STEUERN Erster Treffer
Hermann Otto Solms, Fraktionsvorsitzender der Liberalen, sah in der vergangenen Woche wieder einmal eine Chance, den Ruf der FDP als Partei der Besserverdiener zu festigen - und er nutzte sie.
In einem rauhen Brief forderte der Fraktionschef den Finanzminister Theo Waigel (CSU) auf, Sportstars, Managern, Mittelständlern und Freiberuflern eine Steuervergünstigung noch zwei volle Jahre zu erhalten, die Waigel schon gestrichen hatte: Abfindungen, Erlöse aus Firmenverkäufen oder Kanzleiübergaben bis zur Höhe von 30 Millionen Mark sollen vorerst weiterhin nur mit einem Steuersatz von höchstens 26,5 Prozent belegt werden. Die geplante Erhöhung auf höchstens 35,3 Prozent entfällt.
Waigel gab nach: Auch Millionäre müssen dem Fiskus weiterhin von solchen Einkünften prozentual nur etwa soviel abgeben, wie der Staat derzeit jedem Hilfsarbeiter vom Lohn oberhalb des Existenzminimums abfordert.
Dieser nicht begründbare Steuervorteil wird nun erst im Jahr 1999 mit der großen Steuerreform abgeschafft. So steht es zumindest im Referentenentwurf für das im Hausjargon »Jumbo« genannte Reformwerk, den Theo Waigel am vergangenen Freitag mit viel Eigenlob vorstellte.
Doch die Zweifel an der Haltbarkeit seiner Gesetzesvorlagen sind wieder gewachsen. Schließlich war die Abschaffung des Steuervorteils für meist Wohlhabende im Referentenentwurf bislang rückwirkend schon für das gesamte Jahr 1997 verankert. In der Fassung, die am Dienstag dem Kabinett vorgelegt wird, ist die anstößige Gesetzesänderung getilgt.
Der Erfolg des Solmschen Vorstoßes bringt den Finanzminister in den Jahren 1997 und 1998 um Steuereinnahmen von etwa 5,5 Milliarden Mark. Für 1998 hält Waigel sich schadlos: Er verschlechtert die Abschreibungsbedingungen für Unternehmer bereits ein Jahr früher als geplant.
Damit macht der Finanzminister allerdings eine schöne Hoffnung zunichte, die er selbst genährt hat: Waigel hatte prophezeit, seine Ankündigung, vom Jahr 1999 an Abschreibungsvorteile zu kappen, werde die Unternehmer veranlassen, Investitionen massenhaft auf 1998 vorzuziehen, das Jahr, in dem letztmals zu günstigen Steuerbedingungen abgerechnet werden kann. Nun wird es so nichts mit dem Investitionsboom. Der Rest des Jahres 1997 währt nicht mehr lang genug, um komplizierte Großaufträge abzuwickeln.
Solms' Vorstoß stiftet aber mehr Schaden. Erstmals rührt ein mächtiges Mitglied der Waigelschen Steuerkommission an einem wichtigen Baustein des vereinbarten Kompromisses. Die Legitimation der Reformer, die Begehren anderer Interessenklubs abzuwehren, ist schon geschwächt, bevor die Schlacht richtig begonnen hat.
Die Gefahr sieht auch Solms. Deshalb begründet er seine Attacke auf Waigels Entwurf auch nicht damit, daß Freiberufler und Mittelständler ihn gedrängt hätten, um anstehende Firmenverkäufe etwa zur Finanzierung des Ruhestandes noch ohne Eile nach altem Muster abwickeln zu können. Vielmehr klagt der Liberale den Finanzminister - teilweise zu Recht - an, mit seinem Entwurf über die gemeinsam gefaßten Beschlüsse hinausgegangen zu sein.
Für die Unternehmerlobby ist das Ergebnis jedenfalls ein voller Erfolg, darauf hatte sie bei der internen Anhörung im Finanzministerium in der vorletzten Woche noch nicht zu hoffen gewagt. Dort gab es zaghafte Wünsche, der Finanzminister möge doch erwägen, den Steuervorteil nicht ganz zu streichen.
Ein Beamter fragte entgegenkommend, ob die Unternehmerschaft denn mit 35 Prozent leben könne, dem künftigen Spitzensteuersatz auf gewerbliche Einnahmen. Doch das ging dem Steuerabteilungsleiter Heinrich Rendels entschieden zu weit. Grundlage der Anhörung seien die Koalitionsbeschlüsse. Rendels: »Wir haben keine Dispositionsbefugnis.«
Erfahrungsgemäß sind die internen Anhörungen im Finanzministerium relativ sachliche Diskussionen. Die grobe Lobby-Arbeit folgt erst später, trotzdem aber landeten die Bilanzjuristen der Wirtschaft einen ersten Treffer.
Zur Finanzierung des niedrigeren Steuertarifs für gewerbliche Einkünfte - er sinkt 1998 im ersten Schritt von 47 auf 40 Prozent - will Waigel unter anderem ein »Wertaufholungsgebot« einführen. Das bedeutet: Eine in der Bilanz längst auf eine Mark abgeschriebene Werkzeugmaschine, die aber noch für zwei Millionen verkauft werden könnte, muß wieder mit diesem Wert geführt werden. Aus einem verdeckten Gewinn wird so ein offener, auf den der Fiskus zugreifen kann. Das soll dem Staat von 1998 an Jahr für Jahr fünf Milliarden Mark Mehreinnahmen bringen.
Wolfgang Ritter, Steuerexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie, machte sich über Waigels Gesetze lustig. Ob denn Siemens, wollte er wissen, zur Feier seines 150jährigen Jubiläums jetzt rückwirkend alle in der Bilanz aus alten Zeiten aufgeführten Posten neu bewerten solle. Im Prinzip, so der Steuerprofessor der Industrie, könne man mit einem Wertaufholungsgebot leben, aber nur von nun an. Die Schätze der Vergangenheit müßten unangetastet bleiben.
Geändert wird der Referentenentwurf trotz Ritters Intervention zwar nicht. Aber man einigte sich locker auf eine gemeinsame Interpretation: Die Neubewertung geht nur bis zum Jahr 1986 zurück, dem Jahr, in dem das geltende Bilanzrichtlinien-Gesetz wirksam wurde.
»Das kostet Waigel«, so ein Industrieexperte, »höchstens eine Milliarde.« Also sei es ein guter Kompromiß.