STANGL »F.S.«
Nach 42 Verhandlungstagen fällte das Düsseldorfer Schwurgericht am Dienstag vergangener Woche das Urteil über Franz Paul Stangl, 62, den ehemaligen Kommandanten des Vernichtungslagers Treblinka: lebenslanger Freiheitsentzug »wegen Mordes in mindestens 400 000 Fällen«.
Zweieinhalb Stunden lang schilderte der Gerichtsvorsitzende Dr. Heinz Meven, was zwischen September 1942 und August 1943 nordöstlich von Warschau geschehen war. Doch die Straftat des SS-Hauptsturmführers, der erst 1967 in Brasilien verhaftet wurde, konnte der Richter niemandem Im Verhandlungssaal -- außer Stangl selber -- begreiflich machen. Es waren Untaten, deren Dimension und Grausamkeit, deren Perfidie und Sadismus mit juristischen Kategorien nicht mehr faßbar sind.
In weißer Uniformjacke und schwarzen Lackstiefeln, die lederne Peitsche mit den Initialen »F.S. aus Zahngold von vergasten Häftlingen am Handgelenk, trieb Stangl die SS-Leute in der »Vernichtungsfabrik« (Meven) zu gesteigerter Mordleistung. Bis zu 18 000 Juden ließ er täglich umbringen. Unter seiner Herrschaft wurde die Gasproduktion erhöht, die Kapazität der Gaskammern verzehnfacht und die Leichenbeseitigung perfektioniert.
Hundert und mehr Opfer peitschten die Wärter des Lagerleiters aus je einem Waggon der Vernichtungszüge auf die Rampe und zur Entkleidung. Wer auffiel oder »gestempelt« (krank) war, wurde erschlagen, erstochen, durch Genickschuß getötet. Die meisten mußten angeblich zum Duschen, in Wahrheit ins Gas.
Ihre Todesschreie will Stangl nie gehört haben. Und auch das Schwurgericht konnte dem Tötungstechniker nicht einen einzigen eigenhändigen Mord nachweisen. Stangl ließ morden. Er war ein Gehilfe der Endlösung, der wußte, was er tat.
Die Strafe, lebenslänglich, braucht der Verurteilte nicht voll abzusitzen. Die Begnadigung, von Brasilien bei der Auslieferung zur Bedingung gemacht, ist ihm schon seit drei Jahren sicher.