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WARENZEICHEN Farbe und Suppe

aus DER SPIEGEL 36/1965

Nicht nur Bundesflaggen, Shell-Tank stellen, Tulpen, Verkehrsampeln oder Coca-Cola-Autos, sondern unter anderem auch mehr als 500 westdeutsche Lebensmittelpackungen zeigen die Farbkombination Rot-Gelb. Aber von ihnen soll sie, mit wenigen Ausnahmen, verschwinden: Die Frankfurter Suppen- und Würzenfirma Maggi GmbH beansprucht für sich das Rot-Gelb-Monopol bei Lebensmitteln.

Maggi fordert Beträchtliches. Es gibt überhaupt nur drei ungemischte Grundfarben (die dritte: Blau) und nur drei Kombinationspaare daraus. Ein Drittel dieses knappen Naturangebots will die Firma, Tochter des Nestle-Konzerns, mit Hilfe der Gerichte für sich reservieren.

Maggis Geschäftsführer Friedel Berning begründet: »Seit über 70 Jahren sind unsere Packungen in Gelb-Rot gehalten. Wir haben Millionen in die Werbung investiert: Wir wollen nicht, daß Mitbewerber sich daranhängen.«

Über mehrere Jahrzehnte hatte sich die Firma darauf beschränkt, allzu anhänglichen Konkurrenten das Rot-Gelb zu verleiden; sie verfolgte nur offenkundige Nachahmungen der Maggi-Packung oder solche Fälle, in denen wenigstens die Gefahr einer Verwechslung mit Maggi-Produkten bestand. Dann aber erklärten die Suppenköche den totalen Krieg:

- Sie zwangen beispielsweise einen Unternehmer in Waldniel, seine rotgelbe Packung zu ändern; der Mann fabriziert Maggi-fernen Rübensirup.

- Sie gingen vor Gericht, um der Saarbrückener Carla-Gewürzfabrik GmbH unter anderem den Gebrauch rotgelber Preislisten verbieten zu lassen.

- Sie verteidigten ihr Monopol sogar da, wo Rot-Gelb nur in Verbindung mit anderen Farben auftauchte, etwa bei den blau-gelb-roten Paniermehltüten der Neußer Brata KG.

Über hundertmal waren die Farbenkämpfer bisher erfolgreich, weil die zumeist kleinen Gegner einen Prozeß mit der Nestle-Tochter scheuten. Sie verzichteten lieber auf Ausstattungen, die sie oft auch schon seit Jahrzehnten benutzt hatten.

Unter den wenigen Maggi-Opfern, die sich auf einen Rechtsstreit einließen, war nur ein ebenbürtiger Gegner: die Firma C. H. Knorr GmbH in Heilbronn, die mit Maggi rund 90 Prozent des westdeutschen Suppenmarkts kontrolliert.

Knorr, Mitglied der Maizena-Gruppe, hatte 1963 das Kartoffelbrei-Pulver »Stocki« in einer Schachtel herausgebracht, auf dem der Produktname in roten Buchstaben auf einem gelben Streifen zu sehen ist; Hauptelement ist jedoch ein grünes Feld mit der mehrfarbigen Abbildung des fertigen Gerichts.

Maggi klagte beim Landgericht Stuttgart auf Verbot des Rot-Gelb und obsiegte. Knorr legte Berufung ein.

Die Stuttgarter Richter hatten bei ihrem Farbenurteil auf die Hilfe des Gesetzes weitgehend verzichten müssen. Das deutsche Recht erkennt Farben grundsätzlich nicht als Warenzeichen an, die beim Patentamt eingetragen werden können und damit geschützt sind. Farben gelten nur in jenen Ausnahmefällen für schutzwürdig, wo sie sich als das Ausstattungsmerkmal einer bestimmten Firma beim Publikum durchgesetzt haben. Wann diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, sagt das Gesetz nicht.

Die Paragraphenlücke ist seit je mit einem unjuristischen Behelf notdürftig verstopft worden: mit der Meinungsumfrage. Auch die Stuttgarter Kontrahenten stapelten dem Gericht Umfrageergebnisse auf den Tisch.

Bei den Meinungstests der Kläger brachten bis zu 87 Prozent der Befragten die Farben Rot und Gelb »spontan« mit Maggi in Verbindung. Der geringste Anteil spontaner Maggi-Rufer betrug immerhin noch 27 Prozent.

In Knorrs Volksbefragungen dagegen vollzogen nur höchstens 40 Prozent und minimal sechs Prozent die Assoziation Gelb-Rot - Maggi.

Beide Seiten versuchten, den Gegner unseriöser Methoden zu überführen. Knorr beispielsweise fand heraus, daß eine Gruppe von Maggi-Interviewern als erstes gefragt hatte: »Haben Sie schon einmal den Namen Maggi gehört, gelesen oder gesehen?«

Im Auftrag der Frankfurter hingegen begutachtete Westdeutschlands Paradedemoskopin Professor Dr. Elisabeth Noelle-Neumann aus Allensbach die Knorr-Befunde als »verzerrt«, »verschleiert« und »manipuliert«.

Das Stuttgarter Gericht hielt sich denn auch nicht an die Parteiendemoskopie, sondern an eine ältere Rot-Gelb-Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT). Sie habe, so die Richter, »besondere Beweiskraft . . . weil sie nicht im Auftrag einer der Parteien durchgeführt wurde und... nicht im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit erfolgt ist«.

Sie war allerdings auch noch strittiger als die übrigen Umfragen, da sie nicht einmal eine Spur von demoskopischer Methodik erkennen ließ. Als Ergebnis hatte der DIHT keine Prozentzahlen gemeldet, sondern nur, daß »unseres Erachtens«, die Voraussetzungen für einen Rot-Gelb-Schutz bei der Maggi-Packung gegeben seien.

Falls solcher Test-Zauber auch beim Oberlandesgericht Eindruck machen sollte, kann Maggis Ampel auf Grün springen. Dann gerät sogar Großunternehmer Rudolf August Oetker mit seinen rot-gelben Pudding-Päckchen in Gefahr, überrollt zu werden. Ihn hat Maggis Justitiar Dr. Albert Keinath bisher nur verwarnt.

Maggi-Chef Berning

Monopol für Gelb und Rot

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