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PLO Eine Heimat

Zum zweiten Mal mußte PLO-Chef Arafat den Libanon verlassen - diesmal von Arabern vertrieben. *
aus DER SPIEGEL 52/1983

Verteidigungsminister Mosche Arens enthüllte, wie die Israelis Jassir Arafat endgültig ausschalten wollten: Im mörderischen Bruderkrieg zwischen den beiden Fatah-Fraktionen in Tripoli sollten »beide siegen«. Israelische Flugzeuge und Kriegsschiffe versuchten deshalb, den Abzug Arafats und seiner Getreuen aus der umkämpften libanesischen Hafenstadt zu blockieren.

Bis letzten Mittwoch, zwölf Uhr mittags, wollten sie mit ihrer drohenden Präsenz zur See und in der Luft, gelegentlichem Feuer und der gezielt gestreuten Meldung über die Verminung der Hafenausfahrt die reisebereiten Arafat-Anhänger auf den Kais von Tripoli festhalten.

Dann nämlich wäre ein Waffenstillstand zwischen dem PLO-Chef und den PLO-Rebellen unter Abu Mussa ausgelaufen - die Arafat-Feinde hätten den vielleicht letzten Sturm auf ihre einstigen Waffenbrüder begonnen.

Am Tage vor der Schlacht aber konnte Arafat mit rund 4000 Kämpfern fünf griechische Schiffe besteigen, die unter Uno-Flagge in See stachen, geleitet von französischen Kriegsschiffen. Israels Flugzeuge und Schnellboote ließen den Konvoi passieren - Minen hatten sie nie gelegt. Denn in einem komplizierten Zusammenspiel zwischen Syrien und Saudi-Arabien, Frankreich und den Vereinigten Staaten war ein Übereinkommen erzielt worden, das auch Israel nicht torpedieren wollte: Jerusalem hätte seine gerade wieder aufblühenden Beziehungen zu Washington erneut schwer belastet.

Überlebenskünstler Arafat war also zunächst wieder einmal davongekommen. 15 Monate nach seinem ersten Exodus aus Beirut schlüpfte er letzte Woche aus der scheinbar zuschnappenden Falle Tripoli.

Zwar wurde er diesmal nicht wie der moralische Sieger im Kampf gegen eine israelische Übermacht gefeiert, denn vertrieben hatten ihn jetzt arabische Brüder - in stiller Komplizenschaft gleichsam mit Israel, das damit das Ziel seiner Libanon-Invasion doch noch erreichte: Die in der PLO organisierte palästinensische Nationalbewegung ist vorerst gelähmt, teils von Syrien vereinnahmt, teils über See deportiert. Für ein palästinensisches Vaterland, von den Arabern immer wieder pathetisch gefordert, scheint in Nahost kein Platz zu sein.

Nicht Araber, sondern Europäer wie Italiens Präsident Sandro Pertini forderten nach Arafats erneuter Vertreibung »eine Heimat für die Palästinenser, die nun (wie einst die Juden) durch die Welt wandern«.

Sogar beim israelischen Erbfeind glaubten viele, daß das Debakel der PLO ein Comeback ihres Chefs nicht ausschließe. »Superliberale im Westen«, schimpfte der nationalistische Politiker Eljakim Haetzni, »werden helfen, den romantischen Banditen wieder aufzuwerten.«

Andere Israelis sahen das Ende des Tripoli-Dramas für Israel weniger negativ, denn auch ihr Land hatte eine Bedingung durchgesetzt: Arafats Krieger durften beim Auszug ihre schweren Waffen nicht mitnehmen.

Die Franzosen hatten verlangt, daß diese Waffen nicht etwa PLO-nahen Milizen übergeben werden, sondern der libanesischen Armee. Den geleitbietenden Franzosen mußte der PLO-Chef weitere wichtige Zusagen machen: *___die PLO werde in Zukunft auf Gewaltakte in Frankreich ____oder gegen französische Ziele verzichten (den ____hilfreichen Griechen versprach Arafat ähnliches); *___die PLO arbeite mit Frankreich bei der Abwehr anderer ____Untergrundorganisationen zusammen; sie soll schon bei ____der Enttarnung zweier Terroristen-Zellen und der ____Verhinderung eines Attentats geholfen haben.

Die Internationalisierung des Bruderkampfes der Arafat-Fatah gegen die Mussa-Fatah in Tripoli hatte so begonnen: Das radikale Syrien unterstützte den gegen Arafats versöhnlicheren Kurs rebellierenden Abu Mussa, während Saudi-Arabien wie bisher schon dem PLO-Chef die Treue hielt.

Als den Arafat-Anhängern dank syrischer Militärintervention die totale Niederlage drohte, griffen die reichen Saudis ein: Sie kündigten den Syrern eine Kürzung oder gar Streichung der jährlichen Wirtschaftshilfe von 840 Millionen Dollar an.

So unter Druck gesetzt, stahl Syrien dem Rebellen Abu Mussa den Sieg. Über den syrischen Rundfunk erfuhr er von einem zwischen Damaskus, Riad und Arafat ausgehandelten Kompromiß: Seine Truppen hätten einen Waffenstillstand mit Arafat geschlossen, beide Parteien würden Tripoli verlassen, die Arafat-Streitmacht per Schiff.

Mussa mußte die Lösung hinnehmen. Aber ein anderer Arafat-Feind stellte sie in Frage - Israel. Jerusalem wollte mit der PLO nicht nachsichtiger verfahren als die Araber.

Verteidigungsminister Arens verlangte, vor einem Abzug müßten die Arafat-Männer ihre Waffen niederlegen und sich für die Zukunft öffentlich von Terroraktionen lossagen. Forderungen, die der PLO-Chef unmöglich erfüllen konnte und die wohl auch nur deklamatorischen Wert hatten.

Da schickte US-Präsident Reagan seinen Sonderbotschafter Donald Rumsfeld nach Israel. Der forderte in einem Vier-Augen-Gespräch ohne Protokoll mit Premier Schamir ultimativ, die Israelis müßten Arafat ziehen lassen. Schamir stimmte zu, ohne Arens zu informieren.

Washington griff ein, weil Saudi-Arabien, Amerikas wichtigster Partner in der arabischen Welt, es verlangt hatte. Wenn Reagan nichts getan hätte, wären die USA endgültig als Handlanger der Israelis abgestempelt gewesen.

In seinen letzten Tripoli-Tagen hatte sich Arafat Israel gegenüber gemäßigt gegeben. Der Anschlag auf einen Autobus in Jerusalem sei vielleicht ein bedauerlicher Fehler gewesen. Seinen französischen Beschützern gegenüber, so wurde in Kairo bekannt, soll Arafat gar Gespräche mit Israel nicht mehr ausgeschlossen haben.

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