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EX-NAZIS IM GEHEIMDIENST

aus DER SPIEGEL 16/1965

In SPIEGEL 4/1965 hatte Dr. Günther Nollau, Leitender Regierungsdirektor im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz, den bestsellenden Geheimdienstroman »Der Spion, der aus der Kälte kam« von John le Carré kritisiert. Nollaus Fazit: »Nichts ist authentisch.«

In SPIEGEL 14/1965 hat John le Carré die Kritik Nollaus am »Spion« kritisiert. Carrés Ironisches Fazit: »Ich freue mich schon auf Herrn Nollaus nächsten Artikel. Vielleicht wird er sich darin mit Kafka beschäftigen. Er könnte dann aufgrund genauer Kenntnis widerlegen, daß in irgendeinem Staat jemals ein Prozeß geführt wurde, ohne daß eine Anklage erhoben worden wäre.«

In dieser Kritik an seiner Kritik fand nun wieder Dr. Nollau einen Absatz, der ihn zum Widerspruch reizte:

John le Carré freut sich auf meinen nächsten Artikel: Hier ist er aber nicht über Kafka - der kann nicht zurückschießen.

An John le Carrés Apologie hat mich besonders interessiert: »Die vielleicht erstaunlichste Kritik Herrn Nollaus steht unausgesprochen im vorletzten Absatz seines Artikels. Ich finde nichts Verwunderliches daran, daß es im ostdeutschen Geheimdienst Ex-Nazis und Antisemiten gibt. Diese peinliche Situation ist weiß Gott kein Monopol der Bundesrepublik.«

Weiß Gott? Ich bin nicht sicher. Alle wissen: In den Nachrichtendiensten der Bundesrepublik hat es Ex-Nazis gegeben, und wir haben dafür bezahlt. Der Verrat des Ex -Gestapomannes Felfe ist uns teuer zu stehen gekommen. Und im Osten? Ex-Nazis in der Verwaltung gibt es hier und da - bekannte und unbekannte. Im Februar 1963 flog Karl -Heinz Bartsch, SED/ZK-Mitglied und stellvertretender Minister, in hohem Bogen aus seinem Amt, weil er seine Waffen-SS-Vergangenheit verschwiegen hatte.

Ich kenne aber keinen Ex-Nazi, der drüben im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beschäftigt war oder ist. In diesem Punkte hatte ich den Autor nur im Geist kritisiert, denn Negatives zu beweisen ist schwer. Unbeweisbar sind sensationelle Berichte, an denen le Carré seine Meinung gebildet zu haben scheint, zum Beispiel die Story, Gestapo-Amtschef Müller habe im Sicherheitsdienst der Sowjetzone gearbeitet und sei dann über Ungarn nach Albanien »versetzt« worden.

Hatten wir hier ein trauriges Monopol? Das hätte uns vom MfS unterschieden. Aber nicht nur das. Wir dürfen unausgesprochene Kritik diskutieren. Günther Nollau

Günther Nollau

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