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»Engel in der Hölle«

aus DER SPIEGEL 8/1994

Der deutsche Film, so heißt es in der Branche, hat wieder einmal ein großes Thema an Hollywood abgegeben. Dabei hätte Oskar Schindler bereits vor zehn Jahren ein deutscher Kinoheld sein können.

Zweimal schon, so beklagt heute der Berliner Produzent Artur ("Atze") Brauner, 75, habe die Berliner Filmförderungsanstalt (FFA) »leichtfertig« öffentliche Mittel für einen Schindler-Film verweigert.

Brauner, der selbst 49 Familienangehörige im KZ verloren hat, war 1972 bei der »Suche nach Opfern und Tätern der Nazi-Zeit« auf den Ex-Fabrikanten Schindler gestoßen - eine »schillernde Persönlichkeit«, eine grandiose Kinofigur.

Die Gelegenheit, die Schindler-Vita zu verfilmen, bot sich 1984. Klaus Maria Brandauer sollte, unter der Regie von Axel Corti, die Titelrolle spielen. Doch das Projekt mit dem Arbeitstitel »Ein Engel in der Hölle« fand in Berlin keine Gnade. Die FFA, eingeschworen auf »Akzeptanz und Resonanz« förderungswürdiger Lichtspiele, erwartete keinen wirtschaftlichen Nutzen.

Brauner ließ nicht locker. Im September 1992, der Gigant Spielberg stand kurz vor Drehbeginn, wurde er erneut bei den Kassen-Herren vorstellig und beantragte eine Finanzierungshilfe von 900 000 Mark. Eindringlich verwies er auf das »breite Publikumsinteresse« an der »weltbekannten Geschichte« dieses »Humanisten«. Erstmals rücke »ein guter Deutscher aus der Nazi-Zeit« ins Weltinteresse.

Wieder war Brandauer für die Hauptrolle im Gespräch, als Alternative kamen Günter Lamprecht und Bruno Ganz in Frage. Aussicht auf Bargeld erwuchs dem Produzenten aus der erfreulichen Tatsache, daß die FFA schon ähnliche Filmstoffe der NS-Zeit wie »Hitlerjunge Salomon« oder »Eine Liebe in Deutschland« gutwillig unterstützt hatte.

Trügerische Hoffnung. »Drehbuch sowie Stab- und Besetzungsliste«, so urteilte einmütig die Vergabe-Kommission, »sind nicht geeignet, Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Films zu verbessern.« Der Schindler-Stoff sei »spekulativ«, und obwohl »Geschichten wie die vorliegende passiert sein mögen«, wirke diese »wie eine mit Emotionen aufgeladene Kolportage«. Und weil Gefühle im deutschen Subventionskino offenbar unerwünscht sind, wurde der Finanzierungswunsch brüsk zurückgewiesen.

Brauner grollt nun, die FFA-Kommissare hätten in Schindler wohl nur »den Säufer und Weiberhelden« gesehen, jedenfalls nicht den »großen Deutschen«, der im Kino zu würdigen sei. Hinter all dem vermutet er sogar Kräfte, die Schindlers gute Taten »herunterspielen«, weil sie den Eindruck vermeiden wollten, »daß ein Deutscher in der grausamen Zeit menschliche Regungen und Gefühle zeigen konnte«.

Das Berliner Förder-Gremium aber beharrt auf ehernen Grundsätzen. »Wir müssen uns ja immer fragen: Was bringt das Produkt an der Kasse?« sagt FFA-Vorständler Rolf Bähr.

Dem Produzenten Brauner wirft er mangelnde Risikofreude vor: Der Mann habe so viele erfolgreiche Filme gemacht: »Wenn er wirklich einen Knaller hat, wäre der doch nicht an 900 000 Mark gescheitert.«

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