Endstation Sackgasse
Jetzt ist auch das klar: Mit schon erdrutschartigen Verlusten meldet sich die SPD aus der Regierungsverantwortung eines Bundeslandes ab, das seit Republikgründung untrennbar mit ihrer Parteifarbe verbunden war. Das früher tiefrote Hessen hat sich nach kurzfristigem rot-grünen Fleckenfieber selbst geschwärzt.
Die hessischen Wählerinnen und Wähler haben SPD-Enkel Oskar Lafontaine blamiert und den gescheiterten Kanzlerkandidaten Johannes Rau im nachhinein bestätigt: Die Öffnung der SPD zu den Grünen hilft diesen, hilft der CDU, und sie macht die Sozialdemokraten schwächer und damit mehrheitsunfähig.
Lafontaines naßforscher Kurswechsel hin zu den Grünen am Tag nach der Bundestagswahl-Niederlage ist in dem einzigen Bundesland mit rot-grüner Regierungserfahrung schon 65 Tage nach der Verkündigung gescheitert. Endstation Sackgasse! Es gibt keine Mehrheit für Rot-Grün!
Die hessische Wende vollzog sich in der politischen Mitte, die von der SPD freiwillig preisgegeben worden war. Die SPD mauert sich offenbar selbst in den rot-grünen Block ein. Solche Lagermentalitat schadet ihr weil sie sich durch diese einseitige Bindung selbst koalitionsunfähig und damit mehrheitsunfähig macht. Die SPD wird endlich den realen Wählerwillen zur Kenntnis nehmen müssen auch wenn das den Grün-Freunden in ihren Reihen nicht paßt.
Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine Mehrheit für radikale Brüche in der Politik. Die dafür zu gewinnende Minderheit wählt gleich grün, während die Mehrheit Kontinuität, Zuverlässigkeit, Verläßlichkeit, Sicherheit will - und das sehen die meisten nun mal mit dieser SPD nicht gewährleistet.
Inzwischen wird auch immer mehr Sozialdemokraten bewußt: Die SPD hat sich in Nürnberg selbst Fesseln angelegt und ihre Manövrierfähigkeit stark beeinträchtigt. Solange deshalb diese »Nürnberger Beschlüsse« fast schon wie eine Monstranz vor der Partei hergetragen werden, wird es wohl um die Mehrheitsfähigkeit der SPD schlecht bestellt bleiben.
Allerdings scheint das kaum jemand bei den aufstrebenden SPD-Enkeln vom Stuhl zu hauen, weil Programmverliebtheit und Beschlußfetischismus für sie wichtiger scheinen als der Wille zur politischen Mehrheitsfähigkeit der Partei.
Damit würde sich die SPD der Gefahr aussetzen, daß auch zukünftig viele ihrer Wählerinnen und Wähler den hessischen Ausweg wählen könnten.