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KIRCHE / KRIEGSPREDIGTEN Eiserner Besen

aus DER SPIEGEL 51/1968

Zu Tausenden waren dort deutsche Soldaten gefallen. Ungezählte hatten dort im endlosen Trommelfeuer den Verstand verloren. 1917 nannte die Nation das blutgetränkte Schlachtfeld längst die »Hölle von Verdun«.

Den Kapuziner-Pater Gaudentius Koch dagegen erinnerte Verdun an den Himmel. 1917 verkündete er von einer Tiroler Kanzel: »Was ist eine Fronleichnamsprozession gegen die Aufzüge an den Fronten, was sind alle Glockengeläute und Hochamtsorgeln gegen den Donner der Kanonen und das Krachen der Mörser!«

Hochwürden Heinrich Wolf erfreute in seiner Essener Gemeinde die Landserfrauen mit dem Hinweis, daß Gott das alte Gebot der Keuschheit »mit dem Munde der Kanonen« neu verkünde. Und sein bayrischer Amtsbruder Xaver Lutz versicherte den Gläubigen: »Gerade unsere Mutter, die Kirche, begrüßet von Herzen den großen eisernen Besen.«

Wie treffend Priester Lutz das Verhältnis seiner Kirche zum Ersten Weltkrieg verdeutlicht hatte, bewies jetzt, 50 Jahre später, ein geweihter Glaubensbruder: Heinrich Missalla, 42, veröffentlichte eine Untersuchung über die »deutsche katholische Kriegspredigt« in den Jahren 1914 bis 1918*. Seine Sammlung ergibt, daß fast alle Priester wie Koch, Wolf und Lutz predigten. Katholische Lobpreisungen des Blutvergießens brauchen keinen Vergleich mit den protestantischen Kriegspredigten zu scheuen (SPIEGEL 3/1968).

Denn der Klerus des kaiserlichen Deutschland sah, als damals nationaler Kollektivwahn ausbrach, eine willkommene Gelegenheit, sich vom Verdacht der Romhörigkeit zu entlasten und Reichstreue zu bekunden.

Der Krieg hatte gerade begonnen, da predigte sich der damalige Bischof von Speyer und spätere Kardinal Michael von Faulhaber bereits in das Herz seines kaiserlichen Kriegsherrn« der ihn noch 1919 als »Zierde des deutschen Episkopats« in Erinnerung hatte. Faulhaber bewältigte die Kriegsschuldfrage schon 1915 mit der Versicherung, daß »dieser Feldzug in der Kriegsethik für uns das Schulbeispiel eines gerechten Krieges« sei.

Angespornt von Faulhaber, mobilisierte auch der niedere Klerus nun den »großen Alliierten im Himmel« und nannte ihn auf Heimatkanzeln wie vor motorisierten Feldaltären einen »Bundesgenossen, der nicht zu unterschätzen ist«.

Jesus Christus wurde als frühreifer Frontkämpfer vorgestellt. Kriegspfarrer Friedrich Küpferle instruierte die Landser über den Heiland so: »Aus der ewigen Heimat brach er auf zur Mobilmachung und zog die Uniform der menschlichen Natur an, nahm das erste Quartier im Schoß Mariens, das zweite sehr feldmäßige in Bethlehem ... bis mit seinem 30. Lebensjahr das Biwakieren begann und er nach der Schlacht auf Golgatha sein jetziges Quartier im Himmel, im Tabernakel und im Menschenherzen hat

Den martialischen Himmelsinstanzen angemessen war die neue Form der Zwiesprache; das Kirchengebet interpretierte Pfarrer Anton Worlitschek nach ballistischen Gesetzen -- es erschien ihm »wie ein Feuerstrom, der aus Maschinengewehren sich ergießt mit der ungemeinen Feuergeschwindigkeit und Dichtigkeit ihrer Streuungsgarbe, mit ihrem Höchstmaß an Feuerwirkung. Ein Feuerstrom« der Breschen schlagen muß in der Himmelsburg«.

Und Himmelstoß, der Schleif-Korporal des Ersten Weltkriegs, rangierte -- wäre es nach dem Münchner Kardinal Franziskus von Bettinger gegangen -- als Kompagnon des Heiligen Vaters: »In dem Vorgesetzten«, so schärfte Bettinger bayrischen Muschkoten ein, »erblickt der gläubige Christ den Stellvertreter Gottes in diesem Machtbereiche.«

Wie katholische Priester Gottes Feldherrntalent für Deutschland re-

* Heinrich Missalla: »,Gott mit uns' -- Die deutsche katholische Kriegspredigt 1914-1918«. Kosel-Verlag, München; 144 Seiten; 8,80 Mark.

quirierten, so beschlagnahmten sie auch Gottes Güte. Den Feinden wünschten sie den Zorn des alttestamentlichen Herrn, und Pater Gaudentius sah ihn bereits am Werke: »Gott stand auf von seinem Thron, erhob seinen diamantblitzenden Schuh und trat auf Frankreich, daß alle Felsen knirschten. Und plötzlich hörte man's rauschen, weithin am Horizont, wie von vielen Wassern: Das waren Deutschlands Heere.«

Es rauschte nicht von ungefähr. Denn deutscher Kampf auf der Walstatt war nur möglich, weil Katholiken zuvor den Geburtenrückgang auf der Bettstatt bekämpft hatten: Dadurch, so rühmte der Jesuit Hermann Acker, habe die Kirche dem Vaterland »seine schier unerschöpflichen Reserven an Soldaten« geschaffen. Er folgerte: Deutschland müsse für ewige Zeiten der katholischen Kirche dankbar sein.

Von der Kirche so präpariert, durften sich deutsche Soldaten mit Fug »als Werkzeuge des Grimmes Gottes« betrachten -- wie der Theologie-Professor Norbert Peters in Paderborn sagte. Und der spätere Dogmatik-Professor Engelbert Krebs erflehte Gottes Beistand, »daß er bald, recht bald unseren Heeren dazu verhelfe, Schrecken und Elend über England zu bringen«.

Auch für die Angehörigen von Gefallenen hatten die Priester stärkende Worte parat -- als sei das Massengrab ein Privileg für Glückspilze. So wußte Professor Peters, daß »dreimal selig zu preisen (sei), wer sein Leben lassen dürfte als Streiter Gottes in diesem heiligen Kriege«.

Der Fürstbischof von Breslau, Adolf Johannes von Bertram, begriff das Sterben an der Front als freudiges Ereignis: »O glücklicher Heldentod eines braven katholischen Soldaten!«

Priester Worlitschek schließlich krönte den Witwen- und Waisen-Trost mit der beruhigenden Feststellung: »Kriegertod ist kein Tod! Er ist umstrahlt vom Taborglanz der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens.«

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