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»Es hätte auch Herr Müller sein können«

SPIEGEL-Gespräch mit dem DGB-Vorsitzenden Ernst Breit über die Folgen des Neue-Heimat-Verkaufs *
aus DER SPIEGEL 40/1986

SPIEGEL: Herr Breit, fürchten Sie, in der Geschichte der Arbeiterbewegung einmal einen besonders schlechten Platz einzunehmen?

BREIT: Das zu beurteilen, überlasse ich lieber der Nachwelt.

SPIEGEL: Man hat Sie »rücksichtsloser Frühkapitalist«, »Volksbetrüger«, »Totengräber der Gemeinwirtschaft«, »Verräter der Mitbestimmungsideale« genannt. Läßt Sie das alles kalt?

BREIT: Gewerkschafter werden häufiger beschimpft. Im Kampf für die 35-Stunden-Woche wurden wir »Totengräber der Volkswirtschaft« genannt.

SPIEGEL: Aber diesmal beschimpfen Sie nicht nur Ihre Gegner, sondern auch Ihre Freunde in der SPD. Wahlhilfe haben Sie den Sozialdemokraten ja wohl nicht geleistet.

BREIT: Das ist so. Der Verkauf der Neuen Heimat ist ein berechtigter Anlaß zu Unmut. Wir haben uns die Entscheidung sehr schwer gemacht, aber uns blieb nichts anderes übrig, als zu verkaufen.

SPIEGEL: Wirklich? Ihr Vermittler Meier-Preschany hatte die Banken doch schon überzeugt, noch ein weiteres Jahr stillzuhalten. Damit wären Sie aus dem Bundestagswahlkampf heraus und in ruhigeres Fahrwasser gekommen.

BREIT: Das sagen Sie so. Seit vier Jahren versuchen wir das Problem Neue Heimat zu lösen. Wir haben über 60000 Wohnungen verkauft, davon 11000 an Mieter. Aber seit neun Monaten läuft gar nichts mehr. Wir sind am Ende gegen eine Wand gelaufen. Die von uns beschrittenen Lösungswege wurden politisch zugemauert.

SPIEGEL: Warum mußten Sie gerade jetzt verkaufen?

BREIT: Wir haben große Schwierigkeiten, die Abschlüsse für das vergangene Jahr unter Dach und Fach zu bringen und die nötigen Testate der Wirtschaftsprüfer zu erhalten. Und das laufende Jahr ist nicht besser geworden.

SPIEGEL: Haben die Wirtschaftsprüfer die Testate für die Abschlüsse 1985 bislang verweigert?

BREIT: Nein, es hat schwierige Verhandlungen gegeben, die Testate zu erhalten. Sie sind nicht für alle Regionalgesellschaften ohne Einschränkungen erteilt worden.

SPIEGEL: Und deshalb blieb nur noch der Verkauf?

BREIT: Wir hätten es auch zum Konkurs kommen lassen können. Aber das wollten wir nicht. Wirtschaftlich wäre das vielleicht leichter gewesen, aber für Mieter und Beschäftigte der Neuen Heimat wären die Folgen nicht absehbar gewesen.

SPIEGEL: Es hätte noch eine andere Möglichkeit gegeben: Die Gewerkschaften schießen noch einmal Kapital nach. Als Gewerkschafter erwarten Sie doch von jedem anständigen Unternehmer, daß er seine Mittel voll ausschöpft, um den Betrieb und die Arbeitsplätze zu retten. Haben Sie das auch getan?

BREIT: Ja, im Rahmen des Vertretbaren.

SPIEGEL: Was heißt das?

BREIT: Der Rahmen des Vertretbaren ist die Aktionsfähigkeit der Gewerkschaften. _(Mit Redakteuren Stefan Baron, Lutz ) _(Spenneberg in der Düsseldorfer ) _(DGB-Zentrale. )

SPIEGEL: Und die war in einem Maße gefährdet, daß Sie für die Neue Heimat kein Geld mehr aufbringen konnten?

BREIT: Sie wäre gefährdet worden, wenn wir weiter so gezahlt hätten wie bisher.

SPIEGEL: Es ist doch nicht das Geld, das die Gewerkschaften aktionsfähig macht.

BREIT: Nicht allein, aber ohne Geld sind wir aktionsunfähig. Es ist ja kein Zufall, daß der Streikparagraph 116 in diesem Jahr geändert worden ist. Das Ziel war, die Aktionsfähigkeit der Gewerkschaften einzuschränken. Und das Geschrei, der reiche DGB müsse zahlen, diente im Grunde genommen auch nur dazu, die Aktionsfähigkeit der Gewerkschaften auf dem Umweg über die Finanzen weiter zu reduzieren.

SPIEGEL: Sie retten lieber das Geld als die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften?

BREIT: Wir retten nicht das Geld. Wir sorgen dafür, daß die Gewerkschaften in einer außerordentlich schwierigen Zeit für Arbeitnehmer handlungsfähig bleiben. Darauf hat uns die Basis auf dem letzten Gewerkschaftstag festgelegt. Da ging es um die Frage, ob weiteres Geld in die Neue Heimat hineingesteckt werden darf oder nicht. Die Antwort war: Es darf nicht.

SPIEGEL: Sie sagen, Sie mußten vor allem darauf achten, Ihre Finanzkraft zu erhalten, damit Sie aktionsfähig bleiben. Wenn Sie nicht glaubwürdig sind, sind Sie doch auch nicht aktionsfähig.

BREIT: Es ist überhaupt keine Frage, daß unsere Aktionskraft geschwächt ist und daß auch die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften eingeschränkt ist. Wir sind uns darüber klar, daß die Gegner der Gewerkschaften durchaus nicht erfolglos gewesen sind. Sonst wären wir ja nicht zu dieser Entscheidung gezwungen worden. Freiwillig haben wir sie nicht getroffen.

SPIEGEL: Nun haben Ihre Gegner Sie doch genau dahin gebracht, wo sie die Gewerkschaften haben wollten: in der Ecke, hilflos um sich schlagend.

BREIT: Wir werden aus dieser Ecke auch wieder herauskommen.

SPIEGEL: Können Sie denn ganz sicher sein, daß Sie durch den Verkauf aus der Haftung für die Neue Heimat herausgekommen sind? Die Banken sagen: Wir halten uns weiter an die alten Eigentümer der Neuen Heimat. Die Geldgeber berufen sich auf die Durchgriffshaftung und auf von der NH-Mutter abgegebene Patronatserklärungen.

BREIT: Die BGAG hat eindeutig erklärt, daß es Patronatserklärungen nicht gibt.

SPIEGEL: Und wie steht es mit der Durchgriffshaftung? Das ist doch eine ganz entscheidende Frage. Denn wenn Sie weiterhin haftbar gemacht werden können, war doch der Verkauf umsonst.

BREIT: Wir können nicht vor lauter Befürchtungen entscheidungsunfähig werden.

SPIEGEL: Haben Sie diese Frage prüfen lassen?

BREIT: Selbstverständlich ist das von unseren Juristen geprüft worden.

SPIEGEL: Herr Breit, wenn man Ihnen so zuhört, glaubt man einem x-beliebigen Unternehmenschef gegenüberzusitzen, nicht aber dem Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Sie sprechen von finanziellen Zwängen, von leider notwendigem schnellem Handeln. Man fragt sich, unterscheiden sich die Gewerkschaften als Unternehmer eigentlich noch von dem, was sie sonst so gern schnöde Kapitalisten nennen?

BREIT: Ein ganz normaler Unternehmer pflegt etwas zu unternehmen, um Geld zu verdienen, je mehr, desto besser. Das ist kein Motiv für die Gewerkschaften. Es ist auch kein Motiv gewesen für das Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat. Aber das ändert überhaupt nichts daran, daß solche Unternehmen den Zwängen des Marktes unterworfen sind.

SPIEGEL: Haben Sie in den letzten Tagen mit einem Betriebsrat geredet? Wie soll der in Zukunft die Belegschaft seines Unternehmens zum Kampf gegen Unternehmer-Willkür motivieren?

BREIT: Ich kann jeden Gewerkschafter verstehen, der über die Entwicklung außerordentlich betroffen ist. Aber ich glaube, jeder Gewerkschafter wird auch, wenn er die Fakten kennt, verstehen, daß es keine andere Lösung gab. Die 17 Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund sind eigentlich nicht dafür bekannt, besonders leichtfertig zu sein bei ihren Entscheidungen.

SPIEGEL: Das muß man spätestens seit dem Verkauf der NH ernsthaft bezweifeln. Was sprach eigentlich dagegen, das Übernahmeangebot von Herrn Schiesser offenzulegen?

BREIT: Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren in Angelegenheiten der Neuen Heimat gemacht haben.

SPIEGEL: Was meinen Sie damit?

BREIT: Ich meine damit die Einflußnahme, und das ist sehr zurückhaltend formuliert...

SPIEGEL: ... O nein, bitte halten Sie sich nicht zurück...

BREIT: ... auf Entscheidungen der Neuen Heimat aus Gründen, die mit der Sache, um die es geht, überhaupt nichts zu tun haben.

SPIEGEL: Geht es nicht etwas deutlicher?

BREIT: Das Übernahmeangebot des Herrn Schiesser wäre doch öffentlich kaputtgeredet worden und nicht mehr realisierbar gewesen. Dieses Risiko konnten wir nicht eingehen unter den gegebenen Umständen.

SPIEGEL: Die Betroffenen, Mieter und Beschäftigte der Neuen Heimat, blieben dabei auf der Strecke.

BREIT: Also, eine Mieterabstimmung können wir bei einer solchen Geschichte wohl nicht ernsthaft ins Auge fassen. Die

Arbeitnehmer sind in den Aufsichtsräten, die paritätisch besetzt sind, so beteiligt worden wie auch die Anteilseigner - zur gleichen Zeit und im gleichen Umfang.

SPIEGEL: Die Beschäftigten sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

BREIT: Die Beschäftigten sind seit vier Jahren voll über die Situation des Konzerns im Bilde. Die eigentliche Überraschung ist der Verkauf an einen privaten Unternehmer. Und darüber regen sich am meisten die politischen Freunde der Unternehmer auf. Die tun nun so, als hätten wir die NH dem Beelzebub ausgeliefert.

SPIEGEL: Nicht nur die Unternehmerfreunde regen sich auf. Der Betriebsratsvorsitzende der NH erklärte öffentlich, er sei entsetzt und enttäuscht.

BREIT: Ich habe ja nicht ohne Grund den Verkauf als drittbeste Lösung bezeichnet. Wir hatten gemeinsam mit den Vertretungen der Beschäftigten etwas ganz anderes vor. Daß es nicht gelungen ist, liegt sicher nicht nur an der Neuen Heimat und dem DGB.

SPIEGEL: Herr Breit, Sie reden nur von Mitbestimmung der Arbeitnehmer, wenn es andere angeht. Wenn Sie selbst diese Mitbestimmung praktizieren sollen und sie nicht ins Konzept paßt, dann werfen Sie sie ungeniert über Bord.

BREIT: Das stimmt nicht. Die Entscheidungsgremien, die diesen Verkauf zu beschließen hatten, sind paritätisch besetzt.

SPIEGEL: Wann haben die Arbeitnehmervertreter der NH von dem Verkauf erfahren?

BREIT: Letzte oder vorletzte Woche, genau wie alle Mitglieder des Aufsichtsrats das erfahren haben.

SPIEGEL: Da war die Sache doch schon unter Dach und Fach.

BREIT: Die Sache ist unter Dach und Fach, wenn der Aufsichtsrat beschlossen hat. Hätte der Aufsichtsrat vergangenen Donnerstag nein gesagt, dann wäre die Sache gestorben gewesen.

SPIEGEL: Immerhin haben Sie nur eine knappe Mehrheit im Aufsichtsrat der NH erhalten.

BREIT: Im Aufsichtsrat der NH haben wir eine Mehrheit erhalten, im Aufsichtsrat der Beteiligungsgesellschaft, der auch paritätisch besetzt ist, Einstimmigkeit erreicht.

SPIEGEL: Alle Vertreter der NH-Belegschaft haben gegen den Verkauf gestimmt. Sie haben im Aufsichtsrat der NH in Wahrheit keine echte Parität. Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Neuen Heimat sind zum Teil Vorsitzende von Gewerkschaften, die Anteile an der Neuen Heimat oder an der BGAG haben.

BREIT: Sie meinen die Gewerkschaftsvorsitzenden, die als externe Arbeitnehmervertreter von den Betriebsräten

der Unternehmen in die Aufsichtsräte gewählt werden?

SPIEGEL: Genau die. Die müssen doch ein gespaltenes Bewußtsein haben.

BREIT: Ich bin auch schon in dieser Rolle gewesen als Vorsitzender der Postgewerkschaft. Mit Bewußtseinsspaltung habe ich da keine Probleme gehabt. Allerdings, das gebe ich zu, war ich auch nie vor so schwierige Entscheidungen gestellt, wie sie jetzt zu treffen waren. Eins müssen Sie bei alledem aber auch bedenken: Es gibt keine Gewerkschaftsforderung auf Mitbestimmung beim Verkauf eines Unternehmens.

SPIEGEL: Sie argumentieren schon wieder formal. Die Gewerkschaften müssen es sich als selbsterklärte Vorkämpfer für mehr Mitbestimmung gefallen lassen, daß man ihnen gegenüber schärfere Maßstäbe anlegt. Wie wollen denn Gewerkschafter in Zukunft argumentieren, wenn sie morgens in der Zeitung lesen, ihr Unternehmen ist verkauft worden? Der Unternehmer hält denen doch kaltlächelnd das Beispiel Neue Heimat vor.

BREIT: Deswegen muß das aber noch nicht richtig sein. Wenn alle Unternehmen paritätisch besetzte Gremien hätten, dann wäre das vielleicht vergleichbar.

SPIEGEL: Solche Parität haben Sie doch selbst nicht - das haben wir ja gesehen. Gemeinwirtschaftliche Unternehmen sollen doch vorbildlich sein - oder?

BREIT: Ja.

SPIEGEL: Meinen Sie, daß Sie ein gutes Beispiel gegeben haben?

BREIT: Nein, wir haben kein gutes Beispiel gegeben. Aus der heutigen Perspektive muß man sagen, daß die Führung von Gewerkschafts-Unternehmen in schwierigen Verhältnissen, wie wir sie seit einigen Jahren zu verzeichnen haben, an Arbeitnehmerorganisationen Anforderungen stellt, die weit über das hinausgehen, was in einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen vergleichbarer Art zu verzeichnen ist.

SPIEGEL: Nämlich?

BREIT: Ich meine die politischen Einflüsse, denen Entscheidungsträger in und für solche Unternehmen unterworfen sind. Sie machen das Handeln schwierig bis unmöglich.

SPIEGEL: Das heißt doch, Sie sagen der sogenannten Gemeinwirtschaft, Ihrem Gegenentwurf zum gewöhnlichen Kapitalismus, ade.

BREIT: Nein. Gemeinwirtschaftliche Unternehmen unterscheiden sich nach wie vor in einem ganz entscheidenden Punkt vom normalen Unternehmen: Sie streben nicht nach Gewinnmaximierung. Aber mit einem haben Sie sicher recht, die Idee der Gemeinwirtschaft ist gründlich diskreditiert. Es wird lange dauern, bis das überwunden werden kann.

SPIEGEL: Und die hehre Idee der Mitbestimmung ist nun durch die Gewerkschaften

ebenfalls arg ramponiert worden.

BREIT: Also sagen wir mal, sie ist durch die jüngsten Ereignisse nicht gerade beflügelt worden, aber deswegen ist sie nicht falsch.

SPIEGEL: Die NH hatte als gemeinwirtschaftliches Unternehmen das erklärte Ziel, Wohnungen für Bedürftige, für die Arbeitnehmerfamilien zu schaffen. Die NH-Mieter sehen sich jetzt einem privaten Eigentümer gegenüber, von dem sie nicht wissen, ob er die Mieten so niedrig halten wird, wie sie derzeit sind. Können Sie diese Leute beruhigen?

BREIT: Was wir zur Erhaltung der Sozialbindung der Mieten tun können, das haben wir in dem Vertrag mit Herrn Schiesser getan.

SPIEGEL: Im Vertrag mit Herrn Schiesser steht: Ziel sei es, die Gemeinnützigkeit der NH beizubehalten. Das ist doch bloß eine Absichtserklärung ohne jeden praktischen Nutzen.

BREIT: Herr Schiesser hat dieses Ziel noch einmal in einer eidesstattlichen Erklärung ausdrücklich bestätigt und als Geschäftsgrundlage bezeichnet. An der Ernsthaftigkeit seines Willens zu zweifeln, haben wir danach kein Recht mehr.

SPIEGEL: Mißtrauen wäre da schon angebracht.

BREIT: Ein gesundes Mißtrauen ist immer angebracht.

SPIEGEL: Sie lassen sich von Herrn Schiesser erklären, daß es bei der Sozialbindung bleiben soll, Sie geben ihm noch eine stattliche Summe mit auf den Weg. Damit kaschieren Sie doch nur notdürftig, daß Sie sich aus der Verantwortung stehlen und Zeit bis zum endgültigen Bankrott verstreichen lassen wollen.

BREIT: Einspruch. Wir verabschieden uns nicht einfach von der Neuen Heimat, wie das in der Öffentlichkeit zur Zeit vorzugsweise dargestellt wird. Die Liquiditätszuschüsse, die Erhöhung des Grundkapitals und andere Hilfen machen deutlich, daß es uns nicht egal ist, was der Herr Schiesser mit der Neuen Heimat macht.

SPIEGEL: Warum haben Sie nicht die Wohnungen gleich an die Mieter verschenkt statt an Herrn Schiesser?

BREIT: Wenn wir die Schulden auch hätten verschenken können, wäre das vielleicht ein Weg gewesen.

SPIEGEL: Was hat Sie eigentlich auf die Idee gebracht, daß Herr Schiesser der richtige Käufer ist?

BREIT: Es hätte auch Herr Müller sein können, wenn er das Angebot gemacht hätte. Aber ein Müller, Meier, Schulze kam nicht. Herr Schiesser kam.

SPIEGEL: Was kann er besser als Sie?

BREIT: Ob er etwas besser kann, darüber kann man streiten. Aber er hat es leichter, denn er steht nicht unter dem politischen Druck, unter dem wir leiden. Alles, was wir versuchten, wurde uns doch gleich als finstere Winkelzüge ausgelegt.

SPIEGEL: Der Verkauf an Schiesser war die reine Not?

BREIT: Ja, das war die reine Notwendigkeit.

SPIEGEL: Herr Breit, 1982, als der Neue-Heimat-Skandal seinen Anfang nahm, sagte Ihr Vorgänger Heinz Oskar Vetter, das Renommee der Gewerkschaften stehe auf dem Spiel. Heute, viereinhalb Jahre später, haben Sie nun den letzten Rest von Gewerkschaftsrenommee auch noch verspielt.

BREIT: Das Renommee der Gewerkschaften haben wir sicherlich nicht gefördert, indem wir die Neue Heimat an einen Privatunternehmer verkauft haben. Das bestreite ich nicht.

SPIEGEL: Wenn Sie einräumen, daß die Gewerkschaften geschwächt, letztlich sogar geschädigt worden sind, müßten Sie dann daraus nicht persönliche Konsequenzen ziehen?

BREIT: Es geht doch dabei nicht um eine einzelne Person.

SPIEGEL: Sie sind der Verantwortliche als Aufsichtsratsvorsitzender der Neuen Heimat und als DGB-Vorsitzender.

BREIT: Richtig, aber ich gehe bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, daß ich nicht gewählt wurde, damit ich, wenn die Dinge mal wirklich schwierig werden, die Brocken hinschmeiße.

SPIEGEL: Sie sind der Chef, der muß immer den Kopf hinhalten.

BREIT: Alle, die diese Entscheidung getroffen haben, handelten in voller Verantwortlichkeit gegenüber denen, die sie gewählt haben. Die Entscheidung nicht zu treffen hätte die Interessen der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder in viel stärkerem Maße beeinträchtigt, als die Entscheidung zu treffen. Das heißt nicht, daß die Entscheidung die gewerkschaftlichen Interessen gefördert hat. Sie hat eigentlich nur verhindert, daß die Gewerkschaftsinteressen noch stärker geschädigt wurden.

SPIEGEL: Wäre es nicht dennoch besser, mit einem neuen DGB-Vorsitzenden einen neuen Anfang zu machen?

BREIT: Das entscheide nicht ich.

SPIEGEL: Sie können doch vor Ihre Mitglieder treten und sagen: Ich bin belastet durch den NH-Verkauf. Einer mußte die Dreckarbeit erledigen, wählt einen Unbelasteten an meiner Stelle.

BREIT: Ich habe nicht das Gefühl, Dreckarbeit gemacht zu haben. Ich habe vielmehr das Gefühl, in einer außerordentlich schwierigen Phase eine Entscheidung zuwege gebracht zu haben, die das geringere Übel ist.

SPIEGEL: Herr Breit, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Mit Redakteuren Stefan Baron, Lutz Spenneberg in der DüsseldorferDGB-Zentrale.

St. Baron, L. Spenneberg

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