Recht Entsetzlicher Knall
Die Micky-Maus-Moral seiner eigenen Kinder animierte den Frankfurter Schriftsteller und Karikaturisten Hans Traxier vor Jahren zu einer Walt-Disney-Parodie. Nach einem Zoo-Besuch erkannte er, daß seine Sprößlinge die Fähigkeit verloren hatten, »ein Tier unbefangen zu betrachten«. Traxier: »Ein Reh ist kein Reh, sondern ein Bambi, kleine Schweinchen spielen in der Regel Violine, und Enten haben, wie Donald Duck, Matrosenanzüge an.«
Als Walt Disney im Dezember 1966 starb, kompensierte Traxier seinen Ärger in Sprechblasen. Er veröffentlichte in der satirischen Zeitschrift »Pardon« (Nr. 2/1967) unter dem Titel »Der Himmel lebt, in memoriam Walt Disney« eine kritische Bildergeschichte. Disneys Figuren sowie Renaissancegestalten gaben das Personal des Anti-Strips ab; die satirische Verfremdung beschränkte sich auf den Text.
Traxlers Disney, der die irdische Öde »mit Geschöpfen jeglicher Art« wie »Pluto, Bambi, Goofy, Micky« belebt und »die Erde selbst in Disneyland« verwandelt hatte, machte sich daran, auch das langweilige Jenseits zu verniedlichen. Bildtext: »Nach drei Wochen harter Arbeit ist der Himmel nicht mehr wiederzuerkennen.«
»Ein entsetzlicher Knall« setzte, vom Satiriker gewollt, unter den fiktiven
* In »Pardon« Nr. 2/1967
Himmelsfrevel einen Schlußpunkt. Ein langwieriger Prozeß, vom Satiriker nicht gewollt, lieferte dagegen komische Kontrapunkte: Die »Micky-Maus« -- Nachlaßverwalter im amerikanischen Burbank mochten Traxlers Sakrileg nicht hinnehmen und verklagten »Pardon« auf Unterlassung und auf Ersatz eines noch nicht bezifferten Schadens. Argument aus der Trick-Filmer-Kiste: Die Verwendung der Disney-Figuren im Rahmen der Parodie sei eine Urheberrechtsverletzung.
Doch der Rechtsspruch über die Parodie geriet den Richtern zu einer Parodie über das Recht. Für die Ansprüche der Frankfurter Landrichter an Satire war Traxlers Arbeit zu feingesponnen. Sie suchten vergeblich derbe Kost wie »Witz, Spott, Kritik oder dergleichen« und sahen deshalb in der eher verhaltenen Ironie nichts weiter als die »Fortführung einer als zugkräftig bekannten originellen Schöpfung zur Unterhaltung einer jugendlichen Leserschaft«.
Auch die Oberlandesrichter taten sich schwer. »Parodie«, so hatte sie Robert Neumann, Nestor unter den Parodisten, belehrt, »schießt auf einen Mann mit der Waffe seiner eigenen Form« -- vergeblich. Trotz seiner weiteren Definition -- Parodie schleiche sich »mit Hilfe der zunächst harmlosen Mimikry in die Welt des literarischen Opfers ein« -- kamen sie zu dem schlichten Schluß: Es handele sich hier um »eine Idee, die auch eine Bildergeschichte von Walt Disney ausfüllen könnte«.
Selbst der Hinweis auf das Medium »politisch-satirische Zeitschrift« fruchtete nicht. Die Obertandesrichter bemühten ihre »Zugehörigkeit zum angesprochenen Leserkreis« sowie ihre »eigene Sachkunde« und befanden: Unbefangene Leser suchten auch in dieser Zeitschrift »Unterhaltung«. Sie wollten »sich an deren Inhalt entspannen und erfreuen, nicht aber geistig anstrengen«. Ohne Anstrengung erkannten sie »eine auf den ersten Blick lustige Bildergeschichte mit bekannten Figuren«.
Für die besorgte Satiriker-Frage, ob man eine Micky-Maus nur parodieren könne, indem man »aus der Maus einen Elefanten macht«, fehlte auch dem Bundesgerichtshof (BGH) das Sensorium. Das nun vorliegende, vorläufig letzte Urteil: Traxlers Parodie liege nur »im gedanklichen Inhalt der Bildergeschichte«. Dagegen seien die »von Disney entlehnten Teile mehr als nur ein Mittel zur Anknüpfung und damit zur Durchführung der Parodie«.
Das Motiv der Bundesrichter: Aus Furcht vor »unerfreulichen Mißbräuchen« wollten sie Urheber generell vor einer Ausbeutung unter der möglicherweise falschen Flagge der Parodie schützen. Ob durch das Urteil nun nicht umgekehrt jede parodistische Kritik mit dem Schlagwort »Urheberrechtsverletzung« verhindert und damit die in der Verfassung verbürgte Meinungsfreiheit ausgehöhlt werden kann, soll jetzt auf Antrag von »Pardon« das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
In diese Richtung zielte auch eine Urteilsschelte in der angesehenen »Neuen Juristischen Wochenschrift«. Eine »ehrliche« Parodie, die, wie in diesem Falle, »mit dem Originalwerk nicht wirklich in Wettbewerb tritt, ihm den Markt nicht verderben kann«, sollte, so rügte Autor Dr. Hans-Heinrich Schmieder, keinesfalls von der »geldwerten Zustimmung des Originalschöpfers abhängig sein«. Im Fall der »Pardon«-Parodie scheine die »Justiz ohne Not das Profitdenken eines humorlosen Nachlaßverwalters honoriert zu haben«.