruno Willmeroth und der dpd-Redakteur Georg
Klemm im Oktober 1949 den »Berliner Anzeiger« aufmachen.
Der Start dieser neuen West - Berliner Tageszeitung erfolgte nach bewährter Ullstein-Manier: Eine Woche lang wurde der »Berliner Anzeiger« in 100 000 Exemplaren kostenlos in Berlin verteilt. Ein Experiment, das allein 50 000 DM kostete. Eine Summe, die heute kaum ein anderer deutscher Zeitungsverlag übrig hat.
Die Werbung im alten Ullstein-Stil hatte Erfolg. Wenige Wochen nach dem ersten Erscheinen des »Berliner Anzeigers« lag das Blatt für den kleinen Mann mit über 100 000 Auflage an zweiter Stelle in der Größenordnung der Berliner Tagespresse (an erster Stelle: »Telegraf").
Doch schon bald gab es den ersten Krach. Die anderen Berliner Tageszeitungen protestierten gegen den unnatürlich billigen Preis des »Berliner Anzeigers« (täglich 10 Pfennig gegenüber allen andern Zeitungen mit 15 Pfennigen).
Die Beziehung Deutscher Verlag und »Berliner Anzeiger« wurde gewaltsam gelöst, der Verkaufspreis auf 15 Pfennig erhöht und der für die Lizenzerteilung verantwortliche amerikanische Presseoffizier, Glenn R. Parson, versetzt. Seitdem zählt der »Berliner Anzeiger« zur Verlegergruppe und zu den Gegnern Strunks.
Während sich die Lizenz-Zeitungen und Treuhänder Ernst Strunk um das Ullstein-Erbe stritten, bemühen sich der Wirtschaftsprüfer und als FDP-Stadtverordnete sehr einflußreiche Heinz Ullmann sowie der alte Ullstein-Anwalt Dr. Ludwig Ruge um die Rückübertragung der 1934 vom Reich übernommenen Ullstein-Masse an die Familie.
Daß die Familie Ullstein aber mit ihrem Restitutions-Anspruch Erfolg hatte, ist wesentlich Karl Ullstein, dritte Generation, zu verdanken. Karl Ullstein, ehemals seit 1926 Vorstandsmitglied der alten Ullstein
AG, und seine Schwester Elisabeth hatten das Glück, durch die berühmte New Yorker Anwaltsfirma Samuel Ackermann and Co., Inc., vertreten zu werden.
Der Seniorpartner dieser Firma, Dr. W. A. Kellogg, ist der Präsident der New Yorker Anwaltskammer.
Kellogg bekam 10 Prozent des Gesamtwertes des erzielten Restitutionsvermögens zugesichert. Da Werte von rund 60 Millionen DM auf dem Spiele standen, setzte Kellogg New York und Washington in Bewegung. Er schrieb hoffnungsfreudig nach Berlin, daß, wenn McCloy in der nächsten Zeit nach Washington komme, er ihn aufgefordert habe, »einmal vorbeizuschauen, um die strittigen Punkte (der Ullstein-Restitution) zu klären«.
Hochkommissar McCloy, Bachelor of Law und ehemals Teilhaber verschiedener großer New Yorker Anwaltsfirmen, schaute bei Mr. Kellogg, dem Ullstein-Anwalt und Präsidenten der New Yorker Anwaltskammer, vorbei.
In den Berliner Restitutionsverhandlungen tauchte auch Dr. Max Winkler, der 1934 den Ullstein-Verlag für die Reichsregierung aufgekauft hatte, wieder auf. Er war Beklagter, weil er 1937 bei der Gründung der Deutschen Verlags-Kommanditgesellschaft*) mit 10 000 RM als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten war. Diese 10 000 Reichsmark stammten aber nicht aus dem Treuhandvermögen, sondern waren Winklers Privatgelder.
In der Restitutionsverhandlung in Berlin, der viele Vergleichsvorschläge vorausgegangen waren, operierte der Senat von West-Berlin mit den Argumenten des Eher-Verlages:
* 1934 sei der Ullstein-Verlag finanziell vor dem Ende gewesen und mit 12 Millionen RM ausreichend bezahlt worden, so daß ein Restitutionsanspruch entfalle.
Zum Beweis wollte der Vorsitzende der 42. Wiedergutmachungs - Kammer zwei Hauptakteure miteinander bekannt machen: Dr. Ruge als Vertreter der Ullsteins und Dr. Winkler als Beklagten.
Die beiden betagten Herren lachten nur: »Wir kennen uns.« Sie hatten 1934 den Vertrag über den Erwerb der Ullstein-Aktien durch Winklers »Cautio«-Treuhand beide eigenhändig paraphiert.
Einmal wurde es im Restitutionsprozeß heftig. Da wollte Dr. Ruge neben dem Aktienkapital auch jene 162 Millionen RM Gewinn haben, die Max Winkler seit 1934 in der Kochstraße erzielt hatte. Und zwar von Max Winkler in bar aus dessen eigener Tasche.
Worauf Winkler sagte, er zahle prompt in bar, wenn Bundesfinanzminister Fritz Schäffer in Bonn 450 Millionen Reichsmark Reichsschatzanleihen anerkenne, die bis 1945 der Eher-Verlag gezeichnet hatte.
Doch die beiden letzten Ueberlebenden der Ullsteinaffäre vom Spätwinter 1934 waren klug genug, zu bekennen: »Lassen wir das sein. Keiner von uns erlebt die Reaktivierung der Reichsschätze mehr.«
Es blieb noch Winklers persönliche 10 000 - RM - Kommandit - Einlage bei der Deutschen Verlags-KG. Ruge wollte abwerten, 10:1, dann kam es doch noch zum Vergleich 1:1. So bekommt über Ullsteins Restitution der Mann, der 1934 die Ullstein-Aktien in Goebbels Auftrage gekauft hatte, zu guter Letzt 1952 noch 10 000 D-Mark.
*) Die Ullstein-Verlags-Akt.Ges. wurde 1937 in die Deutscher Verlag Kommandit-Gesellschaft umgewandelt, da bei den steigenden Gewinnen für eine AG die Steuerlast zu hoch wurde.