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GEMEINDEN / LÖWENPARK Eine Art Dschungel

aus DER SPIEGEL 23/1968

Den Singsang einheimischer Finken und Meisen übertönt uriges Gebrüll zotteliger Exoten. Afrikanische Raubkatzen streifen durch rheinisches Brombeergesträuch und Birkengehölz. Löwenrudel balgen sich im deutschen Wald -- in Westdeutschlands erstem Löwenpark, der letzte Woche zwischen den Dörfern Tüddern und Süsterseel nordwestlich von Aachen eröffnet wurde.

Preiswert können Bundesbürger seither dort jenen Nervenkitzel nachempfinden, für den Afrika-Touristen teuer bezahlen müssen: Zehn Mark je Auto kostet der Einlaß durch die elektronisch gesteuerte Gitterschleuse zur Photo-Safari in dem zehn Hektar großen Waldstück, wo zur Zeit 32 Löwen frei umherlaufen. Attraktion des auch zur Winterzeit geöffneten Freigeheges: Löwen im Schnee.

Die Idee, Deutschen daheim Safarigefühl zu vermitteln, stammt von dem Süsterseeler Dompteur und Artisten Hans Rosenberg, 42. Als Partner wählte er den Schausteller Gottlieb Löffelhardt, 35, und den Bildhauer Richard Schmidt, 42, »weil wir unsere Erfahrungen haben (Schmidt).

Löffelhardt, Besitzer mehrerer Achterbahnen und anderer Rummelplatz-Fahrgeschäfte, und Schmidt, der für das Fernsehen Puppenfilme produzierte, hatten voriges Jahr in Brühl bei Bonn »Phantasialand« gegründet -- eine deutsche Variante von »Disneyland« mit Miniatur-Wildwesteisenbahn, Oldtimer-Autobahn, Piratenhöhle und einem Meinen See, auf dem die Besucher mit Wikingerbooten herumschippern können.

In der Hoffnung, daß sich so ein Fremdenstrom bald in den bislang touristisch noch unterentwickelten Landstrich nahe der holländischen Grenze ergießen werde, verpachtete Tüddern den Löwen-Leuten einen Gemeindewald, von dem -- so Amtsdirektor Josef Laumen -- »wir sonst ja nichts haben«.

Löffelhardt und Schmidt investierten rund eine Dreiviertelmillion in das Unternehmen. Allein der vier Meter hohe Gehegezaun -- innen abg& sichert durch Drähte, die unter Strom stehen -- kostete 160 000 Mark. Sie legten drei Kilometer Fahrwege an und kauften für den Transport von nicht selber motorisierten Löwenparkbesuchern zwei zur Tarnung gelbbraun-fleckig gespritzte Safaribusse.

Aufseher, mit Dompteurpeitschen, Gewehren und Schock-Pistolen bewaffnet und mit Funksprechgeräten ausgerüstet, patrouillieren in schwarzweiß gestreiften Land-Rovers durch das Gelände. Für liegengebliebene Besucher-Autos -- das Verlassen der Fahrzeuge ist verboten -- steht ein Abschleppwagen bereit.

Die 32 Wüstentiere (Schmidt:« Was glauben Sie, wie die sich vermehren") kauften die Safari-Manager in ganz Europa zusammen, Stückpreis: zwischen 1000 und 4000 Mark. Der jüngste Freilandlöwe, Mädi, acht Monate, stammt aus dem ostafrikanischen Kenia und wurde von einem schweizerischen Tierhändler nach Tüddern geliefert.

Demnächst wollen die Tierparkunternehmer Westdeutschlands Grenzlandschaft noch mit anderen Exoten bevölkern. In einer Kiesgrube neben dem Löwenpark planen sie »eine Art Dschungel« -- mit künstlichen Tropenpflanzen und echten Nilpferden.

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