GOLDMÜNZEN Falscher Wilhelm
Dem Berliner Uhrmacher Ernst Krämer verdankt das Bonner Finanzministerium einen ersten handgreiflichen Erfolg in seinem Bemühen, die Deutsche Mark vor einer gefürchteten Konkurrenz zu bewahren: der Schattenwährung des Goldes.
Auf Antrag des Krämer-Anwalts Eugen von der Linde untersagte das Landgericht Berlin dem Kölner Augenarzt Dr. Karl-Heinz Schmidt, 37, und seiner Schwester Ilona Hausmann in einer Einstweiligen Verfügung, Goldmünzen aus der Kaiserzeiit nachzuprägen, zu verkaufen und für deren Vertrieb zu werben.
Die Geschwister hatten schon vor zwei Jahren die Firma I, Hausmann und Co. KG mit dem Briefkopf-Zusatz »Reichs -Gold-Münze« gegründet. Einziger Zweck des Unternehmens ist es, Goldstücke aus der Wilhelm-Ära mit dem Aufdruck 5 Mark, 10 Mark und 20 Mark nachzuprägen (SPIEGEL 22/1961).
Den Schöpfer des neuen Erwerbszweiges hatte seine Augenarztpraxis in Köln nicht auszufüllen vermocht. Technisches Talent und ein scharfer Blick für Nebenverdienst-Möglichkeiten gaben dem Dr. Schmidt schon vor Jahren die Idee ein, noch intensiver als Banken und Sparkassen den Mythos des goldenen Zeitalters zu nutzen.
Dem Kassenarzt Schmidt hatte der Preisunterschied zwischen Barren- und Münzgold derart ins Auge gestochen, daß er sich nach mühseligen Vorarbeiten darauf verlegte, alte Goldstücke mit bisher unerreichter Präzision selbst zu verfertigen.
Während Barrengold bei Abnahme größerer Mengen schon für fünf Mark je Gramm Feingold (24 Karat) bei den Banken zu haben ist, werden für Münzgold weit höhere Preise gezahlt. So kostet das 1,99 Gramm schwere Fünf -Mark-Stück mit dem Kopf Wilhelms I. bis zu 240 Mark. Der reine Goldwert macht dabei nur 8,06 Mark aus. Kassenarzt Schmidt errechnete, daß er aus einem Kilogramm Barrengold im Wert von rund 5000 Mark für gut 110 000 Mark Goldmünzen mit dem Aufdruck »5 Mark« prägen könne.
Mit seinen sinntigerweise als »Original-Nachprägungen« bezeichneten Münzen vermochte Schmidt mithin die offiziellen Notierungen der Banken beträchtlich zu unterbieten.
Auf den Bankkurs für echte Fünf -Mark-Stücke gewährt Schmidt 50 Prozent Rabatt. Bei einem offiziellen Preis von 240 Mark können Hausmann-Kunden die Nachprägungen für 120 Mark plus Portokosten und Versicherung erwerben.
Bei den 10 und 20-Mark-Stücken aus der Kaiserzeit sind die Gewinne freilich geringer: die offiziellen Kurse betragen zur Zeit 60 Mark für das 10 -Mark-Stück sowie 78 Mark für das 20 -Mark-Goldstück. Die Goldwerte betragen 16,11 Mark und 32,22 Mark. Immerhin bleiben für den Präger mehr als 100 Prozent Profit übrig.
Die bundesdeutschen Goldhamster entwickelten einen derartigen Appetit auf Schmidts Pseudo-Kreationen, daß der Kölner Augenarzt in einem Nebengelaß seiner Behausung einen Fernschreiber Installieren mußte. Für seine Werkstatt beschaffte er eine sieben Tonnen schwere Presse, die in der Minute 110 Münzen zu prägen vermag. Schmidt: »Morgens bin ich in der Praxis und abends an der Presse.« In seiner Werbung strich Schmidt besonders heraus, daß seine Dukaten von den echten Münzen praktisch nicht zu unterscheiden seien.
Je schneller freilich Ticker und Prägepresse ratterten, desto lauter schnaubten die Bankiers und die Beamten des Bundesfinanzministeriums. Finanzminister Starke und sein Münzreferent Ullmann befürchteten das Aufkommen einer goldenen Nebenwährung, und die Banken bangten um ihr Münzgeschäft, das ihnen alljährlich einen Umsatz von 500 Millionen Mark verschafft. Bei ihrer Suche nach rechtlichen Möglichkeiten, dem Kölner Goldesel das Präge-Handwerk zu legen, hatten sich die Schmidt-Gegner lange auf die sogenannte Medaillenverordnung aus dem Jahre 1928 gestützt. Sie verbietet das Nachprägen von Münzen, die »auf Grund reichisgesetzlicher Bestimmungen außer Kurs gesetzt sind«. Nachprägungen sind nur dann erlaubt, wenn die Münzen »mittels einer festen metallischen Verbindung einen Bestandteil anderer Gegenstände bilden« (Schmuck).
Allerdings erwies sich die Medaillenverordnung als mangelhafte Handhabe, die Kölner Goldmine zu verstopfen. Die Verordnung, deren Gültigkeit zudem umstritten ist, bedroht Zuwiderhandlungen nur mit 150 Mark Geldstrafe.
Erst der Berliner Uhrenhändler Krämer wußte Abhilfe. Nachdem Minister Starkes Münzreferent Ullmann den Berliner in detaillierten Schreiben rechtlich belehrt hatte, ließ Krämer seine Einstweilige Verfügung los. Dabei zielte sein Antrag nicht so sehr auf die Verletzung der Medaillenverordnung; vielmehr stützte sich der Berliner Juwelier erstmals auf das Rabattgesetz, das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb sowie auf die einschlägigen Betrugsbestimmungen in Zivil- und Strafrecht.
Obwohl Schmidts Reichs-Gold-Münze ihre Erzeugnisse als Nachprägungen ausgebe, so von der Linde, sei es nicht ausgeschlossen, daß dubiose Kunden sie als echte Münzen zum Bankkurs an Unwissende weiterveräußerten. Mithin leiste Schmidt dem Betrug Vorschub.
Schließlich brachte Schmidt-Kontrahent Krämer vor, eine Täuschung der Käufer sei schon dann zu sehen, daß der Kölner Augenarzt seinen Kunden in Werbeanzeigen eine wertbeständige Kapitalanlage suggeriere. Tatsächlich aber, so Kläger Krämer, »ist eine unechte Münze niemals eine Kapitalanlage, weil sie keinen Handelswert... hat«. Schmidts Münzen seien vielmehr nur das Gold wert, aus dem sie gemacht seien.
Das Landgericht Berlin gab dem Antrag Krämers statt und verbot dem Kölner Augenarzt in erster Instanz, seine Nachahmungen weiterhin unter die Bundesbürger zu bringen.
Selbst wenn dieses Urteil im Widerspruchsverfahren vor dem Berliner Kammergericht bestehen sollte, können die Goldsparer künftig nicht darauf hoffen, vor Falsifikaten geschützt zu sein. Schmidt kann durch Eideszeugen beweisen, daß ein großer Teil der von den Banken als echt angebotenen Goldmünzen ebenfalls Nachahmungen sind. So sind italienische Nachprägungen bereits seit Jahren in der Bundesrepublik in Umlauf und werden von den Banken zum offiziellen Preis an die Kunden veräußert.
Diesen Nachweis führte Schmidt durch Testkäufe bei
- der Stadt-Sparkasse Gelsenkirchen,
- der Kreissparkasse Düsseldorf,
- der Rheinischen Girozentrale und
Provinzialbank,
- der Dresdner Bank in Essen,
- der Deutschen Bank in Bonn und
- der Städtischen Sparkasse Bonn.
Von insgesamt 37 bei diesen Instituten eingekauften - und angeblich echten - Münzen erwiesen sich unter Schmidts Mikroskop 22 als Fälschungen.
In Schmidts Kundenkartei sind überdies eine ganze Anzahl kleinerer Sparkassen vermerkt, die zu den Abnehmern seiner Irritationen zählen.
Mit Rücksicht auf eine weiterhin gute Geschäftsverbindung möchte Schmidt die Namen dieser Institute allerdings nicht preisgeben.
Wilhelm II.-Münze
Für Goldhamster...
Münzpräger Schmidt
... Imitationen vom Augenarzt