Zur Ausgabe
Artikel 1 / 86

Fall Biermann: Honecker im Teufelskreis

Die Ausbürgerung des Politsängers Biermann hat für die SED-Führung unerwartete Folgen. Erstmals seit mehr als 20 Jahren sieht sie sich öffentlicher Opposition ausgesetzt. Wie immer die Partei darauf reagiert -- sie muß mit Komplikationen rechnen. Schon wird in Moskau wie in den eigenen Reihen Kritik an Parteichef Honecker laut.
aus DER SPIEGEL 48/1976

Mit einem Zwangsakt wollte sich die SED-Führung -- wie gewöhnlich -- die Kontrolle über ihren Staat sichern. Doch die in Jahrzehnten erprobte Methode versagte: Diesmal läuft die Staatspartei Gefahr, daß einiges in der DDR außer Kontrolle gerät. Der Ausbürgerungs-Befehl gegen den kommunistischen Sänger-Poeten Wolf Biermann setzte am vergangenen Dienstag eine Entwicklung in Gang, deren Folgen für das Regime nicht abzusehen sind.

Seither trägt sich in dem straff reglementierten Partei- und Polizeistaat Unerhörtes zu: Zum erstenmal nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 meldet sich eine Opposition zu Wort. Anders aber als vor 23 Jahren, als unzufriedene Arbeiter auf die Straße gingen, führen heute prominente Intellektuelle die Protestbewegung an.

Schon einen Tag nach dem Ukas gegen Biermann forderten dreizehn bekannte DDR-Künstler von der Staatsführung, sie möge den Beschluß revidieren: Die Schriftsteller Christa Wolf, Volker Braun, Stephan Hermlin und Stefan Heym belehrten die SED, sie müsse »eine solche Unbequemlichkeit« wie Biermann »gelassen nachdenkend ertragen können«.

Nach diesem ersten Vorstoß fanden immer mehr DDR-Bürger mit und ohne Namen den Mut zum Widerstand. Am Freitagabend waren es schon mehr als 70. Von den Star-Schauspielern und Publikumsidolen Jutta Hoffmann, Angelica Domröse und Manfred Krug bis zur Schlagersängerin Nina Hagen und dem Jazz-Musiker Klaus Lenz reichte die Biermann-Solidarität. Andere -- wie die Schauspielerin und Chansonsängerin Gisela May -- sagten nichtöffentlich Unterstützung zu.

Stefan Heym gar trat vors West-Fernsehen, um seine Regierung zur Umkehr zu ermahnen. Die Staatsführung solle ein Zeichen setzen »von großer innerer Kraft und von menschlicher Weisheit und von Güte«.

Einer der Erst-Unterzeichner, der Bildhauer und Nationalpreisträger Fritz Cremer, 70, zog seine Unterschrift freilich schon zwei Tage später zurück, nachdem ihn DDR-Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann im Krankenhaus besucht und offenbar unter Druck gesetzt hatte. Die Möglichkeit dazu hatte ihm kurz zuvor der Staatssicherheitsdienst (Stasi) verschafft.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Biermann-Nachricht hatte der Restaurator Peter Schwarzbach, ein Schwiegersohn des Bildhauers, im Ost-Berliner Märkischen Museum einen Zettel ans Schwarze Brett geheftet: »Ich protestiere gegen die Ausweisung meines Freundes Wolf Biermann.« Am nächsten Morgen verließ Schwarzbach seine Wohnung, um zunächst in eine Auto-Werkstatt und dann ins Museum zu fahren. Kurz darauf sprachen Stasi-Fahnder bei seiner Frau vor. Weder in der Werkstatt noch an seinem Arbeitsplatz traf der Biermann-Freund ein, und erst am Donnerstagabend wurde seine Verhaftung mitgeteilt.

In Jena sammelten sich Studenten um den Schriftsteller Jurek Becker, Mitverfasser des Appells der Dreizehn, und legten spontan eine neue Protestliste auf. Sie zogen vor die Tore der Zeiss-Werke und sammelten mehrere hundert Arbeiter-Unterschriften.

SED-Sicherheitschef Paul Verner, der seinen Politbüro-Kollegen schon seit zwei Jahren mit Klagen über »eine schleichende Konterrevolution« in den Ohren liegt, sah in dieser Entwicklung eine Bestätigung seiner Ahnungen und befahl der Spitzel-Behörde Mobilmachung: Am Donnerstag, um 20.15 Uhr, wurde Biermanns Ehefrau Christine das Telephon abgeschaltet. Anderthalb Stunden später war auch die Leitung zum Biermann-Freund und Regime-Kritiker Robert Havemann tot -- aus Gründen »der Sicherung des Staates«, wie ihm die Post mitteilte. Am selben Tag hatte Havemann einen Brief an SED-Chef Erich Honecker abgeschickt und einen Appell beigefügt, den der SPIEGEL auf Seite 49 abdruckt.

Am Freitag früh schließlich wurde ein weiterer Oppositioneller, der bei Havemann wohnende Schriftsteller Jürgen Fuchs, in Erkner bei Berlin festgenommen. Havemann mochte nach diesen Vorfällen auch die eigene Verhaftung nicht mehr ausschließen.

Und mitten in die Protestwelle und die beginnende Oppositionellen-Hatz hinein lieferte das West-Fernsehen dem DDR-Volk gleich an zwei Abenden der vergangenen Woche insgesamt sechs Stunden lang die Kritik des Kommunisten Biermann am SED-Sozialismus frei Haus. Zu Beginn seiner Freitagabend-Sendung wandte sich der Sänger direkt an das ostdeutsche Publikum: »Die wachsende Solidarität meiner Freunde und Genossen in der DDR selbst hat mich ermutigt, denn wer sonst könnte mein Recht auf Rückkehr in die DDR durchsetzen.«

Die TV-Wiedergabe des Kölner Auftritts, den die SED zum Vorwand der Biermann-Ausbürgerung genommen hatte, setzte die Einwohner der Ostrepublik instand, sich selbst ein Urteil zu bilden: Darüber, ob sich der Liedermacher wirklich, wie im SED-Blatt »Neues Deutschland« zu lesen war, als »antikommunistischer Krakeeler« produziert habe oder ob er nicht vielmehr »Partei für die DDR und für den Versuch ergriffen hat, den Sozialismus aufzubauen« (Biermann im SPIEGEL-Gespräch Seite 36).

Über die Westkanäle ihrer Fernseh-Geräte erfuhren die ostdeutschen Protestler auch, daß sie sich in guter Gesellschaft befinden. Nicht nur die sonst zerstrittene westdeutsche Linke, von den Jungsozialisten bis hinein in die SED-konforme DKP, sondern auch die kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens solidarisierten sich mit dem verfemten Dichter. Sogar die CDU protestierte -- allerdings gegen die westdeutschen Fernsehanstalten. Der Mammutauftritt des exmittierten Ost-Berliners sei ein »maßloses Spektakel«.

Der Fall Biermann störte überdies das mühsam durch Verträge und Abmachungen ausbalancierte Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten, jenes gleichsam augenzwinkernde Einverständnis zwischen Bonn und Ost-Berlin, die Grundprobleme der deutschen Frage aus dem tagespolitischen Geschäft auszuklammern. Nun droht der Fall des Liedermachers in West wie Ost unerwünschte gesamtdeutsche Emotionen zu wecken. Wolf Biermann -- ein deutsches Ärgernis?

Auf diese Frage verschwendete das SED-Politbüro freilich noch keinen Gedanken, als es sich Anfang Oktober aus gegebenem Anlaß mit dem unbequemen Sänger befaßte. Den Spitzengenossen lag die Kopie eines im SPIEGEL veröffentlichten Briefes vor, in dem Biermann seiner Mutter in Hamburg über seine Erlebnisse in der Prenzlauer Nikolaikirche berichtete. Der evangelische Jugendpfarrer hatte ihn zu seinem ersten öffentlichen Politlieder-Abend seit elf Jahren eingeladen. Biermann schwärmte von einer »roten Kirche, eine Kirche, die sich auf die kommunistischen Dimensionen des Evangeliums besinnt, und so eine christlich-kommunistische Kritik an unseren Verhältnissen übt«.

Die Politbürokraten werteten diese ketzerischen Gedanken als Aufruf an die bisher gestaltlose innere DDR-Opposition, sich zu organisieren und dabei die Kirche als Kristallisations-Kern zu nutzen. Seit der Selbstverbrennung des Protest-Pfarrers Oskar Brüsewitz ohnehin verunsichert, erinnerten sich die Parteiführer nun auch der Schwierigkeiten ihrer Warschauer Genossen mit den polnischen National-Katholiken und beschlossen, sich des Unbotmäßigen bei erstbester Gelegenheit zu entledigen.

Die Spitzenfunktionäre erwogen zwei Alternativen. Variante eins: Biermann könne wegen Staatsverleumdung angeklagt und verurteilt, die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt werden. Variante zwei: Der Protestsänger müsse für immer das Land verlassen. Die Parteiführer entschieden sich für die zweite Möglichkeit: Da Biermann immer wieder von seinem Alptraum gesprochen habe, eines Tages des Landes verwiesen zu werden, erziele man mit Ausbürgerung den besten Effekt.

So fand sich die DDR-Obrigkeit nur zu gern bereit, dem Politbarden anstandslos ein Ausreisevisum zu erteilen, als er die Einladung zu einer Westdeutschland-Tournee bekam. Kaum hatte der Ost-Berliner, der elf Jahre nur im Zimmer hatte singen dürfen, in Köln seinen ersten spektakulären Auftritt hinter sich, faßte das Politbüro am Dienstagmorgen letzter Woche einmütig den Beschluß, Biermann noch am selben Tage den Ausbürgerungsbescheid zuzustellen.

Zuvor hatte die SED-Führung Vor- und Nachteile der Aktion gegeneinander abgewogen. Zwar sahen einige außenpolitischen Ärger voraus, aber der rollte, so die einmütige Meinung der Spitzenrunde, in Kauf genommen werden, weil man die Abschreckung der inneren Opposition nicht mehr auf die lange Bank schieben könne.

Doch die SED-Rechnung ging nicht auf. Die einkalkulierten Proteste aus dem Westen wurden nicht annähernd wettgemacht durch den erhofften innenpolitischen Erfolg. Es blieb nicht bei gedämpften Unmutsäußerungen, sondern die Zahl derer, die Widerspruch anmeldeten, wurde so groß, daß die Partei kaum mehr von einer belanglosen Störaktion einzelner Querulanten wird reden können.

Freilich: Unvermittelt kam der für jeden einzelnen riskante Protest keineswegs an Vorwarnungen hatte es nicht gefehlt. In seinem Gedicht »Lagebericht« beschreibt der Ost-Berliner Lyriker Volker Braun seinem DDR-Publikum präzis den sich verschärfenden Gegensatz zwischen Herrschenden und Beherrschten:

Zufriedene Helden schanzen sich in den Ebenen ein. Auf die Schminktöpfe trommeln die Heilskünstler, Lob trieft aus den Blättern, jeder Furz klingt als Fanfare. Revolutionäre bitten, den Status bald zu bestätigen, die permanente Feier verkünden Schaumschlägertrupps --

In den Hallen prüft der Plan die Kraft der Brigaden, stärker greifen sie in die Debatten über ihren Köpfen. Die Kinder lernen fragen. Forschungsgruppen kalkulieren kühl die laufende Zukunft. Armeen formieren sich in den Taktstraßen zum allmählichen Schlag ins Kontor der Geschichte.

Die öffentliche Kritik einer staatsloyalen sozialistischen Opposition trifft die SED-Führung um so härter, als zur gleichen Zeit eine ganz anders motivierte Anti-Bewegung ihren Höhepunkt erreicht hat: die jener DDR-Bürger -- Schätzungen vermuten bis 125 000 -, die nichts verändern möchten in ihrem Staat, sondern ihn möglichst schnell und unter Berufung auf die DDR-Verfassung wie internationale Abmachungen verlassen wollen.

Schon erinnern sich nachdenklichere SED-Mitglieder an Erfahrungen, die ihre Nachbarländer machen mußten, als sich dort Bürgerunmut und Forderungen von System-Reformern gegen die Staats-Doktrin von der Alleinherrschaft einer Handvoll Parteibürokraten vereinigten: 1956 in Ungarn, 1968 in der Tschechoslowakei. Und in beiden Fällen konnte nur die Intervention der Sowjet-Armee das Zerbrechen der etablierten Systeme verhindern.

Sowjet-Diplomaten sehen die Ursache dieser heiklen Lage in der Konzeptionslosigkeit des Partei- und Staatschefs Erich Honecker. »Die Parteilinie schlingert«, kritisierte einer von ihnen in der vergangenen Woche, und: die Biermann-Ausweisung sei eine grobe Ungeschicklichkeit. Statt sich um Wichtigeres zu kümmern, beschäftigt sich der SED-Generalsekretär mit tausend Details im Parteiapparat, beispielsweise damit, welcher Funktionär wann wen heiratet.

Ein Beispiel für den Zick-Zack-Kurs ihres Ost-Berliner Partners sehen die russischen Verbündeten in Honeckers Äußerungen während der Herbstmesse: Damals deutete der SED-Chef vor Bundesbürgern die Bereitschaft an, im Tausch gegen Devisen mehr Ost-Deutsche in den Westen reisen zu lassen. Die dadurch genährte Hoffnung auf mehr Freizügigkeit habe die SED dann abrupt durch die Drohung zunichte gemacht, die DDR werde künftig hei Ausreise-Genehmigungen kürzer treten.

Honecker, so meinen seine Kritiker, könne sich offenbar immer weniger gegen die von Paul Verner und Werner Lamberz angeführte Sicherheits- und Propaganda-Fraktion im Politbüro durchsetzen. Denen aber sei jeder Grenzzwischenfall recht, um Abgrenzung und Bürger-Überwachung noch perfekter zu machen.

In der Tat war es diese Politbüro-Gruppierung, die den. Autor Reiner Kunze aus dem Schriftstellerverband werfen ließ, weil er den DDR-Alltag in seinem nur im Westen veröffentlichten Buch »Die wunderbaren Jahre« allzu realistisch beschrieben hatte. Und Lamberz, Verner und Genossen hatten schließlich auch die Biermann-Diskussion des Politbüros mit dem Argument entschieden: Wenn diesem Schreier nicht endlich was passiere, faßten womöglich andere Nörgler noch Mut.

Doch das Dilemma der DDR läßt sich auf tatsächliche oder vermeintliche Führungsschwäche ihres ersten Mannes nicht reduzieren. Erich Honecker, oder wer immer sonst an der Staatsspitze stünde, bewegt sich in einem Teufelskreis: Gibt er den Wünschen der Bevölkerung nach mehr Lebensqualität, mehr Bürger-Freiheit und größerer Bewegungsmöglichkeit nach, riskiert er die Aufweichung der Machtpositionen seiner Partei. Damit aber muß er früher oder später zwangsläufig den Einspruch, wenn nicht gar das Eingreifen der Sowjet-Union provozieren.

Um einerseits den Lebensstandard erhalten und entwickeln, andererseits die Lieferverpflichtungen gegenüber der Sowjet-Union erfüllen zu können, ist die DDR auf Devisen zum Ausbau ihrer Industrie angewiesen. Die aber kann sie nach Lage der Dinge immer noch am ehesten beim westdeutschen Nachbarn bekommen -- sei es durch Ausweitung des Handels, sei es durch Kredite, durch Millionengebühren für den Berlin-Transit und für den Ausbau von Verkehrswegen und Dienstleistungen für die vom Umland abgeschnittene Halbstadt West-Berlin.

Soweit solche Zahlungen nicht durch langfristige Verträge oder auch vorrangige Bonner Interessen, etwa am Berlin-Zugang, festgelegt sind, muß die SED zusätzliche Kreditwürdigkeit immer wieder neu beweisen -- vor allem mit jenen menschlichen Erleichterungen, die wiederum die Bundesregierung vorzeigen muß, um ihre finanzielle Hilfsbereitschaft gegenüber der DDR innenpolitisch rechtfertigen zu können.

Mithin: Will Honecker den Status quo, und damit seine Herrschaft, nicht in Frage stellen, kann er aus dem Zirkel der Zwänge kaum heraus. Es bleibt ihm auf Jahre hinaus keine andere Wahl als zu lavieren.

Gleichwohl hatten es die DDR-Herren bislang verstanden, sich das Vertrauen ihrer sowjetischen Schutzmacht zu bewahren. Wo immer sonst im Ostblock Unruhen aufflammten -- in der DDR blieb es mehr als zwanzig Jahre still. Nun aber, angesichts der um sich greifenden Biermann-Proteste, kommen den Sowjets allmählich Zweifel an der Solidität ihres politischen und wirtschaftlichen Stützpfeilers DDR, und das zu einer Zeit, in der in Polen wieder einmal alles auf der Kippe steht.

Denn bei dem stets unruhigen Nachbarvolk, das schon zweimal, 1956 und 1970, einen Führungswechsel erzwungen hat, bahnt sich die dritte große Krise an. Parteichef Edward Gierek hat seine einst hohe Popularität eingebüßt, seit es nicht mehr genügend Fleisch, auch kaum noch Kohlen gibt und der KP-Chef persönlich einen Bittgang nach Moskau antreten mußte, wo nach bis heute unausrottbarem Volksglauben der Erbfeind residiert.

Eine gleichfalls von inneren Konflikten erschütterte DDR, so fürchten die Sowjets, werde bei Weiterungen in Polen womöglich nicht mehr in der Lage sein, den Block nach Westen abzuschotten. Und mißtrauisch registrieren sie, daß die Meinungsforscher der SED immer häufiger von zunehmenden antisowjetischen Ressentiments im DDR-Volk berichten.

Wachsendes Selbstbewußtsein gegenüber der Vormacht, die zunehmend als lästiger Nutznießer der ökonomischen DDR-Leistungen empfunden wird, zeigt sich auch in den jüngsten ostdeutschen Witzen. Beispiel: Der neue chinesische Parteichef Hua Kuo-feng bittet Breschnew um Hilfe. Er möchte einen Anzug, ein Paar Schuhe und eine Schüssel Reis. Der Sowjet-Führer läßt den Chinesen wissen, den Anzug und die Schuhe könne er haben, den Reis jedoch nicht, denn, so der Bescheid aus Moskau, Reis produziert die DDR nicht.

Argwöhnisch verfolgt die UdSSR schließlich die Bestrebungen der von Günter Mittag angeführten Ökonomen-Gruppe in der SED-Führung, durch eine engere Kooperation mit der Bundesrepublik der DDR-Wirtschaft Vorteile zu verschaffen. Hier könnten sich möglicherweise gesamtdeutsche Gemeinsamkeiten zu Lasten der Sowjet-Union entwickeln, befürchten Moskaus Männer in Ost-Berlin.

Bestärkt fühlen sich die Sowjet-Wächter durch Nachrichten, die aus Bonn zu ihnen dringen. Dort, im Umkreis der Ostdenker Willy Brandt und Egon Bahr, werden gerade in jüngster Zeit Überlegungen angestellt, wie über das zwischendeutsche Alltagsgeschäft hinaus der Deutschlandpolitik ein neuer Impuls gegeben werden kann. Danach soll sich die Bundesregierung dazu bereit finden, die DDR künftig auch ohne direkte Gegenleistung kräftig zu subventionieren, um den anderen deutschen Staat so stark und selbstbewußt wie möglich zu machen.

Die Pläneschmieder setzen darauf, daß sich nur in einer nach innen und außen stabilisierten DDR jene Kräfte in der Staatspartei entfalten können, die in der Lage wären, einer demokratischsozialistischen Reform auf den Weg zu helfen.

Je stärker jedoch die SED nach der Biermann-Affäre die Zügel im Inneren anzieht, desto geringer sind, wenigstens auf absehbare Zeit, die Erfolgsaussichten solcher Konzepte.

Ein Bonner DDR-Kenner: »Dann kommt die neue Eiszeit.«

Zur Ausgabe
Artikel 1 / 86
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten