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Briefe

FAHNENFLUCHT
aus DER SPIEGEL 14/1971

FAHNENFLUCHT

(Nr. 12/1971, Bundeswehr)

Ihr Artikel über das Urteil gegen den Exmajor Kruse beweist wieder einmal, daß vor dem Richter alle Menschen gleich sind, nur manche etwas gleicher. Die verhältnismäßig schwere Strafe von einem Jahr mit Bewährung wird in der Berufungsverhandlung hoffentlich noch gemildert, denn der Schaden, den die BRD durch das Verhalten des Herrn Kruse erlitt, Ist doch sehr gering, vergleicht man den Schaden, der entsteht, wenn sich ein Wehrpflichtiger für einige Stunden von seiner Truppe entfernt, um seiner im Krankenhaus liegenden Gattin bei der Geburt des ersten Kindes beizustehen. Es scheint, als komme es bei einer Bestrafung nicht darauf an, wie schwerwiegend eine Verfehlung ist, sondern wer sie begeht.

Mainz KLAUS FRIDRICH

Man hätte erkennen müssen, daß hier ein Mensch in seinem Drang zur Redlichkeit geirrt hat, daß ein Urteil wegen »unerlaubter Entfernung«, wenn nicht gar ein Freispruch »wegen Verbotsirrtums« angemessen gewesen wäre. So haben das Gericht -- das laut Urteilsbegründung dem irrenden Offizier eine Chance geben wollte, wieder ein vollwertiges Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden -, aber auch die Springer-Presse und der SPIEGEL dazu beigetragen, daß dem ausgebildeten Mitteischullehrer Kruse auch noch die mühsam erworbene Lehrerstelle an einer Privatschule wieder gekündigt wurde -- vier Tage nach dem Urteilsspruch und zwei Tage nach der Berichterstattung. Mehr noch: ehemalige Kameraden und SPD-Mandatsträger, die Verständnis für die politischen Motive des Ex-Majors gezeigt hatten, wollen sich nicht mehr für den mit dem Makel der Fahnenflucht Behafteten bei der Hamburger Schulbehörde verwenden.

Hamburg BERND C. HESSLEIN

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