DFU Ein Stück gemeinsam
Vor lauter wahltaktischer Raffinesse standen sich CDU und SPD letzte Woche in völlig verdrehter Schlachtordnung gegenüber.
Die Sozialdemokraten - für gewöhnlich mit Weh-Klagen über den westdeutschen Polizeistaat beschäftigt - beschworen den Innenminister Gerhard Schröder, die Ordnung im Staat vor den Verfassungsfeinden der »Deutschen Friedens-Union« (DFU) zu schützen.
Der christdemokratische Verfassungsminister dagegen - mit Verboten und Verfügungen sonst schnell bei der Hand - hielt es für »abträglich«, über die Verfassungsfeindlichkeit der Friedens -Union auch nur zu diskutieren, obgleich das regierungsamtliche »Bulletin« schon am 7. März 1961 offiziell verkündet hatte: Kommunistische Politiker lenken aus dem Hintergrund die vorgeschobenen Persönlichkeiten der 'Deutschen Friedens-Union'.«
Im gleichen Monat hielten die Innenminister der sozialdemokratischen Bundesländer die Zeit für gekommen, aus den Feststellungen des »Bulletins« die Konsequenzen zu ziehen. Auf einer Routinekonferenz der Länder-Innenminister im Bonner Schröder-Ministerium schlugen die SPD-Vertreter vor, die Verfassungsmäßigkeit der DFU zu überprüfen, zumindest aber das deutsche Wahlvolk mit Material über diese »Fünfte Kolonne« zu versorgen.
Das SPD-Verlangen wurde von der CDU-Mehrheit der Innenminister mit dem Argument abgelehnt, es gehe nicht an, auf solche Weise Einfluß auf den Wahlkampf zu nehmen. Bis zum Beweis des Gegenteils gelte die Friedens-Union als legale, demokratische Partei.
Solchen bisher fehlenden Beweis vermögen die Christdemokraten auch nicht in dem Material zu sehen, das dem Verfassungsschutz vorletzte Woche in die Hände fiel, als in Rheinhausen bei Duisburg das ehemalige KPD-Vorstandsmitglied Oskar Neumann verhaftet wurde.
Diplom-Ingenieur Neumann hatte sich 1954 rechtzeitig aus dem westdeutschen Staub gemacht; er wurde in Abwesenheit vom Bundesgerichtshof als Organisator der »Volksbefragung gegen die Remilitarisierung« wegen Staatsgefährdung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. In Ostberlin wurde Neumann sogleich in den sogenannten Westapparat der SED eingebaut.
Auf Oskar Neumann geht der Einfall zurück, durch Ausnutzung einer Sammlungsbewegung - eben der Deutschen Friedens-Union - einen dritten, nunmehr großangelegten kommunistischen Versuch zu unternehmen, parlamentarischen Einfluß in der Bundesrepublik zu gewinnen.
Der erste Versuch, der 1950 unter Neumanns Leitung mit den Volksbefragungs-Aktionen begonnen worden war, scheiterte, als die KPD-Hintermänner vor Gericht gestellt wurden.
Die zweite Aktion bestand 1953 in der Gründung des »Bundes der Deutschen« mit Altreichskanzler Wirth; diesem Bunde wurde die Aufgabe zugewiesen, alle mit der KPD sympathisierenden Kräfte zu erfassen.
Zum drittenmal wurde im letzten Jahr zum Appell geblasen, als durch die Neuorientierung der SPD eine »heimatlose
Linke« entstand. Verkündete SED-Chef Walter Ulbricht Mitte Juni 1960 in Ostberlin: »In Westdeutschland muß die Arbeiterklasse ein wirkliches Programm des Kampfes um den Frieden haben und sich mit allen Gegnern der Atomrüstung bis zu den Kreisen der Bourgeoisie verständigen. Alle diese Kräfte müssen zusammengeschlossen werden und ein Stück des Weges gemeinsam gehen.«
Als geeignetes Instrument für ihre Pläne betrachteten die Kommunisten die kurz zuvor gegründete Deutsche Friedens-Union, in der sich gutgläubige Linkssozialisten und Neutralisten aller Couleur zusammengefunden hatten, die nicht mehr glaubten, die bestehenden Parteien wählen zu können.
Von den 158 Unterzeichnern des DFU -Gründungsaufrufs waren nicht weniger als 23 Universitätsprofessoren, elf Ärzte, 13 Pastoren und elf Lehrer.
Ulbrichts »Arbeiterklasse« hat sich nicht im bourgeoisen Bundesvorstand, sondern in der streng linientreuen Bundeswahlkampfleitung konzentriert.
Dieser DFU-Kommandozentrale gehören an:
- Helmut Bausch, ehemaliger Funktionär
im KP-Parteivorstand, Absolvent der sowjetzonalen Karl-Marx -Hochschule,
- Dr. Hans Brender, früher KPD, dann
»Bund der Deutschen«,
- Hermann Gautier, 1949 Jugendsekretär beim KP-Vorstand, später KP -Vorsitzender in Bremen und Absolvent einer KPD-Jahresschule in der Sowjetzone,
- Georg Hausladen, ehemals KP-Politsekretär
im »Schwerpunktkreis« Nürnberg, später Leiter der Organisationsabteilung im »Bund der Deutschen«,
- Paul B. Neuhöffer, im Jahre 1950
wegen Verbreitung kommunistischer Propaganda zu neun Monaten Gefängnis verurteilt,
- Georg Polikeit, ehemaliger FDJ -Funktionär, hauptamtlicher Mitarbeiter des Weltbundes der demokratischen Jugend,
- Heinz ("Nico") Dreibroth, ehemaliger
FDJ-Funktionär, Absolvent der SED -Landesparteischule Meißen und der Karl-Marx-Hochschule.
Über diese Wahlkampfleitung, von deren acht Mitgliedern bis zum KPD -Verbot sieben hauptamtliche Funktionäre von KP-Organisationen gewesen waren, wollte Oskar Neumann aus Ostberlin den Bundeswahlkongreß beeinflussen, den die DFU am vorletzten Wochenende in Wiesbaden veranstaltete.
DFU-Unterwanderer Neumann hatte den Wiesbadener Kongreß für so wichtig gehalten, daß er sich - unter falschem Namen - selbst in die Bundesrepublik aufmachte, um dem DFU - Wahlkampf - Funktionär Gautier letzte Anweisungen zu geben. Doch noch bevor er Gautier getroffen hatte, wurde Neumann verhaftet. Gautier wurde in Köln festgenommen.
Indes: In deutlichem Gegensatz zu der Bonner Gepflogenheit, die Ergreifung auch kleiner Staats- und Verfassungsfeinde mit wichtigtuerischen Hinweisen auf den Ernst der Lage und die Bedrohung aus dem Osten zu dramatisieren, wurde dieser ungewöhnliche Fang mit einer spröden Notiz von wenigen Zeilen abgetan.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die den Weisungen des Bundesjustizministers zu folgen hat, gab die Verhaftung Neumanns und Gautiers bescheiden als eine Art Routine-Akt bekannt; von Neumanns Verbindung zur DFU war in der Verlautbarung überhaupt nicht die Rede.
Tatsächlich aber wurden bei Neumann und Gautier Dokumente gefunden, die - zumindest nach Ansicht der Fachleute des Verfassungsschutzes - ein Verfahren gegen die DFU vor dem Bundesverfassungsgericht möglich erscheinen lassen.
Innenminister Schröder jedoch ließ verbreiten, er sei unsicher, ob das Material für einen Verbotsantrag genüge.
SPD-Sprecher Barsig: »Dreimal dürfen Sie raten, weshalb die DFU noch nicht verboten wird.«
Die »Zeit« des CDU-Abgeordneten Dr. Gerd Bucerius gab darauf letzte Woche
lakonisch Antwort: »Der SPD käme es wohl sehr gelegen; wenn die DFU, die ihr manche Stimmen kosten kann, der politischen Arena verwiesen werden könnte. Aus demselben Grunde scheint die CDU aber an einem Verbot nicht sonderlich interessiert zu sein.«