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VIERTE PARTEI Falscher Fuß

Ein neuer Name, »Liberal-Konservative Aktion«, und lauter alte Namen von Steinbuch bis Löwenthal: Ist das wirklich die »Blut- und Energiezufuhr« für das westdeutsche Parteiengefüge?
aus DER SPIEGEL 6/1979

Eigentlich war Franz Meyers, einst CDU-Regierungschef von Nordrhein-Westfalen, durchaus für eine neue politische Gruppierung, wo er doch »gegen ein sozialistisches Europa« ist. Aber eine richtige Partei, so ließ er dann nur noch über seine Frau dementieren, das nun doch nicht.

Grundsätzlich war der Professor Karl Steinbuch, der die deutsche Gesellschaft sowieso für falsch programmiert hält (Steinbuch-Bestseller), durchaus dafür, daß den Unionsparteien eine neue Kraft zur Seite trete. Aber dann fand er doch, »daß ein alter Professor von 62 Jahren keine Partei mehr gründen sollte«.

Gut angestanden hätte ein neuer Kurs auch dem ehemaligen niedersächsischen Regierungschef Heinrich Hellwege von der Deutschen Partei, der letzthin wegen lokaler Streitigkeiten auch der CDU den Rücken kehrte. Doch dann, vom Krankenbett aus, ließ er durch seinen Sohn bestreiten, daß er überhaupt »bei der Sache« mitmache.

Wollen sie nun, oder wollen sie nicht -die Versprengten der Union und all die anderen, die nicht mehr zufrieden sind mit dieser CDU und ihr schon gar nicht zutrauen, daß sie mit Kohl in diesem unserem Lande an die Macht kommt? Kommt sie nun zustande, die, wie der Würzburger Professor Lothar Bossle sagt, »Blut und Energiezufuhr« für das westdeutsche Parteiengefüge -die Vierte Partei?

Letzte Woche war sie wieder im Gerede, diesmal unter einem neuen Namen: »Liberal-Konservative Aktion.« Und mit einer ganzen Menge alter Namen: Paul Wilhelm Wenger vom katholischen »Rheinischen Merkur« und der von der SPD geschaßte Steuer-Protestler Hermann Fredersdorf, ZDF-Löwenthal wie der Ex-Sozialdemokrat und Splitterparteigründer Hans-Günther Weber und eben Steinbuch, Hellwege, Meyers.

Am 19. Februar will sich die Sammelbewegung in Bonn präsentieren, »gestandene, parteiungebundene Männer aus der Wirtschaft, aus Kultur und Journalismus«, wie sie dem Würzburger Bossle erscheinen -- dem Mann, der die neue Bewegung in Bewegung gesetzt hat.

Vor Wochen schon hatte der Professor für Soziologie an der Julius-Maximilians-Universität und Leiter des Instituts für Demokratieforschung in Würzburg grundsätzliche Gedanken formuliert über das »totgelaufene Parteiensystem« in der Bundesrepublik. Quintessenz: »Es wäre Platz für eine liberalkonservative Partei.«

Mit dem, was er da aufgeschrieben hatte, war jemand »völlig einverstanden« (Bossle), den er für den »letzten echten Adenauer-Mann« und für »den einzig potenten Kanzler-Kandidaten« der Union hält. CSU-Chef Franz Josef Strauß fand, wie sich Bossle erinnert, »alles Klasse« und war »genau meiner Meinung«.

Die war dann am 10. Januar im »Münchner Merkur« zu lesen. »Mit Ausnahme der bayrischen CSU« schrieb der CSU-Mann, »befinden sich die politischen Parteien in einem Zustand explosiver Spannungen.« Es werde »unvermeidlich, die Führungsfrage in der CDU aufzuwerfen -- selbst wenn Helmut Kohl für sein jetziges Amt geeigneter wäre«. So sei denn »zwangsläufig, daß nunmehr ein Personen- und Parteienkarussell in Schwung gebracht« werde.

Die Kirmeskulisse stand seit langem: ganz rechts der »Bund Freies Deutschland«, daneben die »Konzentration Demokratischer Kräfte«, Schaubühne für Bossle wie Löwenthal, der zusammen mit Steinbuch wiederum zur Preisträger-Gilde der Deutschland-Stiftung zählt.

Da gibt es eine »Deutsche Gesellschaft für Freizeit e. V.«, der NRW-Meyers als Präsident vorsteht, und als Vize der Oberstadtdirektor von Braunschweig, Hans-Günther Weber. Der wiederum ist Erster bei der Münchner »Ludwig-Frank-Stiftung für ein freiheitliches Europa«, in der sich auch Löwenthal gelegentlich umtut. Bossle und Weber sitzen zusammen im Präsidium einer »Internationalen Föderation Umweltschutz«.

Es sind die alten Verflechtungen bis hin zur CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, die da zutage traten. Neu ist außer dem Namen nur noch die Gelegenheit, politisch hervorzutreten: zur Europa-Wahl im Juni. Die Ludwig-Frank-Stiftung zum Beispiel leistet nach Ansicht der Bonner SPD vor allem dafür die »ideologische« und »organisatorische Vorarbeit«.

Als die Aktion, die nach Bossles Strategie »bis zum 19. Februar unter dem Deckel gehalten« werden sollte, durch Meyers-Außerungen vergangene Woche vorzeitig bekannt wurde, schien das Karussell schon wieder außer Schwung zu kommen -- und die ersten sprangen ab. Fredersdorf dementierte jegliche Beteiligung. Paul Wilhelm Wenger, der die »interessante Listenidee mehrmals mit Herrn Bossle« erörtert hatte, wollte nun auch nicht mehr mitfahren, weil »die Sache im Vorvorstadium auf dem falschen Fuß geplatzt« war. Ihm waren überdies »die Namen zu dürftig«; die einen seien »zu alt«, die anderen »nur Hinterbänkler«.

Was dabei der Schock nach Meyers' Indiskretionen, was dabei Zweifel an der Sache war, ließ sich zunächst schwer ausmachen. Immerhin distanzierte sich Gerhard Löwenthal in einer ZDF-Redaktionskonferenz vor Kollegen von der Bossle-Aktion, während Bossle selber sich nach langem nächtlichem Gespräch mit Löwenthal sicher wähnte: »Der macht bestimmt mit.« Und auch auf den Kollegen Karl Steinbuch, meinte der CSU-Professor, sei Verlaß: »Der macht mit.«

Dabeisein, wenn es am 19. Februar zur Bonner Sammlung kommt, will auch Franz Meyers. Und Heinrich Heliwege, versicherte Weber, wolle auf jeden Fall mit der Bewegung in Kontakt bleiben -- man distanziert sich, man arrangiert sich. Unter soviel schwankenden Gestalten nimmt sich der Niedersachse Weber schon richtig sturmfest aus. Er betreibt die Gründung des neuen Vereins ohne Wenn und Aber, damit in Bonn die Position der »sozial engagierten freiheitlich eingestellten Konservativen« gestärkt werde.

Bei den Unionsparteien war die Reaktion wie gehabt: CDU-Generalsekretär Geißler droht denen, die sich »rechts von der CDU« engagieren würden, mit Parteiausschluß. Der CSU-Vorsitzende Strauß hatte von allem nichts gewußt -- was der Bossle da gemacht habe, grollte der große Vorsitzende in München, sei »ohne die CSU passiert«, und überhaupt sei »diese Lösung falsch«.

Schon vergangenes Jahr habe er »Bossles Angebot« abgelehnt, sagt Strauß, weil keine neue Formation außer der CSU bundesweit Aussichten habe, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Die Entscheidung über eine bundesdeutsche CSU aber falle erst nach den Landtagswahlen (Rheinland-Pfalz, Berlin, Schleswig-Holstein) in diesem Frühjahr.

Am liebsten, so schien es, hätte der Veranstalter selber nun das Karussell zurückgedreht. Er sei, sprach der Professor Bossle, ja »nur der Mann, der die Konzeption erdacht hat, um Freunden zu helfen«, und bleibe »selbstverständlich in der CSU«. Denn: »Ich würde niemals gegen die Interessen von Strauß handeln.«

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