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BUNDESWEHR Fehler gemacht

Verteidigungsminister Apel ist inzwischen von den Vorteilen einer Neugliederung des Heeres in kleinere Verbände überzeugt. Doch die Reformpläne sind ihm nach wie vor zu teuer und zu kompliziert.
aus DER SPIEGEL 20/1978

Panzer rasten feuernd durch die Lüneburger Heide, Grenadiere sprangen von ihren Fahrzeugen und schossen auf Pappkameraden, ein Oberst verkündete über Lautsprecher, die neue Gliederung in Züge mit drei Panzern habe sich einwandfrei als »effektivste« erwiesen.

Hans Apel, in der vergangenen Woche auf dem Übungsplatz Munster zum erstenmal als Verteidigungsminister bei der Truppe, ließ das Militärspektakel ungerührt über sich ergehen: »Ich will hier nur lernen. Entschieden wird in Bonn.«

Der Versuch des Heeresinspekteurs Horst Hildebrandt, den Minister durch eine Demonstration mit scharfem Schuß von den Vorteilen seiner geplanten Heeresreform zu überzeugen, war vorerst ins Leere gelaufen: Apel interessierte sich mehr für die Soldaten und ihre Sorgen als für Technik und Organisation.

Im Schneidersitz auf dem Heideboden hockend diskutierte er fast eine Stunde lang mit Wehrpflichtigen und Zeitsoldaten über Urlaub, Essen und Dienstpläne. Apel: »Ich hab« gehört, daß zuviel gesoffen wird.«

An den Plänen des Heeresinspekteurs, die Bundeswehr in kleinere, aber schlagkräftigere Verbände aufzugliedern, störten den Ex-Finanzminister bisher nicht nur die hohen Kosten. sondern vor allem die kritische Bemerkung des Wehrbeauftragten Karl Wilhelm Berkhan, daß die Erprobung der neuen Modelleinheiten »mehr Bürokratie« und »höhere Arbeitsbelastung« für die Soldaten gebracht habe.

Schuld daran scheint freilich nicht in erster Linie das Konzept selbst, sondern der Widerstand, der sich mancherorts gegen die Reform gebildet hat.

Viele ältere Offiziere mit Weltkrieg-II-Erfahrung pochten auf Traditionen und gängelten ihre Untergebenen. Junge Kompaniechefs hingegen, die sich vorher über zuviel Aktenkrieg beklagt hatten, fühlten sich plötzlich ohne Stab und Schreibtischgehilfen zu »Oberzugführern« degradiert.

Solche Beispiele für Widerstand und Resignation sind allerdings nicht typisch für die ganze Bundeswehr, wie sich bei einer ersten Untersuchung herausgestellt hat. Sie stammen zumeist aus der Panzerbrigade 28 in Dornstadt, die 1976 bei der Aufstellung zuwenig Soldaten und Geräte erhalten hatte und deshalb noch während des Versuchs aufgestockt werden mußte. Hildebrandt selbstkritisch: »Hier haben wir Fehler gemacht.«

In den anderen vier Modellbrigaden dagegen, in denen Offiziere und Soldaten mit gutem Willen und guter Ausstattung in die Versuche gegangen waren, wurden sehr viel bessere Erfahrungen gemacht: Die Chefs konnten die verkleinerten Kompanien (etwa 100 statt 161) Mann bei den Panzergrenadier- und 60 statt 80 Mann bei den Panzerkompanien) sehr viel besser führen.

So waren beim Großmanöver »Standhafte Chatten« im September letzten Jahres die kleineren, nur noch aus elf oder 13 (statt bisher 17) Panzern bestehenden Kompanien schneller und wendiger und konnten ihre Waffen voll einsetzen. Der Chef einer Kompanie der alten Art: »Wir leiden an der deutschen Volkskrankheit: Wir sind zu dick.«

Der neue Verteidigungsminister hält denn auch das Konzept Hildebrandts jetzt im Ansatz für richtig. Es bleibt, so verkündete er letzte Woche im SPIEGEL, bei 36 statt bisher 33 voll präsenten Brigaden; und die Kompanien werden kleiner, so daß sie im Ernstfall nach dem israelischen Grundsatz »mir nach« geführt werden können.

Gestritten wird auf der Hardthöhe allerdings noch darüber, wer in Zukunft welche Befugnis haben soll. Hil-

* Am 9. Mai in Munsterlager.

debrandts Vorstellungen sind Apel zu technokratisch: »Der Soldat kommt mir zu kurz.«

Und für schlechterdings unvertretbar hält der Minister die Unruhe, die bei einer Umgliederung durch den Umzug von 30 000 bis 40 000 Soldaten entstehen würde. Aus dem gleichen Grund lehnt er den Bau neuer Kasernen ab. Apel: »Wir können die Bundeswehr doch nicht in ein riesiges Umzugs- und Umbruch-Unternehmen verwandeln.«

Bis zur endgültigen Entscheidung Ende Juni wird sich auch Nato-Oberbefehlshaber Alexander Haig noch gedulden müssen. Der Amerikaner hatte sich schon für Februar zu einem längeren Bundeswehr-Besuch angemeldet, ihn aber dann wegen des Ministerwechsels wieder verschoben.

Haig, durchaus angetan von den deutschen Reformplänen, will vor Ort die Erfahrungen der Bundeswehr noch einmal studieren -- um sie seinen amerikanischen Kollegen zur Nachahmung zu empfehlen.

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