Parteienfinanzierung Erst mal einsacken
Im neuen Plenarsaal des Bundestages zu Bonn am Rhein herrschte die Gemeinsamkeit der Demokraten. Am Freitag voriger Woche ging es ums Geld, und zwar um das eigene. Da übten die Etablierten von Union, SPD und FDP Solidarität.
»Im vierten Anlauf«, lobte der Liberale Burkhard Hirsch sich und andere, sei es mit dem endlich beschlossenen Gesetz gelungen, die Ausstattung der Parteien mit Staatsgeldern »auf eine verfassungsfeste Basis zu stellen«. Die SPD-Kollegin Inge Wettig-Danielmeier, zugleich Schatzmeisterin der Sozialdemokraten, pries das »letztlich fortschrittliche Parteiengesetz«. Und den Unionsmann Joachim Hörster - sonst kein Freund der Sozialdemokraten - drängte es, sich seiner Vorrednerin »ausdrücklich anzuschließen«.
Zum gegenseitigen Schulterklopfen gab es allen Anlaß: Erneut ist es den Parteien gelungen, mit Tricks die strengen Restriktionen des Bundesverfassungsgerichts zu umgehen.
Im April 1992 hatten die Karlsruher Richter die großzügige Bedienung der Parteien mit Staatsgeldern für verfassungswidrig erklärt. Eine Neuregelung müsse her, klar und durchsichtig.
Mehr als 230 Millionen Mark aus öffentlichen Kassen dürften die Parteien nicht bekommen - und die auch nur, wenn die Parteien selbst die gleiche Summe aus Spenden und Beiträgen herbeischafften. Die großzügige Steuerbegünstigung für Großspenden wurde als verfassungswidrig kassiert.
Karlsruhe, so klagte Hirsch am Freitag, habe mit seinem Spruch dem Parlament »leider wenig Alternativen« gelassen. Die Parteien, hin und her gerissen zwischen dem Respekt vor dem Verfassungsgericht und der Begehrlichkeit der aufgeblähten Parteizentralen, mußten sich etwas einfallen lassen.
Es ist ihnen etwas eingefallen. Nun soll zwar die Obergrenze von 230 Millionen Mark 1994 eingehalten werden. Aber schon im Jahr darauf klettert sie durch einen großzügigen Inflationsausgleich auf rund 268 Millionen. Das haben Union, FDP und SPD im Oktober in einem Spitzengespräch bei Kanzler Helmut Kohl fest vereinbart.
Selbst 1994 ist die Obergrenze von 230 Millionen Mark nur ein theoretischer Wert. Der Rechtsprofessor Horst Sendler, ehemaliger Präsident des Bundesverwaltungsgerichts und Vorsitzender der Parteienfinanzierungskommission, hat nachgerechnet: Zusätzlich werden die Parteien rund 100 Millionen Mark an »Abschlußzahlungen« aus der alten Regelung kassieren, außerdem noch gut 30 Millionen Mark aus dem für verfassungswidrig erklärten Chancenausgleich. Dazu kommen noch Staatsgelder für die Jugendverbände - von den Parteien, auch so ein Trick, aus den Regelungen des neuen Gesetzes ausgeklammert.
Alles in allem summieren sich so statt der 230 Millionen fast 400 Millionen Mark an Staatszuschüssen.
Die Neuregelung hält nicht nur der Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim aus Speyer für verfassungswidrig. Auch Sendler hat ernste Bedenken - und einen bösen Verdacht: »Die wollen erst mal die Millionen einsacken. Selbst wenn Karlsruhe auch dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt - das Geld können sie behalten.«
Wer Kritik an der Selbstbedienung übt, wird als Anti-Demokrat beschimpft. Der Finanzexperte Arnim, so höhnten Koalitionsabgeordnete, sei »unwissenschaftlich« und ein »Quacksalber«.
Weil der Abgeordnete Werner Schulz, Geschäftsführer vom Bündnis 90/Grüne, die Geldgier der Parteien rügte und für eine demokratischere Art der Finanzierung plädierte, sah sich die SPD-Schatzmeisterin im Plenum gar an braunes Gedankengut erinnert: Schon Carl Schmitt, konservativer Staatsrechtler und Wegbereiter der Nazis, habe sich hämisch über die Parteien ausgelassen. Die SPD-Geldeinnehmerin zum entgeisterten DDR-Bürgerrechtler Schulz: »Sie setzen diese unselige Tradition fort.«
Wenn's ums Geld geht, verlieren auch Sozialdemokraten den Kopf. Y