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LIECHTENSTEIN Einladung zur Geldwäsche

Wer Kapital vor dem Zugriff des Fiskus verstecken will, findet im Fürstentum Liechtenstein willige Helfer. Die Treuhänder versichern gern, nur legal zu arbeiten. In einem Dossier des Bundesnachrichtendienstes steht eine andere Version: Mafia-Organisationen, Drogenkartelle und russische Großkriminelle werden geradezu in den Zwergstaat eingeladen.
Von Georg Mascolo
aus DER SPIEGEL 45/1999

Die Hilfe kam von ganz oben. Liechtensteins Regierungschef Mario Frick nutzte eine Investment-Tagung im Fürstentum, um den Ruf des Finanzplatzes aufzupolieren. »Sorgfalt« sei bei der Entgegennahme von Geldern oberstes Gebot. Mit der Revision des Bankgesetzes, dem neuen Sorgfaltspflicht-Gesetz und der Verabschiedung von Strafbestimmungen gegen Geldwäsche und Insiderhandel habe sein Land die notwendigen Schritte zur Verhütung der Finanzkriminalität gemacht.

Auch Wirtschaftsminister Michael Ritter widersprach den weltweiten Kritiken, die in dem Zwergstaat nicht nur einen Zufluchtsort für das Kapital erfolgreicher Unternehmer sehen, sondern auch eine ideale Spielwiese für Geld- und Ganovenadel. Liechtenstein verfüge über eine »griffige, europäischen Standards entsprechende Missbrauchsgesetzgebung«.

Über das angebliche Reinheitsgebot für den Finanzverkehr und die vermeintlichen Saubermänner in der Steueroase können die Regierenden in Deutschland nur gequält lächeln - sie wissen es besser.

In den Giftschränken der entscheidenden Ressorts des Schröder-Kabinetts liegt ein Dossier, das der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, Anfang April ablieferte. Das Kanzleramt, Joschka Fischers Diplomaten, Hans Eichels Finanzexperten und Otto Schilys Verbrechensbekämpfer werden darin auf knapp 30 Seiten über krumme Geschäfte von Staats wegen informiert. Das Geheimpapier liest sich, als sei die Schreckensvision aller seriösen Regierungen schon Realität: Ein ganzes Land, mitten in Europa, soll sich den Kriminellen in aller Welt als Handlanger andienen - eben das Fürstentum Liechtenstein.

Zu der hofierten Kundschaft, notierte der BND penibel, gehörten »lateinamerikanische Drogenclans, italienische Mafiagruppierungen und russische OK-Gruppen«. Sie alle würden nicht nur als Anleger geduldet, sondern mit »maßgeschneiderten Finanzdienstleistungen« zur Wäsche ihres schmutzigen Geldes angelockt. Und das alles gefahrlos: Denn solche Geschäfte in Liechtenstein, urteilt der deutsche Auslandsgeheimdienst, würden geschützt durch »ein Geflecht aus Beziehungen von hohen Beamten, Richtern, Politikern, Bankdirektoren und Anlageberatern, die sich bei der Abwicklung illegaler Geldgeschäfte im Auftrag internationaler Krimineller gegenseitig unterstützen«.

Der amtliche Befund ruiniert die ohnehin schon ziemlich ramponierte Reputation des Zwergstaates endgültig. Versteckt zwischen Österreich und der Schweiz, beherbergt das Fürstentum auf gerade mal 160 Quadratkilometern rund 32 000 Einwohner und mehr als doppelt so viele Stiftungen, in denen mindestens 200 Milliarden Schweizer Franken fast spurlos verschwunden sind.

Das geschieht gewöhnlich innerhalb weniger Stunden. Der Anleger wählt unter den 120 zur Verschwiegenheit verpflichteten Treuhändern des Landes einen aus, der Namen und Adresse für eine Stiftung hergibt und die Briefkastenfirma verwaltet. Nach Ausstellung der Stiftungsurkunde eröffnet die Gesellschaft auf ihren Namen ein Konto und legt das Geld an. Nach außen gilt der Strohmann als Besitzer des Vermögens, die wahren Eigentümer bleiben anonym und können sich in der Heimat folgenlos Steuerzahlungen sparen.

Das Versteckspiel nährt die Einwohner glänzend. Jeder zweite Beschäftigte ist im Geldgewerbe oder Treuhandwesen tätig. Sie alle mühen sich von früh bis spät, den Ruf zu festigen, eine der diskretesten Fluchtburgen für das scheue Kapital zu sein. Das Bankgeheimnis ist Staatsdoktrin, zudem gibt es ein Anwalts-, ein Treuhänder- und ein Steuergeheimnis.

Ein scheinbar perfekter Schutz. Erst einmal wurde die Schweigemauer durchbrochen, als es dem SPIEGEL (51/1997) gelang, mit Hilfe einer Diskette etliche Namen der Stifter im Dunkeln zu enttarnen. Das führte zu einer Flut von Steuerstrafverfahren.

Jetzt glückte dem BND ein weiterer Coup. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Bundesregierung dem Geheimdienst in den vergangenen Jahren neue Prioritäten bei der Informationsbeschaffung aufgegeben - Geldwäsche und Drogenhandel, die Geschäfte internationaler Verbrechersyndikate sollen aufgeklärt werden.

Liechtensteins Diskretion ist die moderne Kommunikation und die Nähe zur deutschen Grenze zum Verhängnis geworden. In den Ausläufern des Schwarzwaldes betreibt der Dienst seine leistungsfähigste Lauschanlage. Die Station ist auf das Abhören des sogenannten Intelsat-Satellitensystems spezialisiert. Außer über Telefon und Fax wickeln Banken weltweit ihren Datenaustausch auch über den Satellitenweg ab.

Seit 1996 zapft der BND gezielt den nächtlichen Datentransfer der Geldhäuser an - solange keine deutschen Kunden und keine deutschen Institute betroffen sind, gelten praktisch keinerlei Restriktionen. Ein Treffer kam zum anderen, die krumme Kundschaft des Fürstentums und ihre Helfer wurden aussortiert.

Im »Weltzentrum der Briefkastenfirmen«, so der BND, würden etliche Anwälte und Berater auf den ersten Blick völlig legalen Geschäften nachgehen. Doch ein erheblicher Teil der rund 120 Treuhänder würde gleichzeitig »ein sehr ertragreiches Standbein in der Illegalität« unterhalten. Ihren Einfluss und ihre Reputation würden die schwarzen Schafe »gegen entsprechendes Entgelt zum Vorteil organisierter krimineller Gruppen zur Verfügung stellen«. So zählten der südamerikanische Drogenbaron Pablo Escobar vom Medellín-Kartell und das Cali-Kartell zu ihren Kunden.

Nur selten wurde bisher ein Fall bekannt, der einen solchen Verdacht nährt: Im August 1996 verhaftete die amerikanische Drogenpolizei DEA den Schweizer Finanzier Karl G. Burkhardt in der Wandelhalle des Luxushotels Ritz-Carlton in Alexandria bei Washington. Der »Geldwäscher der Weltklasse« (DEA) war den US-Agenten von Szenekennern als Spezialist für die Legalisierung größerer Summen Drogengelder genannt worden.

Ein V-Mann stellte ihm eine Falle. Er übergab Burkhardt, nachdem der schon drei kleinere Transaktionen abgewickelt hatte, einen Koffer mit zwei Millionen US-Dollar. Der Schweizer schwärmte laut Anklageschrift von den Möglichkeiten, per Offshore und Liechtensteiner Bankkonten das Geld zu waschen. Liechtenstein habe noch nie Auskünfte über Bankkonten an fremde Staaten erteilt.

Wenn - ausnahmsweise - solche Fälle aufflögen, so der BND in seinem Dossier, würden manche Treuhänder »eine besondere Fähigkeit entwickeln, bei Nachforschungen zur rechten Zeit und an den richtigen Stellen Gedächtnislücken zu haben«.

War es auch so im Fall Burkhardt? Der in den amerikanischen Gerichtsunterlagen als Burkhardts liechtensteinischer Treuhänder genannte David Vogt erklärte, er sei von dem Schweizer lediglich ersucht worden, für einen südamerikanischen Klienten eine Anstalt zu gründen, in die der Kunde ein Nummernkonto habe einbringen wollen. Von Drogengeldern habe er nichts gewusst. Demonstrativ trat Vogt als Verwaltungsrat der Gesellschaft zurück.

Die besondere Fähigkeit der Liechtensteiner, auch der bizarren Klientel Schutz angedeihen zu lassen, ist bei deutschen Fahndern legendär. So ziemlich jeder Wirtschaftskrimi von Format endet im Fürstentum. So war es schon im Fall des Exports der Giftgasfabrik in das libysche Rabita, so ist es heute bei der Suche nach den Hintermännern des Schmiergeldkartells in der deutschen Autoindustrie.

Selbst bei einem Hinweis auf die außerordentliche Bedeutung des Falles ist auf Kooperation nicht zu hoffen. Als die Staatsanwaltschaft Stuttgart 1994 im Zusammenhang mit der Lieferung von Zubehör für das pakistanische Atomwaffenprogramm um die Offenlegung der Konten eines verdächtigen schwäbischen Kaufmanns ersuchte, blockte die Vaduzer Justiz ab. In Wirtschaftsangelegenheiten werde keine Rechtshilfe gewährt. Selbst die absurdesten Begründungen werden vorgebracht, um das System der Verschwiegenheit zu bewahren. Das hat die Bundesregierung gerade erst bei ihrer Suche nach verschobenen DDR-Vermögen erleben müssen.

In einer liechtensteinischen Anstalt orteten die bundesdeutschen Finanzfahnder 66 Millionen Mark. Zwei derjenigen, die beim Beiseiteschaffen des Geldes geholfen haben sollen, waren Schweizer, Treuhänder mit Wohnsitz im Fürstentum. Der beantragten Auslieferung stand selbst nach sorgfältiger Prüfung nichts mehr im Wege.

Da blieb dem Fürstlich Liechtensteinischen Obersten Gerichtshof nur noch ein ganz besonderer Salto. Vom »Standpunkt der Menschenwürde«, urteilte das Gericht im Juli des vergangenen Jahres, sei eine Auslieferung »nicht zu verantworten«. Die beiden Gesuchten würden »mit ihren Familien schon seit vielen Jahren in Liechtenstein wohnen, haben hier ihre berufliche Existenz, hier gehen ihre Kinder zur Schule«. Eine Inhaftierung von Familienvätern aber wäre ein Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

»Unerträglich« nannte der Richter am Bundesgerichtshof, Wolfgang Schomburg, diese Entscheidung. Die Bundesregierung protestierte, aber die Vaduzer Kollegen reagierten kühl. Da sei nichts zu machen, schließlich habe man Gewaltenteilung. Erwischt es dennoch jemanden aus der Geldfestung am Fuße der Alpen, ist es wohl eher eine Panne. Als es einmal zu einer Verhaftung kam, war das für den BND nur ein »Betriebsunfall«. Nachrichtendienstliche Meldungen hätten ergeben, dass »ein neueingestellter junger Richter, der nicht auf der Gehaltsliste der Community stand und vermutlich die einschlägigen Zusammenhänge nicht kannte, die Verhaftung der beiden Verdächtigen veranlasst hatte«.

So sicher ist sich der Dienst seiner Sache, dass er gleich seitenweise die Namen von in illegale Geschäfte verwickelten Treuhändern, ihre Firmen und Stiftungen auflistet. Klangvolle Namen sind darunter, die sich ihrer Freundschaft zur Fürstenfamilie wie auch zu deutschen Politikern rühmen. Aus juristischen Gründen nennt der SPIEGEL die auf geheimdienstlichem Wege ermittelten Namen nicht.

Wie sauber seine Zunft angeblich agiert, erklärt einer der Größten der Liechtensteiner Szene, der Treuhänder Professor Dr. Dr. Herbert Batliner, gern am eigenen Beispiel: »Wir nehmen keine Kunden aus den GUS-Staaten, und wir nehmen auch keine Laufkunden oder Kunden, die mit einem Koffer voller Geld kommen. Diese Leute schaffen es bei mir nicht einmal vom Eingang bis zum ersten Stock.«

Der BND hat Zweifel an solchen Ehrenerklärungen: Während ein Liechtensteiner Treuhänder seit 15 Jahren vorzugsweise »enge Kontakte« zu dem Cosa-Nostra-Großclan Cuntrera Caruana pflege, habe sich ein anderer in den letzten drei Jahren »auf russische Klientel spezialisiert«. Für neue Kundschaft sei der Geldverwalter »auch bereit, große Summen Bargeld ohne Nachfrage nach der Herkunft anzuneh-

* In kolumbianischer Haft 1992.

men«, um sie dann persönlich bei der Bank einzuzahlen.

Das ungenierte Spiel mit dem illegalen Standbein funktioniert nur, weil die Herren des Geldes den Staat wohl nicht übermäßig fürchten müssen. Im Gegenteil: Nach BND-Erkenntnissen sitzen Helfer in den Behörden des Fürstentums.

In dem Dossier wird sogar ein ehemaliges Regierungsmitglied beschuldigt, »bei der Abwicklung illegaler Geldgeschäfte im Auftrag internationaler Krimineller« entscheidend geholfen zu haben. Seit mehreren Jahren habe er »Treffen mit den Finanzmanagern südamerikanischer Drogenclans organisiert«. Schon in seiner Amtszeit habe der inzwischen pensionierte Politiker jenes »Geflecht aus Beziehungen von hohen Beamten, Richtern, Politikern, Bankdirektoren und Anlageberatern« geschaffen, das so typisch für die Steueroase ist und das gegen alle Versuche der Aufweichung gefeit scheint.

Selbst die Schweiz, lange mit Liechtenstein in einer symbiotischen Beziehung verbunden - ein Großteil der in Liechtenstein verwalteten Gelder liegt auf den Konten Schweizer Banken -, hat sich dem Drängen der Europäer und der Amerikaner nach mehr Sorgfalt nicht mehr verschließen können. Schweizer Ermittlungsrichter kümmern sich um die Herkunft dubioser Gelder. Das einstmals milde Klima hat sich verändert. Da trifft es sich, dass Schweizer Treuhänder jetzt auch in Liechtenstein ihre Geschäfte abwickeln dürfen.

Dass der ganze Staat nur so groß ist wie eine deutsche Kleinstadt, sorgt für familiären Filz. Familienmitglieder der Treuhändergeschlechter sitzen in Schlüsselpositionen von Polizei, Justiz und Banken. Da kann nichts schief gehen. Landet ein Rechtshilfeersuchen in den Amtsstuben, werden erst einmal die Banken angehört - so sieht es das liechtensteinische Recht vor. Und auch sonst funktioniert das Zusammenspiel der Trickser gut.

Als unlängst Fahndern des Bundeskriminalamtes die Teilnahme an einer von den deutschen Behörden beantragten Vernehmung zugestanden wurde, wurde dies schon vorab als Meilenstein der polizeilichen Zusammenarbeit gefeiert. Im Fürstentum angekommen, wurden die BKA-Männer erst einmal freundlichst zum Mittagessen in die Kantine eingeladen. Kaum waren die Teller abgetragen, eröffneten die Gastgeber den deutschen Beamten, nun sei es zu spät, die Vernehmung sei gerade abgeschlossen worden.

Gegen solche Praktiken sind die EU-Staaten hilflos. Bis heute ist Liechtenstein nicht Mitglied der OECD-Sonderkommission »Financial Action Task Force«, die die weltweiten Geldgeschäfte überwacht. So entzieht sich das Fürstentum jeder internationalen Kontrolle.

Auch die Erkenntnisse aus den BND-Lauschangriffen helfen der Schröder-Regierung im Kampf gegen die Steueroase Liechtenstein kaum weiter. »Wir schaffen es ja nicht einmal innerhalb der EU, England und Luxemburg auf Linie zu bringen«, resigniert ein hoher Beamter im Außenministerium, »wie soll es dann bei einem Staat gelingen, der gar nicht der Union angehört?«

Die Chancen sind gleich null, das wissen offenbar auch die Geldhäuser, die es nach Liechtenstein drängt - in den letzten vier Jahren hat sich die Zahl der Institute verdreifacht. Bankier Bruno Gehrig, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, weiß, warum im Fürstentum die verschwiegene Welt des Kapitals immer noch in Ordnung ist: »Der Erfolg des Finanzplatzes Liechtenstein ist die Frucht eines unbeirrt von Modewellen nachhaltig umgesetzten Nischenkonzepts, das den kleinräumigen und kleinbetrieblichen Voraussetzungen des Landes optimal entspricht.« GEORG MASCOLO

* In kolumbianischer Haft 1992.

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