Zur Ausgabe
Artikel 34 / 80

USA / REAGEN Endlich gewinnen

aus DER SPIEGEL 45/1966

Er prügelte sich mit Ganoven, pokerte

mit Falschspielern, zechte mit Zuhältern. Gleichwohl hat ihn Amerikas Republikanische Partei auserwählt, für sie im US-Bundesstaat Kalifornien den Gouverneursposten zu erobern.

Kaliforniens Wähler und Amerika kennen den exzessiven Lebensstil des Kandidaten freilich nur von Leinwand und Mattscheibe: Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan, 55, ist nach seinem zum Senator avancierten Freund und Parteikollegen George Murphy der zweite Mann aus der amerikanischen Flimmermetropole, der seine Traumrolle in der Politik sucht.

In 50 Filmen und zahlreichen TV -Sendungen mußte Reagan zumeist die Rolle des Unterlegenen spielen: Er verlor seine Faustkämpfe, seine Mädchen oder sein Geld. Jetzt will er endlich gewinnen. Nicht nur den Gouverneursposten strebt Reagan am 8. November an. Er will auch als Leiter der stärksten und einflußreichsten Delegation zum Republikanischen Parteikongreß 1968 reisen. Denn: Ein Sieg des Künstlers, so folgerte die »New York Times«, wird »ihn in den Augen vieler Republikaner als ernst zu nehmenden Anwärter im Präsidentschaftsrennen erscheinen lassen«.

»Wenn er im November gewinnt«, so meint auch »Newsweek«, »könnte Ronald Reagan der nächste republikanische Präsident sein.«

Vor vier Jahren noch war der aussichtsreiche Republikaner Demokrat. 1950 plädierte er bei den Senatswahlen in Kalifornien vehement für die demokratische Kandidatin und gegen deren republikanischen Gegner, den späteren Vizepräsidenten Richard Nixon. Wegen seiner angeblichen Linksneigungen distanzierten sich die Demokraten jedoch von dem übereifrigen Wahlhelfer.

1962 wechselte der Demokrat die Fronten und ließ sich als Republikaner registrieren. Konvertit Reagan: »Es war nicht leicht. In eine andere Partei einzutreten, ist beinahe so, als ob man die Religion wechselt. Doch ich bin mehr und mehr von den Demokraten enttäuscht worden.«

Auch im Beruf setzte Reagan auf eine andere Karte: Er übernahm 1954 die Fernseh-Show »General Electric Theater«, die Amerikas größter Elektrokonzern finanzierte. Erst acht Jahre später setzte der Konzern Reagans Sendung wieder ab. Gründe: Die Fernsehzuschauer hatten aus Reagans gelegentlichen Kommentaren rechtsextremistisehe Neigungen herausgehört, die Firma hatte schließlieh nachlassendes Interesse der Zuschauer an der Sendung festgestellt.

Fortan erklärte der Schauspieler den Hausfrauen im Fernsehen die Vorzüge des Waschmittels »Borax« und führte sie anschließend durch die TV-Vorstellung »Death Valley Days« (Tage im Todestal), in der er zuweilen selbst Rollen übernahm.

1964 bot er seinen kalifornischen Parteifreunden seine Mithilfe im Präsidentschaftswahlkampf für Goldwater an. Die Republikaner akzeptierten dankbar und ernannten ihren populären Mitstreiter zum Vorsitzenden des Wahlkampfkomitees in Kalifornien.

Reagans Einsatz trug Früchte: Zwar verlor sein Freund Goldwater entscheidend, er selber jedoch gewann bei Goldwaters Parteigängern erheblich an Ansehen. Denn: In einer 30-Minuten -Wahlsendung hatte Amateur Reagan so erfolgreich gegen »Wohlfahrtsstaat« und Demokratie polemisiert, so begeistert den Rechtsaußen Goldwater propagiert und so überzeugend für Geldspenden an die, Republikaner plädiert, daß die Partei mehr Zuwendungen erhielt als je zuvor nach einer politischen Rede: drei Millionen Mark.

Die kalifornischen Parteimanager witterten ihren kommenden Mann. Für die bevorstehenden Gouverneurswahlen

fehlte es ohnehin an überzeugenden Kandidaten. Ihre Überlegung: Der gutaussehende Reagan lag den weiblichen Wählern; überdies war er imstande, republikanische Parolen in wohlgesetzten Worten und, so die »New York Herald Tribune«, »Goldwater-Doktrin veredelt mit John-F.-Kennedy-Technik« zu präsentieren.

Nur ein Manko ist noch auszumerzen: Reagans Rechtsdrall. Die Demokraten hieben bereits in diese Kerbe: Gouverneur Edmund »Pat« Brown, 61, den der Republikaner nach achtjähriger Amtszeit aus dem Sattel heben will: »Durch seine Wahl würden die extremen Gruppen in unserem Land wiederaufleben.«

Reagan beschäftigt, so behaupten die Demokraten, 30 Rechtsextremisten in seinem Stab. Er hat sich trotz der Bitten seiner liberalen Freunde weder von der rechtsgewirkten »Birch Society« distanziert noch seine Unterstützung für das ultrarechte Blatt »Human Events«

Eingestellt. Reagans Konkurrent Brown, dessen Anhänger zuweilen Plakate des Republikaners mit Hitler-Bärtchen und Hitler-Frisur bemalen, über seinen Rivalen: »Er ist der Kronprinz der Rechten.«

Die kalifornische Public-Relations -Firma Spencer-Roberts & Associates, die von 40 republikanischen Kunden bislang 34 zum politischen Sieg führte, akzeptierte auch den Künstler als Kunden, und Werbe-Chef William Roberts ist sicher: »Reagan verkauft sich gut. Wir müssen ihn nur von Goldwaters Image herunterbringen, wenn wir gewinnen wollen.«

Die Werbemanager verordneten dem Filmmann zunächst politischen Nachhilfeunterricht: Ein Professoren-Team der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) weihte den Amateur in die Feinheiten der kalifornischen Innenpolitik und Verwaltung ein. Nach zwei Schul-Monaten erschien Reagan seinen Lehrern fit.

Im Juni dieses Jahres gewann er prompt sein erstes Gefecht auf politischer Walstatt: Im Stichkampf um die Kandidatur der Republikaner schlug Künstler Reagan seinen Parteikollegen, den Ex-Bürgermeister von San Francisco George Christopher, entscheidend: 1,3 Millionen Republikaner stimmten für den Schauspieler, nur halb so viele für den Politiker. Und: Reagan zog 300 000 Stimmen mehr auf sich als Goldwater bei den Präsidentschaftswahlen 1964.

Jetzt schlossen sich auch US-Honoratioren der Schauspieler -Truppe an: Der ehemalige Chef des US -Geheimdienstes CIA John McCone, der unter den Präsidenten

Kennedy und Johnson Agenten befehligte, wurde Mitglied des Wahlkampfkomitees; der Präsident des Rasierklingenkonzerns »Schick«, Patrick Frawley, steuerte Rat und Geld bei. »Der Kandidat der (Filmgesellschaft) Warner Brothers«, so spöttelte das US-Nachrichtenmagazin »Time«, »ist der zugkräftigste Kandidat seit Kennedy.«

Noch in der vorletzten Woche lag Kandidat Reagan in Front: 46 Prozent der Kalifornier, so ermittelten die Meinungsforscher, wollen Reagan, 39 Prozent der Befragten wollen Gouverneur Brown behalten.

Der Repräsentant der »Grand Old Party« hofft, seinen Vorsprung gegenüber Brown, der als Spätstarter bekannt ist, ins Ziel retten zu können. Als Regierungschef des bevölkerungsreichsten amerikanischen Bundesstaates würde er dann 19 Millionen Einwohner vertreten - mehr Menschen als die Staatschefs von Belgien, Norwegen und Dänemark zusammen.

Republikaner Reagan: Kennedy plus Goldwater?

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 34 / 80
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren