WAFFENHANDEL Falsche Perser
Die Herren aus dem Orient suchten einen Weihnachtsmann am Rhein. Was die halbe Welt ihnen verweigerte, sollte Bonn ihnen bescheren.
Die Bittsteller, die sich allesamt mit persischen Pässen auswiesen, führte der ehemalige iranische Generalstabschef Hassan Toufanian an. Ihr Begehr war brisant. Sie erbaten: Munition aller Kaliber, Panzer, Raketen und Düsenflugzeuge.
Überall, wo die Orientalen im Spätsommer 1965 vor ihrem Besuch in Bonn vorgesprochen hatten, waren sie mißtrauisch und abweisend behandelt worden. Denn ihre Gesprächspartner hatten ein Mitglied aus General Toufanians Crew als den Armierungsexperten der pakistanischen Armee Oberst Hussain Zaidi, identifiziert. Daraus folgerten sie, daß die erbetenen Waffen nicht für die Armee des Schahin-Schah, sondern für die Streitkräfte des pakistanischen Staatschefs Marschall Ajub Khan bestimmt waren.
Im Grenzkrieg um Kaschmir hatte die pakistanische Armee wenige Wochen zuvor bei den Gefechten mit den Indern schwere Verluste an Waffen und Gerät erlitten. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, verhängte die Uno damals ein Waffenembargo über die Kontrahenten.
Doch die Pakistani ersannen eine List, um ihre Arsenale trotz des Uno-Banns mit neuem Kriegsmaterial zu füllen. Im Einverständnis mit dem Schah heuerten sie den persischen General Toufanian an und ließen ihre eigenen Waffeneinkäufer, die den Perser begleiten sollten, für die weltweite Suchaktion mit persischen Pässen ausstatten.
Im rechtsrheinischen Bonner Nachbarort Beuel spürten die persischen Pappkameraden endlich einen Geschäftspartner auf.
In den Büros der Merex AG wurden sie mit dem Waffenhändler und Ritterkreuzträger Gerhard Georg Mertins, 48, handelseinig: Die Firma des ehemaligen Fallschirmjäger-Majors Mertins, der seit Anfang der sechziger Jahre ausgemustertes Bundeswehr-Material in alle Welt verscherbelt, erbot sich, neben Munition und Gewehren auch 90 Düsenjäger des Typs Canadair F-86 »Sabre« zu liefern, die in US-Lizenz in Kanada gebaut und 1957 an die Bundesrepublik geliefert worden waren.
Von Ministerialrat Siegfried Witte, der im Bundesverteidigungsministerium das mit dem Verkauf ausgemusterter Waffen befaßte Referat W I-5 leitet, hatte Mertins gehört, daß bei der Bundeswehr das von Pakistan gewünschte Kriegsmaterial zum Verkauf stehe. Bevor Mertins mit Witte das Geschäft abschließen konnte, mußte der Waffenhändler eine schriftliche Versicherung des persischen Oberkommandos beibringen, daß diese Flugzeuge nur für den Eigenbedarf verwendet und nicht ohne Genehmigung der Bundesregierung weiterverkauft würden. Nur mit dieser Bescheinigung kannte Witte bei den Amerikanern, die sich ein Veto über den Weiterverkauf der von ihnen gelieferten oder mit ihrer Lizenz gebauten Waffen vorbehalten hatten, eine Genehmigung für sein Vorhaben bekommen.
Washington gab sein Okay. Mertins erhielt die 90 Sabre-Jets zum Gesamtpreis von 27 Millionen Mark. Er verkaufte sie für 40 Millionen Mark an Persien weiter. Von seiner Gewinnmarge mußte der Waffenhändler -- so erinnert sich sein damaliger Kompagnon Samuel Cummings -- etwa 1,2 Millionen Mark als Provision an die persischen Vermittler zahlen.
Im Frühjahr 1966 wurden die ersten der 90 Jets von Piloten der Bundeswehr zum persischen Feldflughafen Vahdati geflogen. Mertins: »Es war eine Meisterleistung. Der Schah war begeistert.« Seine Majestät schenkte jedem Piloten zur Belohnung einen Erinnerungsbecher.
Zufrieden schlossen Mertins ("Ich habe an der Sache nur sehr knapp, vielleicht eine Million netto verdient") und die Bundesregierung im Hochsommer ihre Akten über dieses Geheim-Geschäft. Ein dreiviertel Jahr später, am 13. April dieses Jahres, schlugen sie die Akten erschreckt wieder auf.
Im Unterausschuß für Nah- und Fernost-Fragen des US-Senats fragte der Vorsitzende, Senator Stuart Symington, ob denn die Bundesregierung nicht gewußt habe, daß ihre 90 Düsenjäger für Indiens Kriegsgegner Pakistan bestimmt waren.
Antwort erhielt Symington, der zu einem nichtöffentlichen Hearing über Waffenlieferungen an Entwicklungsländer geladen hatte, von Samuel Cummings, dem Chef der Waffenhandelsfirma »Interarmco«. Cummings. der bis Ende letzten Jahres mit Merex-Mertins liiert war, sich dann aber mit seinem Partner überworfen hatte, gab zu Protokoll: »Ich kann hier nicht für die Bundesregierung sprechen, möchte aber annehmen, daß sie es gewußt hat. Jedermann in Europa wußte damals, daß Toufanian für die Pakistani einkaufte.« Darauf Symington zu seinen Senatskollegen: »Unserem Geheimdienst war damals ganz klar, daß die F-86 nach Pakistan gehen würden.«
Und in der Tat waren die deutschen Düsenjäger kurz nach dem Eintreffen in Persien nach Pakistan weitergeflogen worden; denn -- so Cummings: »Die Perser können mit solchen Flugzeugen doch gar nichts anfangen. Ihre eigenen F-86, die sie früher einmal von den USA bekommen hatten, haben sie schon vor Jahren gegen modernere Maschinen ausgetauscht.« Cummings, der als einer der größten Waffenhändler der Welt genau weiß, welche Waffen wo gebraucht werden, kann sich hingegen sehr wohl vorstellen, wo die F-86 von Nutzen ist: »Für den Konflikt der Pakistani mit den Indern ist sie ein brauchbares Schlachtflugzeug.«
Die Bundesregierung jedoch will von alledem nichts gewußt haben. Kurz nach der Veröffentlichung des Senats-Protokolls und eines Protests der indischen Regierung gegen die Flugzeuglieferung an Pakistan in Bonn ließ sie durch ihren Pressechef Karl-Günther von Hase verlautbaren: »Der Iran ... hat einer Endverbleibsklausel zugestimmt, wonach die Flugzeuge ausschließlich für die iranischen Streitkräfte bestimmt sind. Die Bundesregierung ist informiert worden, daß ein Teil dieser Flugzeuge vorübergehend zur Wartung nach Pakistan geflogen worden ist.«
Treuherzig fügte von Hase hinzu: »Hier müssen wir uns auf die bona fide der iranischen Regierung verlassen.«
Bei ihrem Protest in Bonn hatte die indische Regierung jedoch geflissentlich außer acht gelassen, daß auch sie selbst Nutznießer der Bonner Waffenhandels-Usancen war.
Denn im Juni 1966, als die deutschen Luftwaffen-Piloten gerade die ersten F-86-Jets nach Vahdati brachten, stampfte das Merex-eigene Frachtschiff »Billetal« mit heißer Fracht für Indien durch das Mittelmeer. An Bord: 28 ausgemusterte Bundeswehr-Düsenflugzeuge des Typs »Seahawk Mk 100« und »Mk 101«, die Indiens Bonner Botschafter Shishir Kumar Banerij am 13. August 1965 unter dem Aktenzeichen »No. NA. 4225« bei der Merex AG in Bonn-Beuel bestellt hatte.
Die 28 »Seahawks« (Seefalken) hatte Mertins für 2,5 Millionen Mark gekauft. Da ihm die Bundesregierung wegen des Uno-Waffenembargos anläßlich des Kaschmir-Konflikts und wegen ihres eigenen Beschlusses, keine Waffen in· Spannungsgebiete zu liefern, die Genehmigung für den geplanten Weiterverkauf an Indien verweigerte, konnte Mertins das Geschäft nicht direkt mit Neu-Delhi abwickeln, sondern mußte sich einen der Bundesregierung unverdächtigen Adressaten suchen.
Er fand ihn in dem Direktor der italienischen Exportfirma Tirrena AG, Dr. Amadasi. Für 3,5 Millionen erwarb der römische Zwischenhändler die 28 »Seefalken« von Mertins und besorgte eine von einer italienischen Armeestelle ohne Wissen ihrer Regierung -- ausgefertigte Erklärung, daß Italien die Flugzeuge nicht weiterverkaufen werde.
Als Mertins dieses Schriftstück in Bonn vorwies, erhielt er die Ausfuhrgenehmigung.
Im abgelegenen Unterweserhafen Nordenham nahm die »Billetal«, die von der Hamburger Firma J. A. Reinecke KG bereedert wird, die »Seahawks« an Bord. Von Nordenham fuhr das Schiff ins Mittelmeer, lief in die italienischen Hoheitsgewässer und stampfte dann, ohne einen Hafen angelaufen zu haben, in Richtung Suez; von dort aus nahm der Frachter direkten Kurs auf Indien.
Im Roten Meer begegnete der zivile Flugzeugträger seinem Schwesterschiff »Werratal«, das in einer saudiarabischen Bucht und im Militärhafen von Karachi grün angemalte und naturfarbene Kisten (Aufschrift: »Merex AG -- Bonn-Beuel") gelöscht hatte.
Durch einen Zufall hatte die Besatzung der »Werratal«, die über Fracht und Reiseziel im unklaren gelassen worden war, erfahren, was ihr Schiff an Bord hatte. Als bei der Entladung in der Bucht eine Trosse riß, zerbarst eine Kiste: Über das Deck rollten deutsche Panzerabwehrraketen vom Typ »Cobra«, die für Saudi-Arabien und Pakistan bestimmt waren.
Die Flugzeugverkäufe an Indien und Pakistan, an denen Mertins nach eigenen Angaben knapp zwei Millionen und nach Schätzung von Cummings über zehn Millionen Mark verdient hat, waren das größte und vermutlich letzte Geschäft dieser Art, das der Beueler Waffenhändler mit dem Bundesverteidigungsministerium abschließen konnte. Denn unmittelbar nachdem die Lieferungen der Bundeswehr-Flugzeuge an die Kriegsgegner ruchbar geworden waren, ließ die Bundesregierung die über das Merex-Geschäft aufgebrachten Amerikaner wissen, daß sie in Zukunft eine andere Firma einschalten werde.
Die Altwaren-Händler im Bonner Verteidigungsministerium, die jegliche Auskunft über ihre bisherigen Transaktionen verweigern, arbeiten jetzt mit der im November letzten Jahres gegründeten Düsseldorfer »Werkzeugaußenhandelsgesellschaft m.b.H.« (WAH) zusammen, die alle Interessen des Samuel Cummings in der Bundesrepublik vertritt. WAH-Geschäftsführer: der ehemalige Generalleutnant und Hitler-Adjutant Gerhard Engel, der wegen seines geschickten Umgangs mit dem Führer bei den älteren Jahrgängen im Bundesverteidigungsministerium wohlgelitten ist.