RECHTSANWÄLTE Einmalige Kampagne
Der Autohändler Hans-Werner Klauke aus dem niedersächsischen Lindhorst hatte einen Alfa Romeo-Spider zu verkaufen und bot das Fahrzeug ("Chefwg.") per Inserat in der »Hannoverschen Allgemeinen« an.
Bald darauf meldete sich brieflich ein Leser aus Hamburg auf die Anzeige: Rechtsanwalt Eihnard Martens aus Hamburg, doch er wollte nicht kaufen, sondern kassieren.
Die Annonce »NP 23000,-, jetzt nur 19200,-», verstoße, so belehrte der Hamburger Advokat den Lindhorster Händler, gegen das., Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb«; danach sei nur die »unverbindliche Preisempfehlung« erlaubt, die Angabe »Neupreis« hingegen irreführend. Klauke möge eine Erklärung abgeben, derlei künftig zu unterlassen. Martens bat gleich um Kostenerstattung: 735,87 Mark. inklusive Mehrwertsteuer.
»Allerhand«, staunte Klauke, und er wunderte sich noch mehr, als er in derselben Post einen weiteren Anwaltsbrief aus Hamburg fand. Der kam von Richard Kochmann und ähnelte dem Martens-Schreiben sehr, auch bezog sich der Absender auf dieselbe Anzeige, auch verlangte er dasselbe Honorar: 735,87 Mark.
Am gleichen Tag, dem 19. Dezember, hatten die Anwälte, wie sich später herausstellte, noch an mindestens weitere drei Autohändler in verschiedenen Gegenden der Bundesrepublik geschrieben. Ganz genau wissen es Kochmann und Martens angeblich selber nicht mehr: Immerhin waren es nach eigener Schätzung im Dezember »an die 60 bis »70« Abmahnungen in Sachen unlauterer Wettbewerb -- also 120 bis 140 Schreiben, jedes mit der gleichen Kostenrechnung; Forderung insgesamt um die 100 000 Mark.
Ein Teil dieser lukrativen Korrespondenz liegt mittlerweile der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer vor, die, so ihr Sprecher, wegen einer »Vielzahl von Beschwerden« in dieser mysteriösen Sache ermittelt. Denn die Anwälte Kochmann und Martens sind mit ihrer Briefaktion in Verdacht geraten, selbst Unlauteres im Sinn gehabt zu haben.
Marburger Kollegen etwa, die Anwälte Peter Becker und Dr. Peter Hauck, berichteten der Anwaltskammer, ihnen käme es vor, »als ob die Rechtsanwälte die Zeitung durchforsten und gewissermaßen generalisierend jeden möglichen »Wettbewerbsverstoß' zum Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit« machten.
Mit anderen Worten: Becker und Hauck -- wie mit ihnen weitere Kollegen -- nehmen an, die beiden Hamburger würden aus eigenem Antrieb nach unstatthaften Anzeigen suchen und dann von ihren Kontrahenten Gebühren fordern; die Auftraggeber seien mithin nur Strohmänner.
Indizien dafür gibt es. Die Brief-Aktion streute weit durchs ganze Land, nach Hannover, Bremen, Peine, Essen, Mönchengladbach bis in den Frankfurter Raum.
Auffällig erschien auch, daß beide Anwälte, die unter einer Adresse und Telephonnummer firmieren, mit vorgefertigten Schreiben operieren und, das wurde bei späteren Vergleichen deutlich, stets dieselben Auftraggeber nannten -- Kochmann die Firma Martin Zerahn in Hamburg-Osdorf, Martens eine Firma Nolte aus Hamburg, ohne weitere Adressen-Angabe.
Merkwürdig kam den Marburgern Becker und Hauck dabei vor, daß zum Beispiel die Firma Nolte zwar im Hamburger Telephonbuch stand, doch nur -- bei einem Händler nicht gerade üblich -- mit Noltes Privatnummer; Firma Zerahn wiederum im Telephonbuch unter einer anderen Adresse verzeichnet ist als in den Mahnschreiben der Anwälte."Überrascht« waren die Marburger schließlich von der Höhe der Gebührenrechnung, die stets auf einem Gegenstandswert von 30 000 Mark basierte, obgleich die Preise der angebotenen Fahrzeuge meist weit darunter lagen; wie das gerechtfertigt sein sollte, war den Marburgern ."nicht erkennbar«.
Bemerkenswert war auch, daß die so überraschend über die Gebrauchtwagenhändler hereingebrochene Aktion ebenso plötzlich wieder eingestellt wurde -- und zwar dann, als sich die Briefkampagne bei Fachverbänden und ähnlichen Institutionen herumsprach, allerorten Anwälte eingeschaltet wurden und sich die Mitteilungen an die Hamburger Anwaltskammer mehrten.
Das sei von Anfang an so geplant gewesen, beteuern Kochmann und Martens hingegen; in einer »einmaligen Kampagne« wollten sie Unsitten im Gebrauchtwagenhandel aufzeigen. Auch die auffälligen Schreiben, das gemeinsame Vorgehen, die identischen Gebührenrechnungen, alles sei darauf angelegt gewesen, Aufsehen zu erregen -- »wir wollten sie bewußt ärgern« (Kochmann).
Keine Rede davon, daß etwa die ganze Aktion, wie der versteckte Vorwurf der Gegen-Anwälte lautet, der Gebühren wegen inszeniert worden sei. Stück für Stück hätten die Mandanten Zerahn und Nolte die inkriminierten Annoncen aus den weit verstreuten Blättern herausgesucht und sie zwecks Verfolgung an ihre Anwälte weitergereicht.
Mehr noch: Dahinter stecke ein im Aufbau begriffener Verein, der für Sauberkeit in Handel und Wandel sorgen wolle und probehalber schon mal mit den Autohändlern angefangen habe. Dieser Verein habe auch ihre Mandanten motiviert.
Davon wissen freilich weder Nolte noch Zerahn. Nolte erklärt immerhin, er habe sowohl die Anzeigen herausgesucht wie auch die Aufträge an Martens erteilt. Bei der Menge der Anzeigen muß ihm jedoch die Übersicht abhanden gekommen sein, denn als das Marburger Anwaltsbüro bei ihm anrief, ergab sich, daß »Herrn Nolte der Name meiner Mandantin, der Motorradvertretung Becker, nicht bekannt war
Zerahn jedoch hatte, vom aufgebrachten Kollegen Klauke aus Lindhorst angerufen, dem bereits mitgeteilt, er habe Anwalt Kochmann »keinen Auftrag erteilt«. Er beharrt darauf, von seinem Anwalt Kochmann, der ihn vorher einmal vertreten habe, »übertölpelt« worden zu sein, nun habe er den Ärger mit den Kollegen: »Aber wenn das mal vor Gericht kommt, dann werden wir ja sehen, ob es da von mir was Schriftliches gibt.«