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Briefe

Fehlkonstruktion der Natur?
aus DER SPIEGEL 32/1984

Fehlkonstruktion der Natur?

(Nr. 29/1984, Titel: Das geheimste Verbrechen - über den sexuellen Mißbrauch von Kindern in ihren Familien) *

Die Mädchen vergewaltigt, die Jungen krank geprügelt - das ist unsere Mitmenschheit, die man lieben soll! Ich wünsche mir einen neuen Rattenfänger von Hameln, der dem Gesindel die Kinder wegholt!

Berlin HILDE RUBINSTEIN

Wer immer noch nicht glauben will, welche dauerhaften seelischen Schäden der sexuelle Mißbrauch in der Kindheit hervorruft, der sollte das Brigitte-Buch »Als Kind mißbraucht - Frauen brechen das Schweigen« (Mosaik-Verlag, München) lesen. Die Berichte der Frauen, die darin zu Wort kommen, lassen keinen Zweifel an den verheerenden Folgen der sexuellen Übergriffe von Vätern, Stiefvätern, Brüdern, Onkeln, Großvätern oder sonstigen Männern, die ihre Finger nicht von kleinen Mädchen lassen.

Hamburg ANGELIKA GARDINER-SIRTL

Mal was gehört vom »ewigen Kind im Manne«? Ohne auch nur die geringsten Zweifel wecken zu wollen hinsichtlich brutaler Sittlichkeitsverbrecher: Dies »Kind im Manne« und das im kleinen Mädchen erwachende »lockende Weib«, diese beiden begegnen einander häufig auf so teuflisch-tragische Weise, daß dies Frauen, die darüber zu recherchieren und zu urteilen haben, niemals werden nachempfinden können.

Hamburg EWALD HORN

Es ist sicher richtig, daß sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen generell problematisch sind. Dennoch hätte ich mir gewünscht, daß in Ihrem ausgezeichneten und aufrüttelnden Artikel stärker hervorgehoben würde, daß nicht die Überschreitung irgendwelcher bürgerlicher Tabus das Kriminelle, Entwürdigende, Verabscheuungswürdige an Sexualdelikten gleich welcher Art ist, sondern allein die Tatsache, daß Gewalt angewendet wird, psychisch oder physisch, innerlich oder äußerlich, offenkundig oder latent.

Ladenburg (Bad.-Württ.) HANS GERCKE

Professor Dr. Elisabeth Trube-Becker mußte in ihrer jahrzehntelangen Praxis als Gerichtsmedizinerin oft, zu oft Kinder untersuchen, für die es keine Rettung gab: Endstation Obduktionstisch. Valeska von Roques beruft sich aus gutem Grunde mehrfach auf diese angesehene und sehr engagierte Expertin. Daher ist es nicht fair vom SPIEGEL, bei jedem in der Reportage zitierten Autor auf die entsprechende Buchveröffentlichung hinzuweisen - außer eben bei Frau Trube-Becker. Vielleicht wollte der SPIEGEL seinen Lesern mit der fehlenden Literaturangabe die Lektüre ihres Standardwerkes »Gewalt gegen das Kind - Vernachlässigung, Mißhandlung, sexueller Mißbrauch und Tötung von Kindern« (Kriminalistik Verlag, 1982) ersparen. Dieses Buch ist nämlich unter anderem eine Schocktherapie für alle, die glauben, daß der Slogan »Ein Herz für Kinder« mehr ist als nur ein Autoaufkleber.

Heidelberg JOSEPH WEISBROD Kriminalistik Verlag

Ein angsteinflößendes, reißerisches Titelphoto, dann neben Gutachter-Photos von mißhandelten Kindern die Kinder-Porno-Photos und einige Filmszenen-Photos von »Kindfrauen« mit erotischer Ausstrahlung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Menschen, die für solche Verbrechen offen sind, durch Ihren Bericht und Photos abgeschreckt werden. Wohl eher fühlen sie sich durch die Photos angeregt, denke ich mir.

Glinde (Schlesw.-Holst.) MARIANNE LAMMERS

Ihr Titelbericht erweckt Assoziationen zur neuerlichen Paragraph-218-Wende, die ich angesichts dieser und anderer Berichte nur als zynisch empfinden kann. Unsere ehrenwerte Gesellschaft, die sich so scheinheilig über die Verbrechen an ungeborenen Kindern entrüstet, sollte sich erst einmal um das unendlich viel größere Leid der geborenen Kinder kümmern.

Tübingen PROF. DR. MED. DR. RER. NAT. DIETLINDE GOLTZ

Wie Sie zutreffend schreiben, sah Freud die Ursache für die Entstehung von Neurosen zunächst in realen Verführungssituationen in der Kindheit. Später fand er, daß diese ihm von seinen Patienten mitgeteilten Begebenheiten Phantasiegeschichten waren. Daraufhin gab er seine »Verführungstheorie« auf zugunsten einer Theorie von »Urphantasien«. Dies heißt aber nicht, wie angedeutet wird, daß Freud die »sexuelle Gewalt an Kindern aus der Wirklichkeit auf eine innere Bühne verlegte«. Die Verführungstheorie (wie auch die Hypothese von den Urphantasien) hat die Entstehung von Neurosen zu ihrem Gegenstand, nicht das tatsächliche Ausmaß des sexuellen Kindermißbrauchs. An der Entstehung von Neurosen ist sexuelle Gewalt an Kindern jedenfalls nur zu einem geringen Grad beteiligt.

Münster DR. MED. WOLFGANG WÖLK

Solange solche Männer Politik machen, zu Gericht sitzen und so weiter, wird sich bestimmt nichts ändern, und solange die »besseren Hälften« ihre Unholde nicht rausschmeißen, möchte man für manches kleine Mädchen hoffen, daß es ungeboren bleibt.

Berlin HELLA MEY

BRIEFE

Sieht Gespenster

(Nr. 30/1984, Literatur/DDR) *

Erich Loest, zweiter Vorsitzender des VS in der IG Druck und Papier, schreibt in seinem Buch »Der vierte Zensor« (und DER SPIEGEL kolportierte es genüßlich und ungeprüft), im Jahre 1975 sei er gewissermaßen dem verlängerten Arm der DDR-Kulturbürokratie in die Hand gefallen, der AutorenEdition in München. »Er wundert sich über den reservierten Empfang bei den Lektoren Uwe Timm und Uwe Friesel. Zu spät erfährt er, daß sie Mitglieder der DKP sind. Der Mitteldeutsche Verlag (...) ist empört über Loests Kontakte zu ''BRD-Medien''. Die AutorenEdition sagt später ab.«

Was mir hier unterstellt wird, ist zwar so spannend wie vielleicht einer seiner Krimis, entbehrt aber leider jeglichen Wahrheitsgehalts. Erst mal war ich nie Mitglied der DKP und werde es bestimmter politischer Vorbehalte wegen auf absehbare Zeit auch nicht sein. Die italienischen Kommunisten sind mir da näher. Erich Loest sollte aber nach drei Jahren Aufenthalt in diesem unserem Lande wissen (und DER SPIEGEL ohnehin), daß die Verbreitung der Falschmeldung, der Kollege Uwe Friesel sei DKP-Mitglied, so etwas wie ein automatisches Berufsverbot gegen ihn bewirkt: Etliche Rundfunk- und Zeitungsredakteure werden von nun ab höflich, aber bestimmt auf meine Mitarbeit verzichten.

Es trifft allerdings zu - und hiervon nehme ich keinen Deut zurück -, daß ich

von Anfang an gegen Berufsverbote und Nachrüstungsbeschluß angegangen bin und mich auch nicht scheue, hier wie auch im Schriftstellerverband mit DKP-Kollegen zusammenzuarbeiten.

Die zweite Unterstellung, die Autoren-Edition habe dann quasi hinter seinem Rücken Stasi gespielt und in der DDR Nachricht vom Besuch des Erich Loest gegeben, ist so grotesk wie infam. Der Mitteldeutsche Verlag ist mir, abgesehen von einigen guten und weniger guten Büchern, so unbekannt wie ich ihm. Ich kenne auch keinen DDR-Kulturfunktionär, außer Hermann Kant, den ich gerade zusammen mit Erich Loest bei der Kieler Woche anläßlich der Diskussion »Freundbilder - Feindbilder« getroffen habe. Die Feindbilder des Kollegen Loest sitzen offenbar tief. Er sieht Gespenster.

Hamburg UWE FRIESEL

BRIEFE

Oft geschossen

(Nr. 29/1984, Waffen: Über den Waffenproduzenten Samuel Colt) *

Ein Modell der ersten Handfeuerwaffe, gemeint ist eine Faustfeuerwaffe, also eine Pistole oder ein Revolver mit der mehrere Schüsse - ohne nachzuladen - abgegeben werden konnten, wurde schon ca. 1670/80 erfunden; also mindestens 160 Jahre früher. Es hatte dieselben hauptsächlichen Merkmale wie das Colt-Patent von 1836, nämlich beim Spannen des Hahnes wurde die Trommel durch einen Umsetzhebel um jeweils eine Kammer weitergedreht und arretiert. Beweis: In meiner Sammlung historischer Faustfeuerwaffen (fast lückenlos von 1650 bis 1900) befindet sich ein Modell des wahrscheinlich von Dafte in England konstruierten Revolvers. Ein zweites Modell, allerdings wesentlich größer, ist im Tower in London zu sehen. In der damaligen Zeit gab es noch keine Percussionszündung (Zündhütchen), sondern die weitaus komplizierteren Feuersteinschlösser. Dafte sah für jede Pulverkammer eine mit einem Schiebedeckel versehene Pulverkammer vor, die das Zündpulver gegen Verlieren oder Feuchtigkeit schützte. Als Abzug dient ein Knopf, sogar ein Ladestock ist am Lauf angebracht.

Amorbach (Bayern) W. KIESER

BRIEFE

Feine Unterschiede

(Nr. 27/1984, Berlin: Polen werden jetzt wie Tamilen behandelt) *

In Ihrem Artikel über Schwierigkeiten der Exilpolen in Berlin schreiben Sie, ich hätte den polnischen und den deutschen Paß, womit sicherlich gemeint ist, daß ich sowohl polnischer als auch deutscher Staatsangehöriger bin. Der feine Unterschied ist hier aber, daß politisch oppositionelle Polen im Exil - so einer bin ich auch - eigentlich keine polnischen Pässe haben können. Nur die dem Warschauer Regime konformen Auslandspolen erhalten - nicht umsonst - bei den diplomatischen Vertretungen der VR Polen den sogenannten »Konsularpaß« und auch Visa für Polen-Besuche. Ein solcher Paß ist der Wunschtraum von Wirtschaftsflüchtlingen; politische Emigranten dagegen nehmen Abstand nicht nur von »Konsularpässen«, sondern auch von ihren Besitzern. Nach Ablauf der Gültigkeit ihrer »touristischen« Ausreisepässe schicken die »Politischen« sie an die polnische Botschaft zurück, erhalten im Ausland in der Regel einen Fremdenpaß, ein »travel document«, oder, wenn sie dazu berechtigt sind, auch die Staatsbürgerschaft des Gastlandes, wie es bei mir der Fall ist.

Berlin (West) EDWARD KLIMCZAK Vorsitzender der Gesellschaft Solidarnosc e. V.

BRIEFE

Stolz darauf

(Nr. 28-30/1984, Zeitgeschichte: SPIEGEL-Redakteur Wolfgang Malanowski über den 20. Juli 1944) *

Bei aller Anerkennung ihres persönlichen Mutes (aber haben den nicht auch Tausende von Demokraten gezeigt?) hätten die Männer des 20. Juli zum Teil sehr gut auf die Nürnberger Anklagebank gepaßt wegen Duldung, Vorbereitung und Durchführung eines Eroberungskrieges. Ihre damalige Haltung würde heute nach den Normen des Grundgesetzes als Volksverhetzung und Vorbereitung eines Angriffskrieges eingestuft. Sie wären in den Karteien des Verfassungsschutzes und des BND, wenn diese Institutionen nicht aus dem gleichen Geist von fast den gleichen Leuten gegründet und aufgebaut worden wären - womit sich der Kreis wieder schließt.

Elz (Hessen) HERBERT STEIN

Ich bin stolz darauf, wesentlichen Anteil daran zu haben, daß der Aufstand vom 20. Juli 1944 für die Verschwörer zu einem Desaster wurde. Stünde ich abermals vor der gleichen Situation - ich würde heute genauso handeln wie damals, auch wenn ich wüßte, daß am Ende für mich der Galgen steht.

Ich bin stolz darauf, Leuten das Handwerk gelegt zu haben, die mit einer beispiellosen Arroganz und Menschenverachtung geplant hatten, zwei ahnungslose einfache Soldaten anläßlich einer Truppenbesichtigung durch Hitler zusammen mit diesem in die Luft zu sprengen. Ein Offizier hat stets und immer das Leben seiner ihm anvertrauten Soldaten höher zu achten als sein eigenes.

Der Aufstand begann mit einer groben, vorsätzlichen Unwahrheit des Bombenlegers Stauffenberg gegenüber seinen Mitverschwörern, und er endete mit einer Groteske: Als alle Häscher schon unterwegs waren, brüteten die sogenannten Widerständler noch über der tiefschürfenden Frage, wer wohl bei einem Staatsstreich die Ernennungsurkunde des neuen Staatsoberhauptes unterzeichne. Jeder des Lesens und Schreibens unkundige kolumbianische Bananenpflücker hätte diese Frage sofort beantworten können: der nächste Erzbischof gegen einen anständigen Obolus in seine Privatschatulle. Jeder der Verschwörer hatte hundertfach Gelegenheit, mit geladener Pistole zu Hitler zu gehen und ihn ganz einfach zu erschießen. Aber dazu fehlte ihnen offensichtlich der Mut.

Kaufbeuren (Bayern) OTTO-ERNST REMER _(Remer war als Kommandeur des ) _(Wachbataillons »Großdeutschland« ) _(maßgeblich an der Zerschlagung der ) _(Widerstandsaktionen vom 20. Juli 1944 ) _(beteiligt. )

Sosehr ich das heldenhafte Verhalten der Widerstandskämpfer bewundere und ihre Ermordung durch sogenannte Volksrichter verabscheue, so war das Scheitern für die spätere Bundesrepublik doch a blessing in disguise - ein verkappter Segen. Das darauffolgende unconditional surrender führte schließlich zu einer besseren Staatsform und einem Grundgesetz, die weder Goerdeler noch der Kreisauer Kreis zum Ziele hatten. Seit 1943 arbeiteten amerikanische Gelehrte mit ihren aus Deutschland vertriebenen Kollegen und ehemaligen deutschen Beamten an einer neuen demokratischen Staatsform für das besiegte Deutschland. Dies geschah an den Universitäten von Wisconsin, Harvard, Amherst, der New School for Social Research, des Office of Strategic Service, des Kriegsministeriums und später des Office of Military Government. Der wichtigste amerikanische Mitschöpfer des Grundgesetzes und Verhandlungspartner von Konrad Adenauer und deutschen Politikern war der Omgus-Beamte Professor Dr. Hans Simons. Das Grundgesetz trägt deutlich seine Züge. Hans Simons war ein 1933 aus Preußen vertriebener ehemaliger Regierungspräsident - ein Sohn des früheren deutschen Außenministers und späteren Reichsgerichtspräsidenten Walter Simons.

Frankfurt PROF. E. H. DR. ROBERT M. W. KEMPNER Ehemaliger stellvertretender US-Hauptankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen

Ein größeres Opfer für eine weltbewegende Tat als das des eigenen Lebens gibt es nicht. Aber es hängt wohl jeder am Leben, zumal wenn er Vater mehrerer unversorgter Kinder ist.

Oberviechtach (Bayern) RICHARD FINKE

»Sie haben gehandelt mit dem Mut von Männern und der Einsicht von Schulknaben.« Diesen Satz schrieb Cicero nach dem Attentat vom 15. März 44 v. Chr. auf Julius Cäsar. Er hätte ihn 1988 Jahre später um kein Jota anders formuliert.

Berlin HUGO M. KRITZ KRIZKOVSKY

Aufsehen erregte Carl Goerdeler bei Amtsantritt als Oberbürgermeister in Leipzig 1930 dadurch, daß er in seine Begrüßung mit Handschlag auch Kommunisten einbezog. Seine aus Marienwerder/Westpreußen stammende Frau (erzogen bei Lausanne, wie meine Mutter) schrieb uns 1941 bei Kriegsausbruch mit der Sowjet-Union: »Ich muß mit allen Verwandten und Freunden den Briefwechsel abbrechen; fragt nicht, weshalb, und verbrennt unsere Briefe und Bilder.« So geschah es mit dem Hochzeitsphoto Goerdelers, auf dem seine Glatze zum großen Schnurrbart in Gegensatz stand. 1945 nach ihrer Befreiung aus der Haft durch die Amerikaner lehnte Frau Goerdeler unsere Einladung zur Erholung auf dem Lande ab und erinnerte uns daran, daß ihr Mann seit Kriegsbeginn 1939 Widerstand gegen Hitler zu leisten versuchte.

Frankfurt JOACHIM H. K. SCHIPPAN

Nun muß man offenbar immer wieder ins Gedächtnis rufen, daß jeder, der im Tausendjährigen Reich nicht aktiv Widerstand geleistet hat oder in die Emigration ging, einen - wie immer gearteten - Kompromiß mit dem Regime schloß. Im besten Falle flüchtete er in die Wehrmacht und schoß auf kommunistische Sowjetsoldaten ebenso wie auf demokratische Engländer und Amerikaner. Schließlich stand die Nation in einem von ihr sicher nicht gewollten, jedoch von ihrer Regierung provozierten Existenzkampf.

Insofern ist das Verhalten in jener schrecklichen Zeit nicht mit heutigen Maßstäben und nicht von Außenstehenden zu messen. Die Situation des berühmten Esels zwischen den beiden Heubüscheln - hier die totale deutsche Niederlage, dort der Sieg Hitlers - ist für Nachgeborene kaum nachzuempfinden.

Diese Tatsache sollte aber jene etwas zurückhaltender machen, welche das Dritte Reich mit seinen Anfangserfolgen und seinem Absturz ins Verbrechen bewußt miterlebt haben, ohne den Mut oder die Gelegenheit zum Widerstand zu finden. Abstoßend ist jedenfalls die beckmesserische Kritik an den wenigen aufrechten Männern und Frauen aller Schichten, die sich aus Gewissensnot mitten im Krieg zum Aufstand entschlossen. Bei allen unterschiedlichen Vorstellungen über Deutschlands Zukunft - wie

hätte es anders sein können angesichts der heterogenen Herkunft der Verschwörer und der Unmöglichkeit, im totalitären Staat Zukunftspläne in größerem Kreise zu diskutieren - entschlossen sie sich gegen Eid und Tradition und zumeist entgegen ihrer persönlichen Einstellung zu Hochverrat und Tyrannenmord. Und dies ohne Rücksicht darauf, daß sie beim Mißlingen mit Sicherheit der Galgen erwartete und daß sie - schlimmer noch - von der Mehrheit ihres verführten und verhetzten Volkes Verräter genannt werden würden.

Als persönlich ganz Unbeteiligter fühle ich mich zu dieser Aussage im Gedanken an all jene Freunde, Bekannte und Verwandte verpflichtet, die sich nicht mehr gegen die Impertinenz einer stets dem jeweiligen Zeitgeist opportunistisch verbundenen Journalistik wehren können oder sich als Betroffene nicht wehren wollen. Schmock soll nicht das letzte Wort behalten!

Holzminden (Nieders.) WILHELM-KARL PRINZ VON PREUSSEN

Bei allen Fehlern und Illusionen bei der Beurteilung der damaligen, d. h. aktuellen Situation ist es doch erstaunlich, mit welchem fast seherischen Blick Goerdeler die Zukunft, die heutige deutsche und europäische politische Lage beurteilt hat.

Kaarst (Nrdrh.-Westf.) DR. HEINZ WATENPHUL

Die Männer des 20. Juli mögen Fehler gemacht haben, aber sie hatten den Mut, den Millionen nicht besaßen. Sie wollten nicht länger die Komplicen größenwahnsinniger Massenmörder sein. Daß der Widerstand auch heute noch - aus einer gewissen Ecke - als Verrat bezeichnet wird, zeigt, daß Deutschland die düstere Vergangenheit immer noch nicht ganz bewältigt hat.

Mainburg (Bayern) ERHARD BRAUN

Es ist erschütternd, aus der SPIEGEL-Serie zum mißglückten Attentat vom 20. Juli 1944 zu erfahren, wie sträflicher Dilettantismus, großdeutsches Denken und imaginäre Weltferne den sogenannten Widerstandskämpfern den Blick getrübt haben müssen: So war natürlich eine wirkliche Revolte gegen den deutschen Größenwahn nicht möglich, nachdem die ideologisch verblasenen Usurpatoren eigentlich den gleichen Zielen einer völkischen Expansion anhingen wie der angeblich so sehr gehaßte Führer. Wie in Deutschland üblich: totale Fehleinschätzung der Lage.

Friedrichsdorf/Taunus (Hessen) HANS-WERNER BECK

Heute wissen Engländer und Amerikaner, daß es ein verhängnisvoller Fehler war, der Sowjet-Union zum Sieg im Zweiten Weltkrieg zu verhelfen und Deutschland zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen, statt das Angebot

der Männer des Widerstandes gegen Hitler anzunehmen. Churchill hat das leider erst 1946 erkannt, als er sagte: »Ich glaube, wir haben das falsche Schwein geschlachtet.« Jetzt heißt es wieder: »The Germans to the front« - gegen denselben Gegner, gegen den Deutschland schon im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat.

Düsseldorf DR. KLAUS FREIHERR VON WITTENHORST-SONSFELD

BRIEFE

Nicht gefilmt

(Nr. 27/1984, Medikamente: Rücknahme des Alkohol-Entwöhnungsmittels »Altimol") *

Es trifft zu, daß an der Psychiatrischen Universitätsklinik Bern und der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Münsingen eine offene Vergleichsstudie unter Einschluß von »Altimol« durchgeführt wurde. Die Firma Merck ist zwar für die Kosten dieser Studie aufgekommen, die Studie wurde aber von uns veranlaßt und entsprach nicht den Intentionen der Firma Merck, da sie unter anderem die Klärung offener kritischer Fragen zur Therapie mit einem sogenannten Alkohol-Entwöhnungsmittel zum Ziel hatte. So setzten wir uns dabei auch kritisch mit der behaupteten aversiven »Altimol«-Wirkung auseinander. Deshalb haben wir im Rahmen der eingeleiteten Therapie die bei gleichzeitiger Alkoholeinnahme auftretenden Unverträglichkeitsreaktionen besonders sorgfältig überwacht und dokumentiert (ein solcher ärztlich kontrollierter Trinkversuch zu Therapiebeginn ist notwendig). An der Studie nahmen ausschließlich Alkoholkranke teil, bei denen vom behandelnden Arzt ein Alkohol-Entwöhnungsmittel verordnet worden war und die nach ausführlicher Information ihr Einverständnis dazu gegeben hatten. Wir unterhalten zwar als große Universitätsklinik ein Video-Labor, in keinem einzigen Fall aber wurden Unverträglichkeitsreaktionen per Video gefilmt. Auf diese Feststellung legen wir im Interesse unserer Patienten größten Wert.

Bern P.D. H. BRENNER Psychiatrische Universitätsklinik Bern

Remer war als Kommandeur des Wachbataillons »Großdeutschland"maßgeblich an der Zerschlagung der Widerstandsaktionen vom 20. Juli1944 beteiligt.

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