KUHFLADEN Etwas gezwiebelt
Am 20. Juni dieses Jahres, 7.30 Uhr, geschah in der saarländischen Landgemeinde Heiligenwald nichts Ungewöhnliches: Auf dem 1,5 Kilometer langen Weg vom Stall zur Wiese ließen die siebzehn Kühe des Bauern Reinhold Wachter, 35, acht Fladen fallen.
Seither beschäftigt der Kuhmist an der Saar die Grüne Front, die Justiz und die Regierung. Juristen des Bauernverbands und des Innenministeriums suchen in Kommentaren zum Verkehrsrecht zu ergründen, ob ein Bauer für die Hinterlassenschaft seiner Haustiere, falls sie auf der Straße liegt, verantwortlich zu machen ist oder nicht. Saar -Regierungsrat Werner Marges ist ratlos: »Die Sache ist sehr problematisch.«
Für den Oberamtsrichter Ludwig Kockler, 44, aus der Kreisstadt Ottweiler war die Sache allerdings schon Ende Juni klar. »Wegen Straßenverschmutzung und Verkehrsgefährdung nach Paragraph 41 StVO« schickte er Landmann Wachter eine Strafverfügung über 30 Mark ins Haus. Als sich das Drama auf Heiligenwalds Dorfstraßen am 29. Juli sowie am 1., 2. und 3. August wiederholte, bat Richter Kockler den Viehhalter ein zweites Mal zur Kasse. Diesmal sollte Wachter 35 Mark zahlen. Doch Bauer Wachter dachte nicht daran, für die Kuhfladen 65 Mark zu berappen. Unterstützt vom Saarländischen Bauernverband, erhob er gegen die Strafverfügung Einspruch. Richter Kockler hatte ein Einsehen und stellte das Verfahren am 21. September nach einstündiger Verhandlung ein. Aber, so Kockler hinterher: »Eine gewisse Schuld ist dennoch zu bejahen.«
Landmann Wachter wäre ein Urteil lieber gewesen. Denn wenn er will, kann der Richter aus Ottweiler dem Bauern jetzt täglich neue Geldstrafen verschreiben. Rechtsbeistand Zuhorn: »Das Problem ist nicht gelöst. Der Richter ist einer Entscheidung ausgewichen.«
Keinesfalls, so Zuhorn, sei es einem Landwirt zuzumuten, »täglich drei Kilometer weit mit Eimer, Schaufel und Handfeger hinter seinen Kühen herzulaufen«. Auch habe der Bauer auf den Stoffwechsel der Tiere keinen Einfluß. Reinhold Wachter erklärte das dem Kadi einfacher: »Was kann ich dafür, wenn die Viecher scheißen.«
Ob Paragraph 41 der Straßenverkehrs-Ordnung, der das Liegenlassen verkehrsbehindernder Gegenstände auf öffentlichen Straßen verbietet, im Falle Wachter überhaupt hätte herangezogen werden dürfen, ist ohnehin fraglich. Denn laut Kommentar des Verkehrsrechtlers Dr. Fritz Müller sind »tierische Ausscheidungen nicht als Gegenstände anzusehen«.
Schon einmal, im Dezember 1965, hatte der Saarländische Bauernverband einen Viehhalter - Bauer Eduard Schwinn, 58, aus Erbringen (Kreis Merzig-Wadern) - vor einer Kuhfladen -Buße bewahrt. Anhand des Paragraphen 16 des Saarländischen Straßengesetzes, ("Wer eine öffentliche Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, hat die Verunreinigung unverzüglich ohne Aufforderung zu beseitigen") stellte damals Bauernverband-Geschäftsführer Norbert John in einer Eingabe an den Kreisrechtsausschuß klar, »daß Verursacher der Verunreinigung nicht der Bauer; sondern die Kuh war«. Ein Rindvieh sei aber keine Rechtsperson und könne mithin nicht belangt werden.
Die Amtsverwaltung Beckingen war von diesem Argument so beeindruckt, daß sie eine zuvor erlassene Fladenverfügung zurücknahm.
Reinhold Wachter aus Heiligenwald rechnet dennoch mit neuen Anzeigen. Als einer der letzten drei Bauern in dem vorwiegend von Saar-Bergleuten besiedelten 6000-Seelen-Dorf hemmt er mit seinen Kühen die Entwicklung der Kommune zur stadtgleichen Wohngemeinde. Zum Unglück grenzt auch noch die neue Schule an seinen Misthaufen.
Über die Aussiedlung des Hofes konnten sich Wachter und die Gemeindeverwaltung bisher nicht einigen. Anwalt Zuhorn: »Da wird der arme Mann halt mit Hilfe der Kuhfladen etwas gezwiebelt.«
Ehepaar Wachter, Rindvieh: Eimer, Schaufel, Handfeger