»Ein Wolf in Menschengestalt«
Während der vier Jahre, da ich Tschiang Tsching betreute, habe ich sie nie die Werke des Vorsitzenden Mao studieren sehen. Dessen große Verdienste herabwürdigend, sagte sie uns einmal in aller Offenheit: »Die in der Abhandlung »Reden bei der Aussprache in Jenan über Literatur und Kunst' des Vorsitzenden Mao enthaltenen Gedanken stammen praktisch alle von mir.«
Sie versuchte, den Vorsitzenden Mao von Nachrichten abzuschirmen. Wer ihm Lageberichte erstattete, den haßte sie. Kam unser geliebter Ministerpräsident Tschou En-lai, dann wies sie die Angestellten an, ihm keinen Tee vorzusetzen.
Wiederholt hat sie den Vorsitzenden Mao, der sie immer wieder kritisierte und zu bessern suchte, hinter dessen Rücken in giftiger Weise angegriffen. Selbst während seiner schweren Krankheit setzte sie ihre Ausritte zu Pferde fort. In der kritischen Phase der Krankheit drehte sie den Körper des Vorsitzenden Mao auf die Seite, was seinen Tod beschleunigte.
Von morgens bis abends träumte sie davon, die Macht der Partei zu ergreifen. Oft sang sie haßerfüllt einen Vers aus einer alten Peking-Oper: »Wie schade, daß ich in der Hand kein Mordmesser habe.« Sehr schätzte sie einen westlichen Film, in dem die Thronbesteigung, die Regierungszeit und das luxuriöse Leben einer Königin gezeigt werden, die zuletzt dem Vaterland den Rücken kehrt und ins Ausland flüchtet*.
Tschiang Tsching, die in Jenan als Sekretärin Maos einen militärischen Rang innehatte, behielt diesen auch nach 1949 bei. Bei jeder Gelegenheit benutzte sie die ihr von Je Tschün, der Frau Lin Piaos, geschenkten Uniformen der drei Waffengattungen: Im Flugzeug trug sie die Uniform der Luftwaffe, Kampfschiffe besichtigte sie in der Marine-, Bodentruppen in der Infanterieuniform.
Tschiang Tsching liebte einheimische Filme nicht, über sie sagte sie: »Sie anzusehen ist sehr anstrengend, sie machen einen schwitzen.« Doch an Filmen aus der Zeit vor 1949 und an den für teure Devisen aus * Vermutlich: »Königin Christine« mit Greta Garbo.
dem Ausland eingeführten dekadenten Filmen pornographischen Inhalts sowie den Filmen über Mord- und Raubthemen hatte sie eine Riesenfreude. Über solche Filme äußerte sie etwa: »Sie entspannen und lassen mich auf andere Gedanken kommen. Das Niveau der Schauspieler ist hoch, die Farben sind prächtig, und die Musik ist voller Imagination.«
Sie ließ westliche Filmmusik auf Tonband aufnehmen und beim Essen mit der Begründung abspielen: »Diese Musik ist appetitanregend und übt eine beruhigende Wirkung aus.« Die revolutionären Lieder unseres Landes schmähte sie dagegen mit Worten wie: »Wenn ich sie höre, bin ich um meinen Appetit gebracht. Sie machen nervös und rufen Schweißausbrüche hervor.« Ausländische Negligés liebte sie über alles. Häufig aß sie nach ausländischer Art zubereitete Speisen, und oft beschimpfte sie das Pekinger Klima: zuviel Wind und Sand.
Um die mondänen Frauen der westlichen Bourgeoisie nachzuahmen, hielt sie sich einen Hund -- auch Jao Wen-jüan schenkte sie einen, mit ihm ging sie spazieren, sah sie sich ausländische Filme an. ja selbst zu Truppeninspektionen nahm sie den Hund mit. Sie hieß uns den Hund zu waschen, mit einem Badetuch abzutrocknen und zu kämmen.
Oft ging sie mit Tschang Tschuntschiao und Jao Wen-jüan aus, um sich zu amüsieren. Verschlug es sie in öffentliche Parkanlagen, ließen sie ein Schild anbringen: »Wegen Reparaturarbeiten vorübergehend geschlossen«, um so ungestört Boot fahren, reiten, Bridge spielen, nach Lust und Laune essen und trinken und sich zügellos Vergnügungen hingeben zu können.
Tschiang Tsching aß täglich gut und kleidete sich täglich gut. Nie arbeitete sie manuell.
Als sie einmal beim Volkskongreß von einem Saal zum anderen ging, wollte sie unterwegs Wasser trinken. Ich lief schnell, um ihr ein Glas zu holen, kam aber ein bißchen verspätet zurück. Darauf schalt sie mich lautstark »Taugenichts« und warf das gefüllte Glas gegen meinen Kopf.
Sie züchtigte viele Leute. Die bei ihr Dienst Tuenden mußten oft »Strafe stehen« und Schläge einstecken. Einige wurden sogar zur Strafe eingesperrt. Als ich ihr einmal Widerrede leistete, erfand sie ein Vergehen und entzog mir ein Jahr lang die Freiheit:
Sie hatte mir deutlich gesagt, ich solle die Zimmertemperatur auf 26 Grad einstellen. Hinterher erkältete sie sich und behauptete nun, sie habe doch 27 Grad verlangt, warum ich denn nur 26 Grad eingeschaltet hätte. Sie wollte mich zwingen, einzugestehen, daß ich ihr Schaden zufügen wollte.
Ich fragte, wo und wann sie mich aufgefordert hätte, 26 Grad einzustellen. Darauf fuhr sie mich an: »Wer hat dich mir zugeteilt? Du wagst mir zu widersprechen? In diesem Fall sperre ich dich ein.«