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Briefe

ENDKAMPF
aus DER SPIEGEL 45/1966

ENDKAMPF

Erhards Wahl zum Bundeskanzler ist das Stalingrad der CDU.

Bremen KLAUS WEINERT

Ich befürchte, ja ich bin davon überzeugt, daß die Bundesdeutschen eines Tages froh wären, wenn der Bundeskanzler noch Erhard hieße.

Weil (Bad.-Württ.) FRIEDRICH RESIN

Wir können uns doch, bei Gott, keinen »starken Mann« mehr herbeiwünschen. Haben wir nicht aufgeatmet, als der allzu listenreiche, aber starr gewordene Adenauer das Steuer aus der Hand geben mußte? Und haben wir nicht von Herzen begrüßt, daß nun ein grundehrlicher Makler an die Spitze der Deutschen zu stehen kam? Kann Erhard etwas dafür, daß die Hypothek auf dem Erbe, das er angetreten hat, so schwer ist? Ist denn, so wie die Dinge nun einmal liegen, irgendein anderer Mann weit und breit zu sehen, der es besser machen könnte und der zugleich auch eine Chance gehabt hätte, gewählt zu werden?

Essen HORST BERGER

Ausgehungerte Wölfe stürzen sich auf ihren verwundeten Artgenossen und fressen ihn auf. Daran dachte ich, als ich Ihre umfassende Darstellung der Schwierigkeiten unseres Bundeskanzlers las. Unverständlich ist es mir aber, wie man glauben kann, daß die klar vorauszusehende Niederlage der CDU/ CSU in der Person des Bundeskanzlers begründet sein soll.

Ludwigsburg ERNST KOSSACK

Der gestürzte rumänische Ministerpräsident Bratianu zum kaiserlichen Gesandten von Bülow ("Denkwürdigkeiten« des Fürsten Bülow, Band 4, Seite 623):

»Jede neue Regierung ist wie ein Mann, der, ohne schwimmen zu können, ins Wasser geht. Solange das Wasser ihm nur bis an die Knie reicht, muß man ihn in Ruhe lassen. Steigt ihm das Wasser bis an den Bauch, so behalten Sie ihn scharf im Auge. Geht ihm das Wasser bis an die - Kehle, so springen Sie ihm auf die Schulter und ersäufen ihn.«

Krefeld HANS WANDKE

Zu diesem Intrigenspiel, Gemuschele und Gemauschele der christlichen Demokraten gegen ihren Bundeskanzler kann man nur sagen: widerlich, einfach widerlich.

Wadgassen (Saarl.)

HERMANN KUHNEN

Ludwig Erhard ist im Begriff, sich mit seiner eigenen Waffengattung zu schlagen, der Theorie. Er, der Mann vom Katheder, der gewiß mehr als einmal Tricks zur Vereinfachung von wirtschaftlichen Vorgängen wußte, stolperte über den für erfolgsgewohnte chairmen wichtigsten und

unerläßlichsten

Grundsatz just zu dem Zeitpunkt, als er, wie man glaubte, wohlvorbereitet - und nicht überrascht wie Heinrich der Vogler gebeten ward, der deutschen Untertanen Herr zu sein: die face to - face - Aussprache mit den einzelnen spezialisierten Ressortchefs, um davon, und nur davon, zielsicher die eigenen Anordnungen abzuleiten.

Heppenheim (Hessen)

RUDOLF MARKUS FRITZ

Bisher war mir entgangen, daß Herrn Gumbels Devise »Ich sag' nit ja, ich sag' nit nein, ich würd' sage, ich bin nit dagegen« ein Hauch geradezu ruchlos anmutender Entscheidungsfreude anhaftet.

Freiburg H. WETZEL

Ich stimme Altbundeskanzler Adenauer bei, wenn er meint, das Personal in der Regierung müßte erneuert werden - ich war schon dieser Ansicht, als er noch im Amt war!

Bremen PAUL NIEDERBOCKSTRUCK

Zur entarteten Politik ist die Titelseite »Kanzler auf Abruf« zu zählen, wenn

von Flegelei und Impertinenz nicht gesprochen werden soll. Gewiß hat Erhard keine Sporen, die ein deutscher Kanzler nach einer französischen Stimme bedarf. Auch hat Erhard kein Geschick, ein Arbeitsteam zusammenzustellen. Seinen Finanzminister, der ihm durch die prozyklische Finanzpolitik die Suppe einbrockte, hätte er seit Jahren schon auswechseln- müssen, und so manchen anderen auch. Aber wer von der Opposition kann es besser machen? Zum Beispiel bezog der erste Sprecher der Opposition in der Debatte um die Stabilisierungsgesetze im

Bundestag einen technischen K. 0., den die Opposition nicht einmal bemerkte, auch nicht die Presse, die sich an der Hetzjagd auf den Kanzler beteiligte. Die erste Hälfte der Rede war Polemik, die der Kabarettist besser beherrscht, und in der zweiten Hälfte der Rede ging der Sprecher um das Problem der expansiven Geldmenge herum. Mit Pi mal Schnauze kann in der entarteten Politik eine psychologische Hetzjagd aufgezogen werden, aber nicht eine sachliche Politik.

Mannheim HUGO SCHEUERMANN

Ihr Titelbild ist eine journalistische Gemeinheit.

Weidenberg (Bayern)

DR. SIEGFRIED ANGERMANN

Statt eines Kommentars zu Ihrem Erhard-Titelbild sende ich Ihnen eine leicht abgewandelte Fabel von Lafontaine:

Der alt gewordene Gummi-Löwe

Der Gummilöwe, des Waldes Schreck,

gedenket altersmüd der frühern Heldentaten;

die Untertanen sich mit bitterm Spott

ihm nahten,

dank seiner Schwäche keck.

Das Pferd mit seinem Huf ihm einen

Tritt versetzt,

er spürt des Ochsen Horn, den Biß

von Wolfes Zähnen;

wie jammervoll ertönt des armen

Gummilöwen Stöhnen,

ihn drückt die Last der Jahre,

kaum brüllen kann er jetzt.

Er schickt sich in sein Los, verstummt

sind seine Klagen,

da trabt der Esel an und freut sich

seiner Not.

»Zu viel«, der Gummilöwe sagt,

»ich war bereit zum Tod,

doch zweimal sterben ist's, auch

deinen Spott zu tragen.«

Berlin KLAS MILDENSTEIN

Die Zeit

L'État - c'est moi!

Erhard-Titel

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