Israel Erschütterte Idylle
Entwicklungsländer haben weder zuverlässige Freundschaften noch langfristige Gegner, aber ständig wechselnde Interessen«, stellte ein Jerusalemer Entwicklungsexperte im vorigen Jahr fest. In den vergangenen Wochen opferten schwarze Partner ihre alte Freundschaft zu Israel neuen Interessen.
Die Präsidenten von Obervolta, Senegal und der Zentralafrikanischen Republik verurteilten die Politik des Judenstaates. Ugandas Idi Amin vertrieb gar 700 israelische Entwicklungshelfer aus seinem Land und brach die Beziehungen zu Jerusalem ab, nachdem ihm sein libyscher Moslem-Bruder Gaddafi Ersatzhilfe zugesagt hatte.
Aufgeschreckt beriet die israelische Regierung, »in welchem Ausmaß der Schritt Ugandas zu einer Kettenreaktion in Afrika führen könnte«.
Denn Israels Afrika-Hilfe kann nicht länger als »der größte Erfolg« der israelischen Außenpolitik gelten (so einst die Zeitung »Maariv"). Neue Solidarität zwischen schwarzen und braunen Afrikanern ließ den Versuch scheitern, über »Bamako und Abidjan nach Kairo« zu gelangen (so der verstorbene israelische Premier Eschkol).
Israel hatte 1958 eine systematische Entwicklungshilfe gestartet. Golda Meir, damals Außenministerin, erklärte nach einer Afrika-Reise ihren Kabinettskollegen: »Diesen Ländern müssen wir beistehen.« Nach und nach entsandte Israel über 3000 Techniker. Lehrer und Offiziere nach Afrika. Sie beeindruckten die Schwarzen, weil sie ihre Erfolge mehr mit Grips als mit Geld erzielten. 15 000 Afrikaner wurden in Israel ausgebildet.
Die Israelis konnten sogar Großmächte im Werben um die Gunst der Schwarzen ausstechen. Sie schmuggelten Führer afrikanischer Unabhängigkeitsbewegungen -- darunter den Mau-Mau-Chef Waruhiu Itote ("General China") -, noch bevor deren Staaten unabhängig geworden waren, nach Israel und drillten sie zu Offizieren, Piloten oder Verwaltungsbeamten.
Die Afrikaner kamen gern in den Judenstaat. Sie sahen in dem nahöstlichen Pionierland ein Modell zwischen Kapitalismus und Kommunismus, ohne Klassen- und Rassenkampf. Vieles an Israel erschien ihnen beispielhaft für die eigenen Nationen: etwa die Verschmelzung verschiedener Volksgruppen, die dennoch ihre traditionelle Kultur erhalten, und die Armee, die gleichzeitig Streitmacht, Schule und Baubrigade ist.
Die Araber in Afrikas Norden agitierten bei den schwarzen Brüdern freilich stets gegen den Judenstaat. Ägyptens Nasser gewann schon 1961, auf der Konferenz von Casablanca, Ghana. Mali und Guinea für eine Resolution, die Israel verdammte, weil es »ein Werkzeug des Imperialismus und Neokolonialismus« sei.
Erschüttert wurde Israels Idylle mit den Schwarzen aber erst nach dem Junikrieg von 1967. Zwar brach nur Sékou Tourés Guinea die Beziehungen zu Jerusalem ab, aber seither sahen auch gemäßigte Afrikaner Israel als eine weiße Macht an, die Farbige unterdrückt.
Seither auch verglichen die Araber Israels Besatzungspolitik mit der Unterdrückung der schwarzen Mehrheit in Südafrika, Rhodesien und den portugiesischen Kolonien. In der Organisation für afrikanische Einheit. in der acht islamische Staaten 70 Prozent des Budgets aufbringen, und in der Uno stimmten von Jahr zu Jahr mehr Schwarze für Anti-Israel-Beschlüsse.
Trotz solcher Deklamationen anerkannten die schwarzen Staaten immer noch, was israelische Techniker in der Entwicklungshilfe leisteten. Doch bald gab es auch hier Schwierigkeiten:
Von den Israelis geförderte Produktions- und Vermarktungsgenossenschaften in Ghana, Nigeria und Kamerun arbeiteten nach der Übergabe an afrikanische Bosse nicht mehr rentabel. Ein militärisches Ausbildungslager für Frauen in Bouaké, Republik Elfenbeinküste, bewährte sich nicht. Die Beziehungen zu Nigeria zerbrachen fast wegen Israels Sympathien für die Biafra-Separatisten.
Zwischen Gabun und dem Judenstaat entstand gar ernster Zank: Premier Golda Meir hatte ein Treffen mit der in Israel weilenden Gattin des Präsidenten Bongo abgesagt, um zu einer Beerdigung zu gehen. Madame Bongo flog vorzeitig nach Libreville zurück, beleidigt, weil sie nicht zur Beerdigung geladen und damit nicht, wie vielfach beteuert, »zur Familie gezählt« wurde. Erst ein diplomatisches Palaver von sechs Monaten bereinigte den Streit.
Afrikanische Wirtschaftler entdeckten zudem, daß Israels Hilfe dem Spenderland beträchtliche Vorteile brachte: Trotz relativ geringem Einsatz verstärkte sich der Handel. Geschäftstüchtige jüdische Privatunternehmer -- Diamantenhändler in Westafrika und Baulöwen im Osten des Kontinents -- schadeten dein Ansehen ihres Staates.
Linke Afrikaner beschuldigten ·die Israelis, sie festigten reaktionäre Regime. So werde zum Beispiel die Hilfe an Äthiopien vorrangig beim Ausbau der Polizei verpulvert, obwohl 90 Prozent der Bevölkerung in Haue Selassies Reich von einer archaischen Landwirtschaft leben.
In Uganda, wo Israel seit Amins Machtübernahme im Januar 1971 zur beherrschenden Hilfsmacht aufgestiegen war, zeigten seine sonst zurückhaltend auftretenden Experten »eine Arroganz wie Amerikaner« (so »Jeune Afrique"). Botschafter David Laor »schätzte seine Position falsch ein« (ein Diplomat in Kampala), als er von General Amin Rechenschaft für dessen Flirt mit Libyen forderte. Wahrscheinlich trug das Verhalten des Missionschefs dazu bei, daß Amin im März die 700 israelischen Entwicklungshelfer auswies.
Nach dem Eklat mit Uganda überprüfen die Israelis nun die Grundsätze ihrer Afrika-Hilfe; denn »der Moment ist gekommen, neue Prioritäten zu definieren« (so die Zeitung »Haarez"). Anlaß zur Panik freilich sieht man in Jerusalem nicht: Andere afrikanische Länder fragten diskret an, ob in Uganda frei gewordenes Potential nicht bei ihnen eingesetzt werden könne.