VEREINE / CSU-FREUNDESKREISE Etwas dagegenhalten
Franz Josef Strauß, Mitte letzter Woche nach zehntägiger USA-Vortragstournee heimgekehrt, ging im Plenarsaal des Bonner Bundeshauses den CDU-Chef an: »Was liest man da, Sie denken jetzt schon an Rücktritt?«
Doch Kurt Georg Kiesinger, seit der Wiederwahl auf dem Mainzer Parteikonvent im vergangenen November halbherziger Vorsitzender der Christdemokraten, dementierte, was am selben Tag die »Süddeutsche Zeitung« meldete: Er wolle vor Ablauf seiner zweijährigen Amtszeit zurücktreten, weil er »selbst beim Scheitern dieser Bundesregierung vermutlich von der eigenen Partei nicht mehr als Kanzlerkandidat aufgestellt und sicherlich kein möglicher Koalitionspartner ihn akzeptieren würde«.
Kiesinger zu CSU-Chef Strauß: »Wir müssen bald mal über so vieles sprechen, Herr Strauß.« Den Kanzler außer Diensten beunruhigte die Gründung von Freundeskreisen der CSU außerhalb Bayerns, so in Stuttgart, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Hannover, Hamburg, Saarbrücken und Berlin.
In den Zusammenschlüssen von Strauß-Fans auf CDU-Hoheitsgebiet wittert Kiesinger einen Machtzuwachs für den ehrgeizigen Bayern. Vor allem aber fürchtet er, die Aktivität der CSU-Vereine könnte zu Wahleinbußen der CDU führen, die Partei möglicherweise spalten und die Ausbreitung der CSU auf Bundesebene vorbereiten. Denn schon im Spätsommer 1968 hatte Strauß auf einer Klausurtagung seiner CSU-Oberen in Bad Reichenhall die Umwandlung der auf Bayern beschränkten Christlich-Sozialen Union zur Partei auf Bundesebene erwogen.
Damals, unzufrieden mit der Politik Kiesingers als Kanzler der Großen Koalition, berieten die CSU-Vormänner einen Dreistufen-Plan, der verwirklicht werden sollte, wenn Bonn gegen den erbitterten Widerstand von Strauß dem Atomsperrvertrag beitreten würde. Strauß erwog für diesen Fall
* Rückzug der CSU-Minister aus dem Bundeskabinett,
* Auflösung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag und
* Begründung der CSU als Bundespartei.
Strauß im Reichenhaller Vertrautenkreis: »Man muß sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. So hat es auch de Gaulle gemacht. Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren,« Denn, so der Bayer, »mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein«.
* Nach einer Farbbeutel-Schlacht mit demonstrierenden Studenten im Frühling 1988 vor der Universität Köln!
Heute jedoch wahrt Strauß vorsichtig Abstand von seinen Hilfstruppen, die sich außerhalb Bayerns als Vereine etablieren und als ihr Ziel, so die nordrhein-westfälischen CSU-Freunde, die »überregionale Unterstützung der von der CSU und ihrem Vorsitzenden Franz Josef Strauß namentlich in der Deutschlandpolitik propagierten Politik« verkünden.
Strauß: »Ich habe weder bei den Gründungen Hilfestellung geleistet noch sie angeregt. Auch kenne ich die Leute nicht. Da sollen ja politische Wirrköpfe drunter sein.«
Zwar schmeichelt dem CSU-Vorsitzenden das Bekenntnis der Freundeskreise zu seiner »harten Oppositionshaltung« (Strauß) gegenüber der Brandt/Scheel-Regierung. Aber er will sich von den vorerst auf lokaler und Landesebene gebildeten Vereinen nicht in die Rolle des Störenfrieds und Spalters der CDU hineinmanövrieren lassen: »Ich meine, diese Leute sollten besser ihren ganzen Einfluß darauf ausüben, innerhalb der CDU die CSU-Politik durchzusetzen.«
Dazu sind die außerbayrischen Strauß-Freunde freilich kaum geeignet. Als sich die nordrhein-westfälischen CSU-Promoter Ende Februar in Bensberg bei Köln erstmals zu einem Landesverband zusammenschlossen, war unter den Gründungsmitgliedern neben dein Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. Werner Straub (Vorsitzender) und dem Studienassessor Klaus Ruby auch der exzentrische Byzantinistik-Professor Berthold Rubin. Er hatte 1962 mit Hammer und Meißel ein Loch in die Berliner Mauer schlagen wollen, später war er mit dem Fallschirm über Schottland abgesprungen, um für die Freilassung von Rudolf Heß zu demonstrieren, und während eines studentischen Sit-ins war er in seinem Auto mit Vollgas gegen die Eingangstür der Kölner Universität gerast.
Die drei Amateur-Politiker postulierten:
* Abwehr der Gefahren einseitiger Zugeständnisse in der Deutschland- und Europapolitik »auf der von Franz Josef vertretenen Linie«;
* »Wiedervereinigung in Freiheit als Voraussetzung einer europäischen Friedenspolitik«;
* »Kompromißlosigkeit bei der Forderung nach Selbstbestimmungsrecht auch für Deutschland«.
Formulierungshelfer der Bensberger Strauß-Verehrer war Wolfgang Sinnemann, 34, Verlagsleiter der CDUnahen Kölner Wochenzeitung »Das deutsche Wort« (Auflage: 22 000). Der aus Thüringen stammende Werbekaufmann versucht das Blatt wirtschaftlich durch deutlichere Rechts-Profilierung und Vertriebenen-Pathos zu stärken. Seit Anfang des Jahres steht er in einem besonderen Verhältnis zu seinem Polit-Idol: Mit dem Strauß-Intimus und »Bayernkurier« -- Dirigenten Marcel Hepp verabredete Sinnemann die Übernahme von Artikeln der CSU-Gazette in sein Blatt.
Sinnemann übernahm die Sprecherrolle für die NRW-Freundeskreise und nörgelte Strauß-konform: »Was die CDU zur Zeit praktiziert, ist nur Störung der Regierungsarbeit und keine Darstellung konstruktiver Ideen und Konzeptionen. Man muß doch Brandt etwas dagegenhalten.« Sinnemanns Zielvorstellung: »Auch die CDU muß erkennen, daß sich als zukünftiger Kanzlerkandidat nur Franz Josef Strauß anbietet.«
Von solchen Elogen freilich distanziert sich der CSU-Chef nicht: »Es ist wahr, daß man mir jetzt viel Sympathie entgegenbringt, das ist ein Prozeß der Willensbildung.«
Die Namen potentieller Kanzlerkandidaten aus der CDU wie Rainer Barzel, Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder Heinrich Köppler wischt der Bayer vom Tisch: »Das ist doch alles nur ein Trockenskikurs.«