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Briefe

Fadenscheinige Gründe
aus DER SPIEGEL 10/1978

Fadenscheinige Gründe

(Nr. 6/1978, SPIEGEL-Interview mit dem Zivildienst-Beauftragten Iven über den Wehrdienstverweigerer-Konflikt)

Sicher gibt es im Zivildienst schwierige Jobs, beispielsweise die Arbeit in einer psychiatrischen Klinik u. ä. Daß die nervlichen und seelischen Belastungen hier extrem hoch sind, wird akzeptiert, auch von Bundeswehrsoldaten.

Doch die große Mehrheit der Wehrpflichtigen tut in Kampftruppen Dienst, und was meinen Sie, welch körperliche und seelische Strapazen der Soldat zu ertragen hat, wenn diese Kampftruppen bei der derzeitigen Witterung auf Manöver mit Zelten draußen sind?!

Verständlich, daß sich Wehrdienstleistende angeschmiert vorkommen, wenn sie hören, daß ihre Kameraden vom Zivildienst draußen streiken können, ohne mit ernsten disziplinarrechtlichen Folgen rechnen zu messen. Ganz abgesehen davon wild die Unbill, die manchen Zivildienstier treffen mag, dadurch wesentlich gemildert, daß er zu Hause bei Muttern wohnen und die Haare lang tragen darf, am Wochenende dienstfrei hat und sieh auf eine geregelte Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag verlassen kann, alles Vorzüge, die einem (auch noch kasernierten!) Rekruten gänzlich abgehen.

Hammelburg VEIT WISWESSER

Soldat

Hier wird einmal mehr deutlich, wie sehr doch unter dieser von der SPD geführten Bundesregierung zwischenzeitlich demokratische Grundrechte abgebaut worden sind und -- dies ist nach aufmerksamem Lesen des Interviews wohl zu befürchten zukünftig wohl noch mehr abgebaut werden. So möchte der Herr Iven es wohl gerne. Es ist schlimm zu lesen, wie dieser Mann die »Alternative Zivildienst« sieht.

Hamburg PETER SOLTAU

In der Schweiz. meinem Heimatland, gehen Leute, die keinen Militärdienst machen wollen, um ihrer Überzeugung willen ins Gefängnis. Insofern finde ich den hiesigen Streit lächerlich.

Nürnberg HANS RAST

Die von Hans Iven genannten Gründe für die angedrohten Repressalien gegen die streikenden Zivildienstleistenden sind sehr fadenscheinig. Der prozentuale Anteil der Zivildienstleistenden, die bei Mutti und Braut wohnen möchten und deshalb verweigern, ist minimal. Wobei einem normal empfindenden Menschen diese Männer bedeutend sympathischer sein müssen als jene Minderheit, die ihre rechtsradikale Veranlagung bei der Bundeswehr ungestört pflegen darf. Es wäre an der Zett, mit dem Vorurteil der Drückebergerei der Kriegsdienstverweigerer zu brechen.

ULRICH HENNIGS

Der Sozialdemokrat Iven sollte sich, statt dümmliche Sprüche zu klopfen, der Beschlußlage seiner (?) Partei erinnern: Abschaffung des Prüfungsverfahrens, zeitliche Angleichung des Zivildienstes an den Wehrdienst, Einsatz von Zivildienstleistenden im sozialpädagogischen Bereich. Keine dieser alten sozialdemokratischen Forderungen wurde letztlich realisiert. Im Gegenteil: Jene, die sich für die Durchsetzung stark machen, werden verfolgt. Iven geriert sieh als Vollstrecker konservativer Politik und gefällt sich offenbar in dieser Rolle.

Ober-Ramstadt PETER-AIFONS FRIEDE

Kriegsdienstverweigerer

Ich würde Herrn Iven auffordern, nur einen Tag dieselbe Arbeit zu tun, die ich sechzehn Monate getan habe -- die Betreuung und Pflege von schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen. Bad t jeberuell JAN WURFER Student der Sonderpädagogik

ehemaliger Zivildinstleistender in einem Heim für mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche

Schade, daß es kein Mißtrauensvotum der Betroffenen gegen einen Bundesbeauftragten gibt. Herr Iven würde sich wohl kaum auf das Vertrauen derjenigen stützen können, deren Zivildienst er als lästige Alternative gestalten möchte, statt ihn unverkrampft als einen neben und in Konkurrenz zum Wehrdienst zu bejahenden Dienst im Interesse dieses Staates und für das Ziel des Friedens unter allen Völkern und Menschen in einer positiven Weise zu beeinflussen.

Unterhaching HEINZ GREMPEL

Die unqualifizierte Art und Weise, wie Hans Iven mit den Interessen des Zivildienstes und der Zivildienstleistenden umgeht, ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für jeden überzeugten Sozialdemokraten ein Ärgernis. Die Bundesregierung täte gut daran, diesen »Zivildienstbeauftragten« endlich in die Wüste zu schicken. Sonst steht am Ende der Gedankenkette Ivens über die Zukunft des Zivildienstes noch eine Art Volksmiliz, wie es sie in totalitären Staaten gibt. Wer den Zivildienst zu einer »lästigen Alternative« zum Wehrdienst verkommen lassen will, tritt Art. 4,3 Grundgesetz mit den Fußen.

Weingarten WILLI BERNHARD Kreisvorsitzender der Jungsozialisten und ehemaliger Bundeswehroffizier

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