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SAMBIA Esel der Afrikaner

Der Frontstaat öffnet seine Grenze nach Rhodesien, um dem wirtschaftlichen Ruin zu entgehen.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Einen so kühlen Empfang hatten die Staatschefs Samora Machel und Julius Nyerere lange nicht erlebt: kein roter Teppich, keine Ehrenkompanie, keine Hymnen.

Im State House von Lusaka schlug den Besuchern aus Mosambik und Tansania eine eisige Atmosphäre entgegen. Sambias Staatschef Kenneth Kaunda teilte nur mit, seine Entscheidung sei endgültig, man möge ihn nicht länger belästigen. Eine Stunde später war der Staatsbesuch beendet.

Weil Kenneth Kaunda nicht länger »der Esel aller Afrikaner« sein will, hat er nach fünf Jahren Betriebspause die Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs mit Südafrika und Rhodesien angeordnet. Statt in Daressalam (Tansania) und Beira (Mosambik) wird Sambias Kupfer jetzt in südafrikanischen Häfen umgeschlagen.

Kaundas Alleingang ist von außen inspiriert: Der Internationale Währungsfonds hatte Anfang des Jahres die Erteilung eines 390-Millionen-Dollar-Kredites von Kaundas Zustimmung zur Öffnung der Südgrenze abhängig gemacht.

Seit am Sambesi vor gut fünf Jahren die Schranken heruntergingen, lebt Sambia am Rande des Desasters. Die Barren aus den Kupferminen, die neun Zehntel der sambischen Deviseneinkünfte bringen, blieben oft monatelang auf Halde liegen, weil es an Transportmitteln fehlte.

Nach der Grenzschließung wurde der Engpaß so bedrohlich, daß Kaunda das Kupfer in gecharterten »Hercules«-Maschinen ausfliegen lassen mußte. Ein geringerer Teil wurde in Lkws über die »Great North Road« quer durch Tansania zum 2000 Kilometer entfernten Kenia-Hafen Mombasa verfrachtet.

Das Ende des portugiesischen Kolonialreiches eröffnete Sambia zwei neue Alternativrouten: die Benguela-Bahn, die den sambischen Kupfergürtel mit dem Angola-Hafen Lobito verbindet, und die -- freilich umständliche -- Bahn-Straßen-Verbindung nach Beira in Mosambik.

Der Angola-Krieg setzte die Benguela-Bahn 1975 außer Betrieb. Aber gerade noch rechtzeitig wurde die von China in sechsjähriger Plackerei gebaute »Uhuru«-Eisenbahn fertig. Die 1850 Kilometer lange Schienenstrecke zwischen Kapiri Mposhi bei Lusaka und der Tansania-Hauptstadt Daressalam sollte Sambia gegen »die politischen Erpressungsmanöver der Weißen immun machen« (Kaunda).

Die Rechnung stimmte, allerdings nur fürs erste Jahr. Dann traten die chinesischen Ingenieure das Kommando über die Uhuru-Bahn an die Afrikaner ab. Und von da an ging es steil bergab. Die schwarzen Eisenbahner wirtschafteten die Bahn in knapp zwei Jahren auf ein Viertel ihrer Ursprungskapazität herunter.

Inzwischen sind von den 2100 Frachtwaggons nur noch tausend einsatzfähig, von den 27 Lokomotiven. die auf der sambischen Teilstrecke verkehren, nur noch acht. Die Folgen sind katastrophal: Am sambischen Ende der Bahnlinie stapeln sich 140 000 Tonnen verkaufte Kupferbarren.

Im feuchtheißen Klima von Daressalam verrotteten Zigtausende von Tonnen Düngemittel, die die sambische Landwirtschaft dringend für die bevorstehende Mais-Aussaat benötigt.

Der Kenia-Hafen Mombasa kann nicht benutzt werden, weil Tansania die Grenze nach Kenia gesperrt hat: Nyerere bestand darauf. das sambische Kupfer mit der »Uhuru«-Bahn zu transportieren -- ganz gleich. oh se funktionierte oder nicht. »Noch mehr von solchen Freunden«. klagte die »Times of Zambia«, »und wir sind pleite.«

Der Grenzverkehr zwischen Sambia und Rhodesien war nie ganz unterbrochen worden. Gegen deftige Transitgebühren hatte Sambia jahrelang Güterzüge aus der zairischen Minenprovinz Shaba passieren lassen. Die Waggons wurden von sambischen Lokomotiven mit einem Schuhs über die Brücke an den Victoria-Fällen befördert und auf der anderen Seite von rhodesischen Loks übernommen.

Die Regierung in Lusaka sah auch stillschweigend zu. wie sambische Privatunternehmer das Embargo auf der Fernstraße über Botswana unterliefen.

Der Bruch Sambias mit seinen militanten Nachbarn Tansania und Mosambik vertieft auch die Kluft im schwarzen Widerstand gegen die Übergangsregierung in Rhodesien. Guerilla-Boß und Kaunda-Protegé Joshua Nkomo hat die Grenzöffnung abgesegnet. Anders Nkomo-Rivale Robert Mugabe. Er verkündete letzte Woche in Maputo: »Wir jagen die Bahn in die Luft.«

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