AFFÄREN SCHULER-ZEITUNGEN Faire l?amour
Ihre Interessen, Schülerinnen und Schüler, sind mit Recht dort, wo sich Ihr Körper meldet, nämlich bei Ihrem Unterleib ...« Ihn rege zu gebrauchen, riet jüngst die Baden-Badener Schülerzeitung »Ca ira« ("Es wird gehen") in ihrer ersten Ausgabe.
Wie es gehen soll, schildert das Blatt der »Unabhängigen Schülergemeinschaft« (USG) den Pennälern so: »Räumen Sie Reck und Schwebebalken, Kisten und Kasten -- kurz all jene Kastrations- und Entjungferungswerkzeuge aus der Turnhalle, und lassen Sie als einziges zurück Decken und Matten, auf die Sie sich paarweise ausstrecken, à faire l'amour, um Liebe zu machen Verfasser des Beischlaf-Breviers: der Frankfurter Soziologie-Doktorand Günter Amendt, 27.
Der angehende Gesellschaftsforscher hatte zum Sturm auf Turnhallen und Tabus schon am Silvestertag des vergangenen Jahres geblasen: Als Referent eines Pennäler-Teach-ins, bei dem streitbares Baden-Badener Jungvolk die Gründung einer »Unabhängigen Schülergemeinschaft« als Gegenorganisation zur etablierten Schülermitverwaltung vorbereitete. Die Protestler konstituierten denn auch drei Tage später die USG (derzeitiger Mitgliederstand: etwa 50 Schüler) und gründeten ihr Protest-Blatt »Ca ira«.
Als Herausgeber gewannen die Pennäler den gelernten Buch-Antiquar und heutigen freien Fernseh-Journalisten Bernhard W. Wette, 26, der sich der Schülerzeitung honorarfrei widmet. Der ersten Nummer (Starttag: 24. Februar, Auflage: 1000 Stück) war zu entnehmen, daß »eine verbale Verständigung der beiden Partner ... unerläßlich« sei, »um sich zu verständigen, ob der Geschlechtsverkehr Schmerzen bereitet«. Ferner sei »solche Kommunikation ... wichtiger als die Kenntnis eines Katalogs von Stellungen, denn schließlich, wo Zärtlichkeit fehlt, wird sie nicht durch Turnübungen ersetzt werden können«.
Nebst solchem Schrifttum bot »Ca ira« auch Baden-Badens Oberbürgermeister Ernst Schlapper, 80, (SPIEGEL 13/1968) dar: In einer Photomontage saß sein Kahlkopf auf einem Skelett; als Schutz für Scham und bloße Lenden diente ein Spruchband mit der Schrift »Do it yourself«. Stadtvater Schlapper war erbost: Er erstattete Anzeige wegen Beleidigung und beantragte eine einstweilige Verfügung.
Auch der Baden-Badener Oberstaatsanwalt Dr. Arnold Esswein stellte Antrag auf Beschlagnahme von
ira« -- allerdings wegen Amendts Libido-Artikel. Denn der hatte die Pennäler animiert: »Nun treibt's mal schön.« Dr. Esswein: »Das ist eine öffentliche Aufforderung an die Schüler zur Unzucht.«
Die scharfen Schülersprüche in dem USG-Blatt hatte als erster der Hausmeister Walter Glöckle vom Baden-Badener Markgraf-Ludwig-Gymnasium entdeckt. Beim Schnüffeln in der Kollegmappe des Untersekundaners und »ca ira«-Redakteurs Hans Hellmuth Echterhoff, 17, fand er 90 Exemplare. Der Pedell alarmierte den Schuldirektor, dieser den OB und die Kripo. 500 Exemplare des 50-Pfennig-Blattes, das inzwischen schon 19 Tage lang jugendfrei zirkuliert war, wurden beschlagnahmt.
Wette-Kommentar: »Die ganze Affäre ist eine Bomben-Publicity für uns.« In der nächsten Woche wollen Wette und seine Schüler-Schreiber Baden-Badens Pennäler mit einer neuen Nummer versorgen. Wette: »Aber diesmal machen wir es geschickter.«