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VERKEHR / ZOLL Farbe bekennen

aus DER SPIEGEL 21/1970

Für Auslandspassagiere, die auf dem Hamburger Flughafen ankommen, gibt es seit Anfang dieses Monats zwei Ausgänge. Ein roter Weg führt zum »roten Ausgang', ein grüner Weg zum »grünen Ausgang«. Hinweistafeln mit achteckigen grünen und viereckigen roten Symbolen sollen zusätzlich die Orientierung erleichtern. Wer falsch wählt, riskiert Bestrafung.

Denn die Farben markieren den Weg durch den Zoll. Wie schon seit einiger Zeit in Hannover, Frankfurt und Köln hat nun auch der Flughafen Hamburg -für 6000 Mark -- ein »Zweikanal-Abfertigungssystem« eingerichtet:

* »roter Ausgang« für Passagiere mit

»anmeldepflichtigen Waren«,

* »grüner Ausgang« für Passagiere mit »anmeldefreien Waren«. Die Wege -- gekennzeichnet durch rote und grüne Fußbodenbeläge

trennen sich unmittelbar nach dem Gepäckempfang. Nach 113 Schritten muß der zaudernde Fluggast Farbe bekennen, denn von da an separiert ein Metallgeländer willige Deklaranten von potentiellen Schmugglern. Die Zöllner-Frage »Haben Sie etwas zu deklarieren?« wird optisch vorverlegt.

Am Ende des roten Ausgangs ist, für die ankommenden Passagiere gut sichtbar, ein Zöllner postiert. Der grüne Ausgang scheint unbeobachtet -- der Zöllner lauert hinter einer hölzernen Sichtbiende.

Erich Niester, Leiter der Flughafenabteilung für Betriebstechnik: »Durch einen Spion kann der Beamte beobachten, ob jemand noch vom roten auf den grünen Streifen überwechselt«. Vor allem solche Passagiere riskieren, gefilzt zu werden. Zollrat Adolf Woese vom Zollamt Flughafen: »Der wird schnell aus dem Verkehr gezogen und behindert niemanden mehr.«

Um wegen des listigen Blenden Einfalls jedoch »im Ausland nicht als Bremser in Verruf zu geraten«, will der Zoll auch weiterhin nur maßvoll kontrollieren und, so Woese, »lieber fiskalischen Verlust in Kauf nehmen«.

Die Einführung des Zweikanal-Abtertigungssystems in Deutschland geht auf eine Empfehlung der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz ECAC (European Civil Aviation Conference) vom Juni 1969 zurück. Die deutschen Verkehrsflughäfen folgen damit dem Beispiel Schwedens, Englands und der Schweiz. Dort hat sich, so Helmut Bernhardt von der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), »diese Abfertigungsmethode außerordentlich bewährt«.

Tatsächlich haben Zeitstudien auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen, wo die Rot-Grün-Schleuse seit einem Jahr in Betrieb ist, ergeben, daß die Auslandspassagiere dreimal so schnell wie früher abgefertigt werden können. »Der Betrieb wird dadurch wesentlich beschleunigt«, findet auch Karl-Albert Reltz, Abfertigungsfach. mann der Lufthansa in Frankfurt.

Nur die Sichtblenden, auf die auch der Frankfurter Zoll Wert legte, wollen dem Lufthansa-Spezialisten Reitz »nicht so recht gefallen, der Fluggast sieht ja kaum noch den Ausgang«. Reitz ironisch zum Versteckspiel der Beamten: »Die Zollverwaltung ist eben sehr eigen in der Abschirmung ihrer Amtshandlungen.«

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