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AUFRÜSTUNG Ein Tropfen Blut

aus DER SPIEGEL 47/1966

Südamerikas Luftsoldaten wollen umrüsten: auf neueste Düsenjäger-Modelle und überschallschnelle Kampfflugzeuge.

Die Argentinier fingen an. Sie kauften in den USA 25 Douglas A-4B Skyhawk-Düsenkampfflugzeuge. Daraufhin

- bestellte Chile im Oktober für 20 Millionen Dollar 21 englische Hawker Hunter Jets,

- gab Peru seine Pläne bekannt, 16 doppelschallschnelle BAC-Lightning -Kampfflugzeuge und fünf Hawker Hunter in Großbritannien zu kaufen,

- verhandelt Venezuela mit Schweden über die Lieferung von 20 doppelschallschnellen Saab-Draken-Allwetter-Abfangjägern.

Jorge Salvador Lara, Außenminister von Ecuador, beschwor den US-Außenminister Dean Rusk, den »katastrophalen Waffenwettlauf« mit allen Mitteln zu verhindern. Denn Südamerikas Militärs haben genügend Gründe, ihre Waffen auch zu erproben.

Neun der elf selbständigen Staaten des Subkontinents, der 72mal so groß ist wie die Bundesrepublik, aber nur ein Achtundzwanzigstel ihrer Bevölkerungsdichte hat, stellen gegenseitig Gebietsansprüche und streiten sich um Grenzlinien oder Schiffahrtswege (siehe Karte).

Den Keim des Familienzankes haben die spanischen Kolonialherren hinterlassen: zu wenige Grenzsteine und mangelhaftes Kartenmaterial. Mit zunehmender Besiedlung und der Entdeckung wertvoller Bodenschätze sahen die Regierungen genauer auf die Grenzpfähle ihrer Länder.

Im vergangenen Monat erneuerte Boliviens Präsident, Luftwaffengeneral Barrientos, den Anspruch seines Landes auf Zugang zum Pazifik und auf den Hafen von Antofagasta. Im Salpeterkrieg (1879 bis 1884) hatte Chile den Bolivianern die Kupferprovinz Antofagasta genommen und ihnen damit die Verbindung zum Meer abgeschnitten.

Jetzt sah Chiles Armee, seit 1884 in ihre Quartiere verbannt, die Gelegenheit gekommen, zur Verteidigung des Vaterlandes Truppen an die bolivianische Grenze zu senden.

Die Chilenen streiten auch mit den Argentinlern. Bis heute konnten sich beide Länder noch nicht über den exakten Verlauf ihrer etwa 4500 Kilometer langen Grenze einigen.

Die Argentinier wiederum beanspruchen die Falklandinseln vor ihrer Küste, die seit 133 Jahren unter britischer Herrschaft stehen. Argentinien-Präsident Ongania: »Die Rückgewinnung ... ist ein tiefes Anliegen der Vaterlandsliebe jedes Argentiniers.«

18 junge argentinische Nationalisten trieben die Vaterlandsliebe weiter, als dem Staatschef lieb war: Sie zwangen Ende September ein Linienflugzeug der Aerolineas Argentinas (Flug 648 Buenos Aires - Rio Gallegos), auf einer Pferderennbahn der Malwinen-Hauptstadt Port Stanley zu landen. Zwei Tage lang hielten sie dort die von ihnen gehißte Fahne Argentiniens hoch; dann ergaben sie sich dem Pfarrer des Ortes.

Auch mit ihrem nördlichen Nachbarn Paraguay haben sich die Argentinier seit einem Jahr angelegt. Auf den Grenzflüssen Paraguay und Paraná, der

einzigen Verbindung Paraguays mit dem Meer, brachten sie paraguayische Schiffe auf und verwehrten ihnen die Durchfahrt.

Einige hundert Kilometer den Paraná aufwärts ist Paraguay mit Brasilien in Streit geraten. Die Brasilianer beanspruchen die 114 Meter hohen Guayra -Fälle im Parané, an denen sie Südamerikas größtes Kraftwerk (Leistung: zehn Millionen Watt) errichten wollen.

Zur Unterstützung ihres Anspruchs ließen sie ein Bataillon dort aufmarschieren. Doch Alfredo Stroessner, Paraguays Diktator mit bayrischem Blut, ließ sich vom Goliath an seiner Grenze nicht einschüchtern: »Wir werden jeden Wassertropfen mit einem Tropfen edlen Blutes verteidigen.«

Wasser treibt auch die Mühle des hundert Jahre alten Streites zwischen Peru und Ecuador. 1941 hatte Peru in einem Blitzfeldzug 200 000 Quadratkilometer ecuadorianischen Gebietes an den Quellflüssen des Amazonas besetzt. Doch Ecuadors Patrioten haben den Verlust fast der Hälfte ihres Territoriums noch nicht verschmerzt und zanken noch um den Grenzverlauf.

Gleich zwei Drittel des Territoriums von Guayana - 155 000 Quadratkilometer - beanspruchen die Venezolaner. In dem Gebiet liegen reiche Vorkommen von Gold, Bauxit, Mangan, Diamanten und Erdöl.

Zur Begründung seiner Ansprüche legte Venezuela jetzt über 3000 Dokumente vor und besetzte Mitte Oktober schon ein Stückchen Guayana: die 7,5 Quadratkilometer große Grenzfluß -Insel Ankoko.

Für ihre kleinen und großen Armeen geben die Südamerikaner 1,7 Milliarden Dollar aus - mit 1,2 Milliarden Entwicklungshilfe füttern die USA ihre armen südlichen Verwandten pro Jahr.

Über Grenzgezänk und Aufrüstung im Süden beunruhigt, kürzte Washington den Lateinern jetzt die Militärhilfe von 55 Millionen Dollar um neun Prozent. Daraufhin gingen die Einkäufer aus Südamerika auf den europäischen Markt. Europas Rüstungsindustrie liefert ihnen das gewünschte Kriegsmaterial zum Teil billiger als die USA.

Argentinische Falkland-Invasoren

Vor dem Pfarrer kapituliert

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