VERSICHERUNGEN / KFZ-HAFTPFLICHT Einig in der Werkstatt
Ein bißchen Englisch sollten Deutschlands Autofahrer verstehen, denn wenn es gekracht hat, müssen sie zwischen »Drive-in« und »Drive-out« unterscheiden können. So wollen es die westdeutschen Haftpflicht-Versicherer.
Nach dem Drive-in-System regulieren die Allianz und 20 weitere Unternehmen Kfz-Schäden. Der am Unfall schuldlose Fahrer kann sogenannte Schnelldienst-Stationen der Versicherungen aufsuchen (Drive-in), wo Fachleute die Kosten für Reparatur und Mietwagen schätzen und auf Wunsch das Geld gleich auszahlen (SPIEGEL Nr. 38/1967).
Damit wollten die Firmen die Kosten der Kfz-Haftpflicht unter Kontrolle bringen, die seit 1960 von durchschnittlich 617 Mark je Schadenfall auf 1100 Mark gestiegen waren. Die Assekuranz wußte, daß besonders die Reparaturrechnungen häufig durch zu aufwendige oder zusätzliche Arbeiten aufgebläht wurden, die Werkstatt und Kunde auf Kosten der Versicherung augenzwinkernd miteinander vereinbarten.
Auch sogenannte Unfallberater halfen, die Schadensummen hochzutreiben. In Nürnberg beispielsweise ließ sich der Inhaber einer Leihwagenfirma und Teilhaber einer Autowerkstatt von Rentnern gegen 20 Mark Tip-Honorar telephonisch an Unfallorte rufen; dort nahm er den schuldlosen Fahrer unter seine Fittiche und leitete ihn den eigenen Firmen zu. Auf der Endabrechnung erschienen dann neben deftigen Beträgen für Reparatur und Mietwagen zusätzlich »Finanzierungskosten«.
Durch das Drive-in-System verschafften sich die Versicherungen eine genaue Vorstellung von den Schäden und der voraussichtlichen Höhe der Kosten. Daß auch den Werkstätten der einmal geschätzte Betrag gewisse Hemmungen auferlegte, sahen die Versicherer als weiteren Vorteil an. Es war aber zugleich eine Schwäche der Methode, denn darin lag Stoff für Arger.
»Grundsätzlich und kategorisch« lehnt zum Beispiel die bayrische Landesinnung des Kraftfahrzeughandwerks die Schnelldienst-Schätzungen ab. Viele Schäden könnten »von außen her« gar nicht erkannt werden, auch gebe es keinen Fachmann, der mit allen Autotypen gleich vertraut sei. Überdies komme ein Kraftfahrer, der sich bei der Drive-in-Station sofort bar auszahlen lasse, in Versuchung, die Reparatur in billiger Schwarzarbeit oder gar selbst auszuführen, um einen Teil des Geldes als Gewinn einzustecken.
Den Beifall der Kfz-Meister fand jedoch das Drive-out, das die Nürnberger Allgemeine Versicherungs-AG mit zwei weiteren Assekuranzfirmen betreibt. Es funktioniert so: Ein Kraftfahrer, der durch einen Kunden der Nürnberger zu Schaden gekommen ist, bringt sein ramponiertes Auto zu einer Werkstatt eigener Wahl und verständigt dann die Versicherung; die schickt sogleich einen ihrer 40 Sofort-Regulierer (Drive-out), der zusammen mit dem Werkstatt-Personal und möglichst auch dem Geschädigten die Reparaturkosten taxiert,
Wenn sich alle Beteiligten einig geworden sind, braucht der Besitzer des Wagens nichts mehr zu bezahlen. Die Versicherung kommt für die Rechnung und auch für die Kosten eines Leihwagens auf, den der Drive-out-Mann an Ort und Stelle vermittelt. Seine Gesellschaft erhält als Großkunde von der Leihwagenfirma Rabatt.
So zufrieden sind die Werkstatt-Inhaber mit dem neuen System, daß sie für die Nürnberger Allgemeine Zutreiberdienste verrichten. In acht von zehn Fällen veranlassen die Werkstätten das Drive-out.
Auch die Nürnberger Versicherer haben bislang mit ihrer Neuheit gute Erfahrungen gemacht. Die Regulierer konnten in allen Fällen Einigkeit über die Höhe der Reparaturkosten herbeiführen, denn, so Schaden-Manager Konrad Falk von der Nürnberger Allgemeinen: »Der Kraftfahrer ist vernünftiger, als man annimmt, wenn er sich gut behandelt weiß.«