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Postwertzeichen Ein klares Ja zu Deutschland

aus DER SPIEGEL 1/1996

Tief im Herzen weiß Postminister Wolfgang Bötsch, was die Deutschen von ihm denken, nämlich daß er »die ganze Zeit mit der Laubsäge Zacken in die Briefmarken« schneide.

In Wahrheit ist der Job des CSU-Politikers viel komplizierter: Da muß er den vornehmen Postdienst-Chef Klaus Zumwinkel ins Fußballstadion bestellen, um dem Deutschen Meister Borussia Dortmund und dessen Präsidenten Gerd Niebaum auf vereistem Rasen einen Satz Sondermarken zu überreichen - obwohl die Kicker bisher mit der Philatelie nichts am Hut hatten.

Nun gestand Bötsch noch eine weitere Großtat ein. Als im Frühjahr der Aufdruck »Deutsche Bundespost« von den Briefmarken verschwinden mußte, weil die Post privatisiert war, gab es für die Neubenennung zwei Alternativen: »Deutschland« oder »Bundesrepublik Deutschland« - ein Problem, das nicht nur Briefmarkensammler umtreibt.

Per Rundbrief ließ Bötsch zunächst die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer abstimmen. Ergebnis: ein klares »Ja« zu »Deutschland«. Doch da entdeckte die FDP eine Profilierungsmöglichkeit. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schien das »Deutschland«-Etikett gefährlich, es fördere »nationalistische Tendenzen«. Die Angelegenheit mußte ins Kabinett.

Vor den Ministern plädierte Bötsch für das schlichte »Deutschland«. Den vollen Ländernamen verwendeten eh' nur Liechtenstein oder der Vatikan (Kanzler Kohl: »Die haben's nötig"); Frankreich und Österreich schrieben »Republik«, und den Briten reiche sogar einfach das Konterfei ihrer Queen.

Die Freidemokraten hatten verloren. Innen- und Außenministerium stimmten für »Deutschland«, und als Arbeitsminister Norbert Blüm dann einwarf, »im Stadion rufen die Leute ja auch nicht Bundesrepublik«, war Bötschs Triumph perfekt. Der Kanzler versprach dem Postminister gar, ihn gegen kritische Postbenutzer in Schutz zu nehmen: »Schieben Sie es einfach auf mich.«

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