KIRCHE »Ein Trauerspiel«
SPIEGEL: Ärgert es Sie als Kirchentagsmitinitiatorin, dass nun doch ein katholischer Priester suspendiert wurde, weil er von einem protestantischen Pfarrer das Abendmahl angenommen hatte?
Käßmann: Ja, ich bin enttäuscht. Die Suspendierung entspricht zwar geltendem römisch-katholischem Recht. Aber es gibt längst vielerorts eine gegenseitige Gastbereitschaft, die auch praktiziert wird. Der Ökumenische Kirchentag in Berlin hat doch deutlich gezeigt, dass der Wunsch nach gemeinsamem Abendmahl bei Katholiken ebenso stark ist wie bei Protestanten.
SPIEGEL: Wie wirkt die drohende Disziplinierung auf Sie und auf Ihre Kirche?
Käßmann: Evangelische Kirchenleitungen können sich natürlich schlecht in innerkatholische Personalangelegenheiten mischen. Aber ich will doch sagen, dass ich den Vorgang für ein ökumenisches Trauerspiel halte. Zumal drei renommierte ökumenische Institute kürzlich erklärt haben, aus theologischer Sicht stehe der gegenseitigen Gastbereitschaft nichts im Wege.
SPIEGEL: Seit Jahrzehnten verhandelt Ihre Kirche mit den Katholiken über mehr Gemeinsamkeit, aber man hat nicht einmal erreicht, gemeinsam das Abendmahl feiern zu können ...
Käßmann: ... wo es doch die Feier der Gemeinschaft mit Gott und untereinander ist. Das ist tatsächlich ein Skandal, im griechischen Sinne des Wortes: ein Ärgernis. Wie können wir die Welt zur Versöhnung rufen, wenn es uns in der Kirche so schwer fällt?